Behandelter Abschnitt Gal 1,1-2
Einleitung
Der Brief an die Galater trägt einen eher korrigierenden und nicht so sehr belehrenden Charakter. Er wurde nicht geschrieben, um die Versammlungen (Gemeinden, Kirchen) in den großen Wahrheiten des Evangeliums zu belehren, wie wir es in dem Brief an die Römer finden. Der Galaterbrief entfaltet auch nicht die Wahrheit der Versammlung, wie der Brief an die Epheser. Es geht auch nicht um die gegenwärtigen Erfahrungen, die ein Christ macht, von denen wir im Philipperbrief lesen. Der Brief an die Galater wurde geschrieben, um ein großes Übel zu korrigieren, das sich in die Versammlungen in Galatien eingeschlichen hatte.
Der Galaterbrief trägt einen ähnlichen korrigierenden Charakter wie die Briefe an die Korinther. Wenn in den Briefen an die Korinther Fleischlichkeit und Weltlichkeit korrigiert wird, dann wurde der Brief an die Galater geschrieben, um die eingedrungene Gesetzlichkeit zu korrigieren (1Kor 3). Auch wenn beide Briefe sich darin unterscheiden, so sind doch beide Übel in der Hinsicht sehr ähnlich, weil beide das Fleisch im Menschen anerkennen. Gesetzlichkeit (Galater) ist die Anstrengung, das Fleisch durch Regeln zu kontrollieren und durch religiöse Zeremonien zu pflegen. Gesetzlosigkeit auf der anderen Seite (Korinther) ist das Nachgeben der Begierden des Fleisches.
Gesetzlichkeit wendet sich zu den Prinzipien des Gesetzes zurück und gibt dem Fleisch sofort einen wichtigen Platz im Leben eines Gläubigen. Denn das Gesetz wendet sich an das Fleisch, und mit dem Fleisch kommt auch die Welt in Spiel. So gehen das Gesetz, das Fleisch und die Welt zusammen. Um den falschen Gebrauch des Gesetzes, die Übel des Fleisches und der Welt zu korrigieren, führt der Geist Gottes das Kreuz Christi ein. Daher lesen wir in diesem Brief, dass das Kreuz angewandt wird auf das Gesetz (Gal 2,20), auf das Fleisch (Gal 5,24) und auf die Welt (Gal 6,14).
Christus, der Geist Gottes und die Neue Schöpfung werden eingeführt Nachdem dann das Gesetz, das Fleisch und die Welt beiseite gesetzt worden sind, werden Christus, der Geist und die neue Schöpfung eingeführt. Christus wird als die Lebensregel im Gegensatz zum Gesetz vorgestellt (Gal 2,20), der Geist im Gegensatz zum Fleisch (Gal 3,3; 5,16-25), und die neue Schöpfung im Gegensatz zur Welt (Gal 6,14.15). Wir sollen nicht durch die Grundsätze der gegenwärtigen Welt regiert werden, sondern durch den Charakter der neuen Schöpfung.
Auch wenn sowohl die Briefe an die Korinther als auch der Brief an die Galater einen korrigierenden Charakter tragen, fällt uns auf, dass der Apostel in dem Brief an die Galater eine wesentlich größere Schärfe benutzt. Das ist bemerkenswert, denn wenn auch beide Übel notwendigerweise durch den Geist Gottes verurteilt werden müssen, wird der lehrmäßige Irrtum schärfer getadelt als das Böse der Praxis.
Gesetzlichkeit zerstört – Glaube baut auf
Bei uns Menschen ist es schon immer genau umgekehrt gewesen. Eine lockere Generation ist ziemlich gleichgültig in Bezug auf die Lehre der Menschen, solange ihr äußerlicher Lebenswandel gut ist. Der Grund dafür ist klar, wie jemand gesagt hat: „Die Natur kann den menschlichen Lebenswandel einschätzen; aber nur Glaube kann die Wichtigkeit der Wahrheit Gottes einschätzen.“ Weiterhin ist zu Recht bemerkt worden: „Ein laxer Lebenswandel oder weltliche Grundsätze und Gewohnheiten können dadurch korrigiert werden, dass man das Licht hineinbringt . . . Aber wenn die Wahrheit verdorben wird, wird das Licht zur Dunkelheit. Und das Werkzeug, durch das Gott gerne wirkt, ist zerstört.“
So verstehen wir die Schärfe, mit der der Apostel an die Galater schreibt. Denn wenn wir uns zurück zu dem Gesetz wenden, verlieren wir allmählich alles, was lebensnotwendig ist. Das Gesetz erkennt den Menschen im Fleisch an und räumt ihm einen gebührenden Platz in dieser Welt ein. Das Gesetz macht den Segen des Menschen daher davon abhängig, inwieweit der Mensch seiner Verantwortung gerecht wird und schließt damit die Gnade Gottes aus. So macht das Gesetz das Werk Christi sogar nutzlos (Gal 5,4) und setzt das Werk des Geistes in uns beiseite (Gal 3,2). Das Gesetz verändert das Christentum in eine Religion äußerer Formen und Zeremonien.
Das wahre Evangelium und wahre Apostelschaft
Einführung
Wenn wir den Brief an die Galater lesen, wird ganz klar, dass in einer ganz ernsten Weise falsche Lehren in den Versammlungen in Galatien aufgekommen waren. Es wurde gelehrt, dass die, welche glauben, beschnitten werden müssen und alle Vorschriften des Gesetzes Moses halten müssen. Sonst könnten sie nicht gerettet werden. Diese Lehrer verneinten nicht direkt die Wahrheit über die Person Christi, auch nicht die Tatsachen seines Todes und seiner Auferstehung. Sie leugneten auch nicht die Notwendigkeit des Glaubens an Christus. Aber sie bestanden darauf, dass der Glaube an Christus und sein Werk für die Errettung nicht ausreichten.
Diese falsche Lehre bestand darauf, dass dem Werk Christi eigene Werke hinzugefügt werden müssen, um gerettet zu werden. Außerdem setzte sie die Allgenügsamkeit des Werkes Christi und die Rechtfertigung aus Glauben beiseite. Diese falsche Lehre war in die Versammlungen in Galatien durch judaisierende Lehrer eingeführt worden, die inmitten der Gläubigen einen festen Platz eingenommen hatten. Ihr Angriff galt der Wahrheit. Dabei gingen sie geschickt vor, denn sie griffen nicht die Wahrheit direkt an, sondern attakierten den Lehrer der Wahrheit.
Die falschen Lehrer versuchten die Gläubigen zu überreden, dass der Apostel Paulus nicht durch Petrus oder die anderen Apostel gesandt worden war und daher keine göttliche Autorität für seine Apostelschaft besaß. Wenn er dann ohne göttliche Autorität kam, konnten sie das Evangelium, das er predigte, nicht länger als Wahrheit anerkennen. So lenkten sie den Blick nicht auf die Wahrheit, die auf dem Spiel stand, sondern zogen sich auf persönliche Beschimpfungen des Apostels zurück (Gal 4,16.17).
Leider sind in Konflikten, die unter dem bekennenden Volk Gottes seit jenen Tagen entstanden sind, immer wieder ähnliche Methoden angewandt worden!
Die Übel in Galatien: Gesetz und apostolische Nachfolge kurz gesagt waren also die zwei großen Übel, in die die Versammlungen in Galatien gefallen waren: das Beharren auf Einhaltung des Gesetzes, um gerettet zu werden die Einführung einer apostolischen Nachfolge man könnte auch sagen, dass das Prinzip eines Klerus, also einer speziellen Geistlichkeit, eine Voraussetzung dafür war, um überhaupt Diener des Herrn sein zu können.
Um diesen beiden Missständen zu begegnen, lehnt der Apostel jede Form apostolischer Nachfolge kategorisch ab, indem er deutlich macht, dass seine Apostelschaft der unmittelbaren Berufung
Christi selbst entsprang. Außerdem besteht er auf darauf, dass es unmöglich ist, das Gesetz und das Evangelium als Mittel der Errettung miteinander zu verbinden.
In den einleitenden Versen gibt der Apostel eine kurze Zusammenfassung dieser zwei großen Themen des Briefes. In den ersten beiden Versen fasst er die Wahrheit seiner Apostelschaft, in den Versen 3–5 die Wahrheit seiner Belehrung zusammen.
Die Apostelschaft von Paulus
„Paulus, Apostel, nicht von Menschen noch durch einen Menschen, sonderndurch Jesus Christus und Gott, den Vater, der ihn aus den Toten auferweckt hat, und alle Brüder, die bei mir sind, den Versammlungen von Galatien“ (1,1.2).
Sofort besteht der Apostel darauf, dass seine Apostelschaft den Ursprung nicht „von [oder in] Menschen“ hatte und dass sie auch nicht „durch einen Menschen“, also durch die Mittlerschaft von Menschen zu ihm gekommen war. Bei der Apostelschaft von Paulus ist ganz offensichtlich, dass er kein Nachfolger anderer Apostel war und dass es keine Ordination (Einsetzung) durch andere Menschen gab.
Der Hinweis, dass die Apostelschaft von Paulus „nicht von Menschen“ war, steht mit dem ganzen Grundsatz des Klerus in Gegensatz. Solche, die in einem klerikalen System angestellt sind, mögen freimütig darauf hinweisen, dass ihre Autorität nicht von Menschen sei. Aber sie würden und könnten nicht sagen, dass die Autorität auch nicht durch einen Menschen zu ihnen gekommen sei. Paulus erhielt seine Autorität und Leitung nicht von Petrus oder den Zwölfen, sondern allein von dem auferstandenen Christus.