Behandelter Abschnitt Gal 3,27-29
„Denn so viele ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr denn Abrahams Nachkommen und nach Verheißung Erben“ ( Gal 3,27-29).
Wie wichtig ist die Lehre von der Taufe, doch wie wenig wird sie verstanden oder umgesetzt. Der an Christus Glaubende wird von Gott als mit Christus gestorben betrachtet, als mit Ihm begraben, mit Ihm auferweckt, und als einer, der Christus angezogen hat. Wenn wir Christus angezogen haben, brauchen wir weder Werke noch unseren Dienst, um uns Gott nahezubringen.
Der Gläubige erscheint vor Gott mit dem, was er angezogen hat – eben Christus. Das ist die Lehre der Taufe. All die Unterschiede, die es in der menschlichen Familie gibt, verschmelzen in dem einen großen Charakter der Familie des Glaubens. Sie haben Christus angezogen und sind daher alle eins in Christus. In dieser wunderbaren Unterscheidung verlieren sich nationale (Jude und Grieche), soziale (gebunden und frei) und geschlechtliche (Mann und Frau) Unterschiede in der alles überschattenden Unterscheidung: „. . . einer in Christus Jesus.“ Wie unglaublich tröstlich ist diese Lehre.
Der schwache Gläubige erscheint vor Gott als der Starke; der, der zitternd den Saum seines Gewandes berührt, hat die gleiche Stellung vor Gott wie der Apostel Paulus – „einer in Christus“. Sie haben alle gleichermaßen „Christus angezogen“, die große und maßgebliche Unterscheidung vor Gott.
Dennoch gibt es eine Schwierigkeit: Die Verheißungen galten Abraham und seinem Samen. Wie also soll ein Sünder aus den Nationen mit Abraham in Verbindung kommen, um sich für diese Verheißungen zu interessieren? Hier mochte der Verfechter des Judentums eine Grundlage zu finden meinen, die er nutzen konnte, um die Jünger zu belehren: „Wenn ihr nicht beschnitten worden seid nach der Weise Moses‘, so könnt ihr nicht errettet werden“ (Apg 15,1).
Grundsätzlich scheint es nicht unvernünftig, sich auf jeden Erbanspruch zu stützen, auf den wir uns berufen können. Hierauf beharrten auch die Juden in ihrer Auseinandersetzung mit dem Herrn (Joh 8). Der Herr gesteht ihnen zu, dass der Same Abrahams ihr Erbanspruch ist; doch ihnen fehlte der Glaube, und deswegen waren sie nicht die Kinder Abrahams als des Vaters der Glaubenden.
Ein Erbanspruch, egal wie berechtigt, muss beiseite gesetzt werden, weil er aus dem Fleisch kommt. Der Herr drang an die Wurzel ihres Selbstvertrauens, indem Er ihnen zeigte, in welcher Beziehung sie zu Gott standen. Sie waren kurz davor, Ihn zu töten, weil Er die Wahrheit zu ihnen gesprochen hatte, die Er von Gott gehört hatte – dies tat Abraham nicht. Der Herr gestand ihnen zu, natürliche Kinder des Reiches zu sein, jedoch nur, um hinausgeworfen zu werden (Mt 8,12). Petrus wendet sich an sie als „Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott unseren Vätern verordnet hat, indem er zu Abraham sprach“ (Apg 3,25).
Paulus gestand den Juden einen gewissen Erbanspruch zu. „Zu euch musste notwendig das Wort Gottes zuerst geredet werden; weil ihr es aber von euch stoßt und euch selbst nicht würdig achtet des ewigen Lebens, siehe, so wenden wir uns zu den Nationen“ (Apg 13,46). Die Juden ruhten sich auf ihren geerbten Privilegien aus, „viel, in jeder Hinsicht“ (Röm 3,2) verachteten und verwarfen sie Ihn, der Abrahams Same und die Summe und der Inhalt aller Verheißungen war. „Es werde ihre Schlinge vor ihnen ihr Tisch“ (Ps 69,22) – ein ernstes Wort der Warnung auch an uns.
Der Heide, der keinen Erbanspruch an Gott hatte, wurde durch den Glauben an Christus (Abrahams Same) durch Christus mit Abraham selbst verbunden. Er hatte den Glaubens Abrahams, der den Tag Christi sah und frohlockte. Der Heide wurde also nicht durch Proselytentum oder durch das Gesetz mit Abraham verbunden, sondern durch Christus. Der Heide wurde Abrahams Same, nicht durch Gesetz, sondern durch Verheißung. „Wenn ihr aber Christi seid, so seid ihr denn Abrahams Same und nach der Verheißung Erben.“