Behandelter Abschnitt Gal 4,6-7
„Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater! Also bist du nicht mehr Knecht, sondern Sohn; wenn aber Sohn, so auch Erbe durch Gott“ ( Gal 4,6-7).
Der Apostel stellt hier die Stellung eines Gläubigen aus den Nationen, der in der völligen Freiheit des Evangeliums steht, der eines früheren Heiligen unter dem Gesetz gegenüber. Er macht also dem heidnischen Gläubigen die Torheit dessen deutlich, sich selbst wieder in den Zustand zu bringen, aus dem der alttestamentlich Gläubige das Werk Christi am Kreuz brauchte, um errettet zu werden und die Stellung und den Geist der Sohnschaft einzunehmen. Sie waren Söhne, nicht Knechte – Erben, die ihre Volljährigkeit erreicht und mit aller Zuversicht Freiheit zum Zutritt zum Vater hatten. Würden sie wieder zurück zur Stellung eines Kindes gehen, und wieder wie ein Kind denken und handeln?
Das Argument ist sehr überzeugend; es besteht ein gewollter Gegensatz zwischen den Ausdrücken „damit wir die Sohnschaft empfangen“ und „weil ihr aber Söhne seid“. Der Geist der Sohnschaft war nicht das Teil alttestamentlich Gläubiger – es ist die glückselige Frucht der erwirkten Erlösung, für die selbst die Jünger des Herrn Jesus bis nach seiner Himmelfahrt warten mussten (siehe Apg 1,4-8). Der Heide war nie unter dem Gesetz gewesen, sondern war „versiegelt worden . . . mit dem Heiligen Geist der Verheißung“, nachdem er dem Zeugnis geglaubt hatte zur Vergebung der Sünden durch den Namen Jesu (vgl. Apg 10,43.44; 11,15-17 mit Eph 1,13).
Der Geist der Sohnschaft mag von den heidnischen Christen wegen ihres Standes als Galater nicht richtig realisiert worden sein, doch wo immer er realisiert wird, bringt es den Gläubigen zu der Aussage: „Die Mess-Schnüre sind mir gefallen in lieblichen Örtern; ja, ein schönes Erbteil ist mit geworden“ (Ps 16,6). Und dies ist das Erbteil dessen, der den Vater kennt und den Geist der Sohnschaft hat.
Kleine Sorgen, kleine Probleme, kleine Verlegenheiten bilden die Summe und den Inhalt unserer kleinen Leben. Um diesen zu begegnen, benötigen wir den Geist der Sohnschaft, denn wir brauchen die Fürsorge und das Herz eines Elternteils, und es „genügt uns“, wenn uns „der Vater“ gezeigt wird (vgl. Joh 14,8). Uns geht viel heilige Freude verloren, weil wir den Vater so wenig kennen. Wie würde der Gedanke, dass mein himmlischer Vater weiß, was ich brauche, uns von der Belastung vieler Dinge befreien. Selten finden wir Christen als Kinder zu ihrem Vater gehen und Ihm die kleinen Dinge sagen, die sie bemühen und bekümmern, in der Gewissheit, das Herz eines Vaters zu finden, auf den sie all ihre Sorgen werfen dürfen. Wir mögen gewissenhaft und vielbeschäftigt mit öffentlichen Handlungen der Anbetung sein; doch das stille Kämmerlein ist der Ort, an dem wir besonderen Kontakt zum Vater haben und Ihm im Stillen unsere persönlichen Bedürfnisses sagen.
Gesetzlichkeit verdunkelt unseren Sinn für unsere Beziehung zu Gott als dem Vater. Es bringt uns dazu, an gesetzliche Sohnschaft zu denken anstatt an eine wirkliche Beziehung. Bei der gesetzlichen Sohnschaft gehen Bedürfnisse mit dem Geist der Knechtschaft einher. So war es bei Israel unter dem Gesetz, es war eine gesetzliche Sohnschaft, wenn sie auch weggetan wurde (Joh 8,25.36). Doch wenn der Sohn frei macht, dann sind wir wirklich frei. Es ist gut, in der vertrauten Nähe zu ruhen, in die uns die Gnade durch Jesus bringt. Wir haben durch Jesus durch einen Geist Zugang zu dem Vater (Eph 2,18).
Gesetzlichkeit versperrt im Endeffekt diesen Zugang. Wir brauchen uns daher über die Stärke der Sprache des Apostels nicht zu wundern, wenn er sah, wie Gottes eigene Kinder sich selbst herabwürdigten. Genau das taten die Galater, indem sie sich wieder dem Gesetz unterwarfen.