Behandelter Abschnitt Röm 9,1-5
Gottes Handeln in der Heilsgeschichte: Kapitel 9
Einleitung
Im ersten Teil des Römerbriefes ist die gesamte Menschheit, Juden und Heiden, durch Gottes Wort überführt und auf eine Stufe gestellt worden. Alle stehen als Sünder unter Gottes Gericht. Zudem fehlt allen die Kraft, sich selbst vor diesem Gericht zu retten. Danach hat der Apostel dargelegt, wie Gott durch den Tod und die Auferstehung Christi in Gerechtigkeit zum Segen der Menschheit gewirkt hat. Dieser Segen, der uns so geschenkt worden ist, wird in Kapitel 8 umfassend zusammengefasst.
Nun tut sich aber für den jüdischen Leser eine Schwierigkeit auf. Die souveräne Gnade, die alle unter Gericht zusammenfasst und zugleich für alle Segen bereitstellt, scheint die besonderen Verheißungen, die dem Volk Israel gegeben worden waren, außer Kraft zu setzen. Aus den Kapiteln 15, 17 und 18 des 1. Buches Mose geht klar hervor, dass Gott mit und für Israel Segensabsichten hatte. Diese Ratschlüsse des Segens für Israel und die Welt wurden in den bedingungslosen Verheißungen an Abraham offenbart.
Daher kommt nun die Frage auf: Wie ist es möglich, die souveräne Gnade Gottes, die allen gilt, in Einklang zu bringen mit den besonderen Verheißungen für Israel, die den Vätern gegeben wurden? Dieses Problem wird im dritten Teil des Briefes behandelt – in den Kapiteln 9–11. Diese Kapitel beschreiben Gottes Wege mit Israel und der Welt während aufeinanderfolgender Epochen (oder Haushaltungen) in der Weltgeschichte. Sie belegen die vollkommene Harmonie zwischen Gottes souveräner Gnade und seinen besonderen Verheißungen für Israel.
Kapitel 9 beweist, dass die souveräne Gnade Gottes die alleinige Grundlage jeglicher Segnung ist, sowohl für Israel als auch für die Heiden.
Kapitel 10 zeigt, dass der Fall Israels einen Weg öffnet für die souveräne Gnade, zum Segen für die Heiden.
Kapitel 11 kündigt an, dass die Verwerfung der Gnade Gottes durch die Heiden den Weg bereiten wird für die Wiederherstellung Israels.
Gnade – die einzige Grundlage des Segens für alle (Kapitel 9)
Die Juden widersprachen den Lehren der Gnade, die der Apostel lehrte. Darüber hinaus widerstanden sie auch dem Apostel selbst. Sie sagten, der Apostel belehre alle überall gegen das Volk und das Gesetz und den Tempel (Apg 21,28).
In Kapitel 9 beantwortet der Apostel diese Einwände.
Als erstes geht er in den Versen 1–5 auf den Punkt ein, der sich gegen ihn persönlich richtete.
Im weiteren Verlauf des Kapitels begegnet er dann dem Vorwurf, dass Gottes Gnade für alle die besonderen Verheißungen für Israel aufheben würde. Er beweist auf eindeutige Weise, dass jede Verheißung erfüllt werden wird. Aber diese Erfüllung findet allein auf der Grundlage der Gnade statt.
Das Herz von Paulus und die Vorrechte Israels (9,1–5)
„Ich sage die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht, indem mein Gewissen mit mir Zeugnis gibt in dem Heiligen Geist, dass ich große Traurigkeit habe und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen. Denn ich selbst, ich habe gewünscht, durch einen Fluch von dem Christus entfernt zu sein für meine Brüder, meine Verwandten nach dem Fleisch, die Israeliten sind, deren die Sohnschaft ist und die Herrlichkeit und die Bündnisse und die Gesetzgebung und der Dienst und die Verheißungen, deren die Väter sind und aus denen, dem Fleisch nach, der Christus ist, der über allem ist, Gott gepriesen in Ewigkeit. Amen“ (9,1–5).
Was ihn selbst betraf, war Paulus weit davon entfernt, feindselige Gefühle gegen seine Verwandten nach dem Fleisch zu hegen. Vielmehr hatte er ihretwegen große Traurigkeit und unaufhörlichen Schmerz. Ihm war sogar der Wunsch gekommen, selbst von Christus entfernt zu sein, wenn es dadurch möglich geworden wäre, Israel Segen zu bringen.
Außerdem hätte er niemals abfällig denken können über ein Volk, dem die Sohnschaft und die Herrlichkeit gehörten, die Bündnisse, die Gesetzgebung, der Dienst, die Verheißungen, und vor allen Dingen, aus welchem dem Fleisch nach der Christus ist.
Nicht Paulus dachte negativ über Israels Vorrechte, sondern seine Gegner. Denn sie hatten den Messias verworfen! So, wie er es uns am Ende des Kapitels sagt: „Sie haben sich gestoßen an dem Stein des Anstoßes“. Sie und nicht er hatten Christus, den sie nur für einen Zimmermann hielten, verworfen. Paulus dagegen bestätigt Christi Herrlichkeit und bezeichnet Ihn als Gott, der über allen ist, gepriesen in Ewigkeit.