Behandelter Abschnitt Röm 6,1-2
Befreiung von der Sünde: Kapitel 6
Der Apostel hat gezeigt, dass Christus das Haupt einer neuen Rasse ist. Durch die eine Handlung des Gehorsams Jesu rechtfertigt die Gnade Gottes Menschen, die zu seiner Familie gehören, und schenkt ihnen Leben. So herrscht die Gnade durch die Gerechtigkeit in einem Leben, das siegreich über die Sünde ist. Um diese Art von Leben führen zu können ist es notwendig, von der Herrschaft der Sünde befreit zu sein. Genau das ist das große Thema von Römer 6: die praktische Befreiung des Gläubigen von der Macht der Sünde. Sie wird für den Erlösten Wirklichkeit, wenn er praktisch „der Sünde tot“ ist (vgl. Röm 6,11).
Dieses Thema wird durch die Frage eingeführt: Soll der Gläubige auf seinem Lebensweg durch diese Welt weiter unter der Macht der Sünde leben? Der Apostel beantwortet diese Frage mit einem entschiedenen: „Nein!“ Er fügt weiter hinzu: „Sünde wird nicht über euch herrschen“ (Vers 14). Darüber hinaus beantwort er nicht nur diese Frage, sondern zeigt auch, wie der Gläubige von der Herrschaft der Sünde befreit wird.
Bevor wir uns den Einzelheiten dieses Kapitels zuwenden, ist es gut, darüber nachzudenken, was Sünde eigentlich ist. Und: Was bedeutet es eigentlich, mit dem Sündigen weiterzumachen bzw. weiter unter der Macht der Sünde zu stehen? Sünde wird im Wort Gottes als „Gesetzlosigkeit“ definiert (vgl. 1Joh 3,4). Gesetzlosigkeit ist das böse Prinzip, den eigenen Willen unabhängig von Gott zu tun. Das heißt nichts anderes, als sich Gott nicht unterzuordnen. Durch einen Menschen, Adam, ist dieses böse Prinzip in die Welt gekommen. Dadurch ist ein System entstanden, das in der Bibel „Welt“ genannt wird. Dieses wird vollständig von Sünde bzw. dem Willen des Menschen dominiert.
Was dabei herauskommt, wenn der Mensch seinen eigenen Willen tut, haben wir in Römer 3,9-19 gefunden. Dadurch ist diese Welt von Elend und Leiden erfüllt worden. Zudem wurde der Mensch unter das Urteil des Todes und unter Gericht gebracht. Das, was für die Welt insgesamt wahr geworden ist, gilt in gleichem Maß für jeden einzelnen Menschen. Das Elend jedes einzelnen Lebens kommt daher, dass der Mensch seinen eigenen Willen in Unabhängigkeit vom Willen Gottes tut.
Von Adam weg, auf Christus schauen
Wenn wir von Adam wegsehen und zu Christus hinschauen, sehen wir einen gesegneten und vollkommenen Menschen, der in dieser Welt vollkommen frei von der Herrschaft der Sünde war. Er kam in eine Welt, die von der Sünde und dem Eigenwillen beherrscht wurde. Christus dagegen wurde von einem vollkommen gegenteiligen Prinzip regiert: dem Grundsatz des Gehorsams und der Unterordnung unter den Willen Gottes. Als Er in diese Welt kam, hatte Er den Willen Gottes vor seinem Herzen, denn Er konnte sagen: „Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 5,30). „ich tue allezeit das ihm Wohlgefällige“ (Joh 8,29). Als Er am Ende seines Lebens aus dieser Welt hinausging, konnte Er ebenfalls sagen: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!“ (Lk 22,42). So sehen wir in Christus den Einen, der von Anfang seines Weges auf der Erde an bis zum Ende sein ganzes Leben für Gott lebte.
Wenn wir das Leben anschauen, das Christus offenbarte – das Leben, das für Gott gelebt wurde können wir es in all seiner Schönheit und Vollkommenheit erkennen. Dieses Leben ist für den Gläubigen sehr anziehend. Die äußeren Wirkungen dieses Lebens werden uns in den Evangelien gezeigt, in denen wir den Herrn im Kontakt mit der Welt sehen, abgelehnt durch das Fleisch und den Teufel. Den inneren Segen dieses Lebens für Gott finden wir in Psalm 16, der den Weg des Lebens beschreibt. Dort sehen wir ein Leben, das ganz für Gott geführt wird – es spricht prophetisch von Christus. Wir lernen, dass es sich um ein Leben in Abhängigkeit von Gott und unter der Macht Gottes handelt, im Vertrauen auf die Liebe Gottes und in der Unterordnung unter den Willen Gottes (Verse 1.2). Es ist ein Leben in Demut, das sich an den Herrlichen der Erde erfreut (Vers 3). Dieses Leben wird in Absonderung vom Bösen (Vers 4) und in wahrer Befriedigung (Verse 5.6) geführt. Es kennt die Führung des Herrn (Vers 7), seine Hilfe (Vers 8) und wahre Freude (Verse 9–11). In diesem Leben muss kein einziger Schritt zurückgenommen werden. Es gibt keine Handlung, die bereut werden müsste. Da ist kein Gedanke, der gerichtet werden muss, auch kein Wort, das widerrufen werden müsste.
Wenn ein Erlöster so von der Schönheit und dem Segen dieses Lebens angezogen wird, wie es in Christus offenbar wurde, stellt sich die Frage: Wie kann der Gläubige von der Herrschaft der Sünde befreit werden, um sein Leben für Gott mit diesem neuen Leben zu führen, wie Christus es offenbarte? Die Antwort ist, kurz gesagt: Der Gläubige kann von der Macht der Sünde nur durch den Tod befreit werden, der dem Menschen unter Sünde gilt. Man kann nur dann ein Gott geweihtes neues Leben führen, wenn man sich allein auf die Hilfe Christi stützt, des lebenden und auferstandenen Menschen, welcher der Sünde gestorben ist und nun als Auferstandener Gott lebt. Am Anfang von Römer 7 wird das Bild der Ehe eingeführt, um diese Hilfe durch Christus deutlich zu machen.
Der Sünde gestorben (6,1.2)
„Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme? Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben?“ (6,1.2).
Das Thema, der Sünde gestorben zu sein, wird durch die Aussage des Apostels Paulus am Ende von Römer 5 aufgeworfen. „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ (Vers 20). Dieser Gedanke führt einen fleischlichen Menschen sofort dazu, die törichte, wenn nicht böse, Frage zu stellen: „Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?“ Der Apostel weist diesen unheiligen Vorschlag vollständig zurück. Er erlaubt dem Gläubigen nicht, in der Sünde zu verharren, wenn er in Übereinstimmung mit seiner Stellung leben möchte, in die Gott den Christen gesetzt hat.
Der Apostel wird im Verlauf dieses Kapitels zeigen, wie der Gläubige der Sünde tot sein kann. Zu Beginn geht er zunächst einmal davon aus, dass die einzig mögliche Haltung des Gläubigen im Blick auf die Sünde sein kann, dass er „der Sünde gestorben ist“. Da das so ist, fragt er: „Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben?“ Seine Frage bedeutet nicht, dass wir nicht in der Sünde leben sollten, sondern dass wir, die wir der Sünde gestorben sind, nicht in ihr leben können.
Der Grundsatz, der dieser Behauptung zugrunde liegt, ist klar und selbsterklärend. Wir können einer Sache nicht sterben und zugleich in ihr leben.