Einleitung
Joh 13,1: Vor dem Fest des Passah aber, als Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte, da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.
Der Eröffnungsvers von Kapitel 13 leitet die letzten Reden unseres Herrn ein. Er führt uns den Anlass vor Augen, der diese Abschiedsworte hervorrief, die Nöte der Seinen, die sie erforderlich machten, und das Motiv, das den Herrn dazu brachte, diese Worte zu äußern.
Der Anlass war der, dass schließlich „seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt zu dem Vater hingehen sollte“. Im Lauf des Erdenlebens unsers Herrn haben wir von anderen „Stunden“ gehört.
In Kana in Galiläa konnte Er zu seiner Mutter sagen: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ – die Stunde seiner Offenbarung in Herrlichkeit vor der Welt.
In Johannes 5 lesen wir, „dass die Stunde kommt und jetzt ist, da die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden, und die sie gehört haben, werden leben“ – die Stunde seiner Gnade für Sünder.
In Gegenwart der Feindschaft des Menschen lesen wir zweimal: „Niemand legte die Hand an ihn, weil seine Stunde noch nicht gekommen war“ – die Stunde seines Leidens.
Diese Stunde – die Stunde, die die Abschiedsworte einleitet – hat einen anderen Charakter.
Es ist weder die Stunde seiner Gnade für Sünder noch die Stunde seines Leidens für die Sünder. Auch ist es nicht die Stunde seiner Offenbarung in Herrlichkeit vor der Welt. Es ist vielmehr die Stunde seiner Rückkehr in seine Herrlichkeit bei dem Vater, in die Liebe und Heiligkeit des Vaterhauses. Die Jünger allerdings würden in einer schmutzigen Welt zurückbleiben, einer Welt, die den Vater hasste und Christus ablehnte. Wenn sie dann vor dem Bösen in der Welt, durch die sie zu gehen haben, bewahrt werden sollten und doch die Gemeinschaft mit Christus im Haus des Vaters voll Liebe und Heiligkeit genießen sollten, werden sie diesen letzten Dienst der Gnade mit seinem Trost, seiner Belehrung und seinen Warnungen brauchen.
Darüber hinaus erfahren wir den Beweggrund, der den Herrn zu diesem letzten Dienst der Gnade brachte, als Er diese Abschiedsworte äußerte und das abschließende Gebet zu Gott aufsteigen ließ. Wenn der Anlass dazu sein Hingehen zum Vater war, dann war das Motiv seine Liebe zu den Seinen. Er verlässt diese Welt, aber jene, die der Herr mit Freuden „die
Seinen“ nennt, bleiben in dieser Welt zurück. Sie sind eine Gesellschaft von Gläubigen auf der Erde, die zu Christus im Himmel gehören. Sie sind „die Seinen“ als die Frucht seines eigenen Werkes; sie sind die Seinen als die Gabe des Vaters. Sie mögen von geringer Bedeutung sein in den Augen der Welt, doch sie sind sehr kostbar in den Augen des Herrn: „Da er die Seinen … geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.“ Er mag sie verlassen, aber Er wird nicht aufhören, sie zu lieben. Menschenliebe hört oft auf. Wir verlassen einander, wir vergessen einander, wir verlieren das Interesse aneinander. Der Prophet spricht davon, dass eine Frau sogar ihr Kind vergessen mag; doch der Herr sagt: „Ich werde deiner nicht vergessen“ (Jes 49,15). Wenn der Herr auch die Welt verlässt, wird Er doch die Seinen nicht vergessen, noch wird Er aufhören, sie zu lieben. Leider können unsere Herzen Ihm gegenüber erkalten, unsere Hände im Gutestun müde werden, unsere Füße abirren. Eins ist jedoch sicher: dass Er uns niemals vernachlässigen wird. Seine Liebe wird uns „bis zum Ende“ tragen und umsorgen; und am Ende nimmt uns die Liebe in ihre ewige Heimat auf, wo es keine kalten Herzen, keine schlaffen Hände und keine abirrenden Füße mehr gibt.
Wenn wir uns so mit den abschließenden Szenen des Erdenweges unseres Herrn mit seinen Jüngern beschäftigen, sein letztes Handeln anschauen, auf seine letzten Worte lauschen und sein letztes Gebet hören, werden wir an die Gelegenheit erinnert, die diesen abschließenden Dienst veranlasste, an die Notwendigkeit, die ihn erforderte, und an die Liebe, mit der er getan wurde.
Ehe wir auf die Einzelheiten dieser letzten Unterhaltungen eingehen, mögen ein paar hinweisende Gedanken zum allgemeinen Charakter dieser Wahrheiten und zu der Reihenfolge, in der sie entfaltet werden, hilfreich sein:
Man wird bemerken, dass die Jünger in Johannes 13 in die richtige Beziehung zueinander gebracht werden. Sie sollen einander die Füße waschen und einander lieben.
In Johannes 14 finden wir ihre richtige Beziehung zu den göttlichen Personen – dem Sohn, dem Vater und dem Heiligen Geist.
In Johannes 15 werden sie in die richtige Beziehung zu dem Kreis der Christen gesetzt, damit sie Frucht bringen für den Vater und Zeugnis ablegen für Christus in der Welt, in der Er nicht mehr anwesend ist.
In Johannes 16 werden sie über Dinge unterrichtet, die ihnen bevorstehen, im Blick auf ihren Weg durch eine feindselige Welt, von der sie gehasst, missverstanden und verfolgt werden.
So sehen wir, dass in Johannes 13 die Füße der Jünger gewaschen werden, in Johannes 14 ihre Herzen getröstet werden, in Johannes 15 ihnen die Lippen zum Zeugnis geöffnet werden
und in Johannes 16 ihr Verstand belehrt wird, damit sie sich nicht von irgendwelchen Verfolgungen, die ihnen begegnen mögen, entmutigen lassen.
Ferner kann man feststellen, dass die Belehrungen einen fortschreitenden Charakter tragen. Die Wahrheit des einen Kapitels ist die Vorbereitung für die neue Offenbarung in dem folgenden Kapitel. Der Dienst von Johannes 13 bereitet die Jünger auf die Gemeinschaft mit göttlichen Personen vor, wie sie in Johannes 14 vorgestellt wird. Die Gemeinschaft mit göttlichen Personen in ihrer eigenen, der inneren Sphäre, bereitet die Jünger darauf vor, Frucht zu bringen und Zeugen zu sein in der Welt – der äußeren Sphäre, wie es in Johannes 15 gezeigt wird. Darüber hinaus führen Frucht und Zeugnis von Johannes 15 zur Verfolgung, auf die der Herr die Jünger mit der Wahrheit von Johannes 16 vorbereitet. Doch es genügt nicht, dass diese großen Wahrheiten den Jüngern entfaltet werden, um sie in dieser Welt als Repräsentanten Christi zu bewahren; dazu ist auch sein Gebet nötig. So werden die Worte an die Jünger mit dem Gebet des Herrn zum Vater abgeschlossen, das in Kapitel 17 wiedergegeben wird.