Ermutigungen
Wenn die Warnungen dieses kurzen Briefes auch außerordentlich ernst sind, so ist seine Ermutigung doch sehr wertvoll. In dem ersten Vers werden die Heiligen als „Berufene“, „Geliebte“ und „Bewahrte“ angesprochen. Weder die Verderbtheit der Christenheit noch die Fehler der Heiligen können die Ratschlüsse Gottes vereiteln. „Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar“ (Römer 11,28). Wie dunkel auch der Tag sein mag, so gibt es doch solche, die nach dem ewigen Ratschluß Gottes berufen worden sind, und die Er als Gegenstände Seiner unwechselbaren Liebe berufen hat. Und diejenigen, die Er liebt, sind die Gegenstände Seiner bewahrenden Sorge.
Das spricht eher davon, was Gott für die Heiligen ist, als von dem, was die Heiligen für Gott sind. Gott hat uns „berufen“; Gott „liebt“ uns; Gott „bewahrt“ uns. So wird hier das, was Gott für Sein Volk ist, als die bleibende und alleinige Grundlage für den Segen und die Sicherheit der Seinen dargestellt. Später wird Judas uns in der Tat hinsichtlich unserer Verantwortlichkeiten ermahnen, aber wie immer unter der Gnade erwerben wir einen Platz des Vorrechtes nicht dadurch, daß wir unserer Verantwortung entsprechen – was unsere gesetzlichen Herzen denken mögen. Vielmehr ist unsere Verantwortung eine Folge davon, daß wir in den Platz von Vorrechten gebracht worden sind.
Hätten wir nicht die Berufung Gottes, die Liebe Gottes und die bewahrende Sorge Gottes, so würden alle in das Verderben hineingezogen, das überall überhand nimmt. Die Segnungen der „Barmherzigkeit“, des „Friedens“ und der „Liebe“ können immer noch genossen werden, wie dunkel auch der Tag sein mag. Aber sie können nicht nur genossen, sondern sogar „vermehrt“ werden. Wenn das Böse überhand nimmt und sich Schwierigkeiten vermehren, dann werden Barmherzigkeit, Friede und Liebe ebenfalls vermehrt werden (Judas 2).
Nachdem uns Judas an unsere Vorrechte erinnert hat, fährt er fort, uns hinsichtlich der Gedanken Gottes für Sein Volk, das sich inmitten überfließender Verderbtheit befindet, zu belehren. Wie dunkel auch die Tage sein mögen, Gott hat einen Weg für Sein Volk. Zunächst werden wir ermahnt zu kämpfen.
Kampf (Judas 3)
Wir müssen ernstlich für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen. „Der Glaube“, von dem Judas spricht, ist nicht der persönliche Glaube, durch den wir errettet werden, sondern das, was geglaubt werden soll – die Wahrheit. Wenn Irrtum vorherrscht und sich Widerstand regt, dann genügt es nicht, daß wir die Wahrheit darlegen, sondern wir müssen für sie kämpfen. Das beinhaltet Konflikt, aber wenn Christus angegriffen wird und die Wahrheit auf dem Spiel steht, dann dürfen wir nicht unter dem Vorwand christlicher Nächstenliebe davor zurückschrecken, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen.
Zudem geht es um „den Glauben“, für den wir zu kämpfen haben, und damit ist die Wahrheit in ihrem ganzen Umfang gemeint. Wir sollen nicht einfach für irgend einen Teil der Wahrheit kämpfen. Das ist tatsächlich oft geschehen mit dem Ergebnis, daß die Wahrheit als Ganzes verloren ging. Dadurch sind Sekten entstanden, die einen speziellen Aspekt der Wahrheit betonen wie z. B. die Heiligkeit, die Gegenwart des Geistes, die Einheit der Kirche oder das Kommen des Herrn.
Auch laßt uns beachten, daß der Glaube, für den wir zu kämpfen haben, der „einmal den Heiligen überlieferte Glaube“ ist. Das Wort „einmal“ hat die Bedeutung von „ein für allemal“. Es läßt keine Hinzufügung, keine Veränderung oder Entwicklung zu. Es gibt keine neue Überlieferung der Wahrheit für die Heiligen. Sie ist ihnen ein für allemal überliefert worden. Wir mögen noch viel über die Wahrheit zu lernen haben. Gott mag uns neues Licht über die Wahrheit, die längst offenbart ist, gewähren – wir sollten in unserer Wertschätzung für die Wahrheit wachsen. Aber die Wahrheit selbst ist ein für allemal den Gläubigen überliefert worden. Und dafür sollten wir kämpfen. Es geht hier nicht um die Wahrheit, wie sie in gewissem Ausmaß von unseren Vätern festgehalten wurde, oder wie sie durch Tradition weitergegeben wurde, oder wie ihr durch Glaubensbekenntnisse eine bestimmte Form gegeben wurde, oder wie sie durch falsche Belehrung verdunkelt wurde, sondern es geht um den einmal den Heiligen überlieferten Glauben in genau der Form, in der er überliefert worden ist.
Zudem ist es gut festzustellen, daß wir nicht aufgerufen sind, gegen den Irrtum zu kämpfen. Viele ernsthafte Seelen haben das getan und so Kreuzzüge gegen eklatante Irrtümer durchgeführt. Es gibt in der Tat Gelegenheiten, in denen der Kampf für die Wahrheit das Entlarven von Irrtum notwendig macht. Die große Aufgabe des Volkes Gottes ist jedoch die Wahrheit und nicht der Irrtum. Judas fordert nicht auf, ernstlich den Irrtum bloßzulegen, sondern „für den Glauben zu kämpfen“.
Wenn wir so für die Wahrheit einstehen, dann gibt es ein weiteres Wort, das von Judas benutzt wird, und wir tun gut daran, es zu betonen: In Vers 17 spricht er das „Erinnern“ an.