Behandelter Abschnitt Gal 3,23-26
„Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der offenbart werden sollte. Also ist das Gesetz unser Erzieher gewesen auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. Da aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter einem Erzieher; denn ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus“ ( Gal 3,23-26).
Wenn alle hoffnungslos unter die Sünde eingeschlossen sind, nimmt genau dieses Gesetz, in dem Menschen nach Befreiung suchen, sie durch die Kraft der Sünde gefangen, um dem Menschen bewusst zu machen, wie gänzlich er unter der Herrschaft der Sünde stand. Sie sind alle „eingeschlossen“ unter die Sünde, und unter das Gesetz. Dieser Vers zeigt uns auf bemerkenswerte Weise den notwendigen Zustand eines Menschen, der durch den Heiligen Geist erquickt worden ist, in seinem Gewissen jedoch noch unter dem Gesetz steht.
Sein Geist ist und muss der Geist der Gefangenschaft sein. Er ist ein „Gefangener der Hoffnung“ (vgl. Sach 9,12), der Freiheit ersehnt und doch nicht weiß, wie er sie erlangen soll. „Bevor aber der Glaube kam“ meint offensichtlich den neuen und wunderbaren Weg der Rechtfertigung durch Glauben anstelle von Werken, der jetzt so klar und vollständig offenbart worden ist. Das Gesetz hielt sogar die Heiligen, die darunter waren, gefangen. Man sehe sich Hiskia an. Er war gefangen von der Angst zu sterben, eingeschlossen im Gefängnis bis zu dem Glauben, der später offenbart werden sollte.
Auf alttestamentlich Heilige, die im Zustand Hiskias waren, bezieht der Herr dies Aussage an seine Jünger: „Glückselig aber eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören; denn wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr anschaut, und haben es nicht gesehen; und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“ (Mt 13,16.17).
Nachdem der Apostel das Gesetz als etwas betrachtet hat, das die, die darunter Stehenden gefangen nimmt, wechselt er in Vers 24 das Bild und stellt das Gesetz als einen Erzieher vor – oder besser als einen vertrauten Hausdiener, der die Kinder zur und von der Schule zurück führte, und über sie und ihre Beschäftigungen wachte. Dies geschah, bis sie aus dem Schulalter herausgewachsen und selbst in der Lage waren, den Platz eines Mannes einzunehmen. Diese Funktion hatte das Gesetz bis zu Christus. Es überwachte die wahren Heiligen genauestens, sodass sie nicht mehr Freiheit hatten als die Kinder unter der aufmerksamen und strengen Hand eines Erziehers.
Die Heiligen, die der Haushaltung nach unter dem Gesetz standen, kannten Freiheit genau in dem Maß, in dem sie sich über das Gesetz erhoben und auf den Glauben oder den Gegenstand des Glaubens schauten, der offenbart werden sollte. Solche gab es sogar in den schlimmsten Zeiten: „Da unterredeten sich miteinander . . . die den Herrn fürchten und die seinen Namen achten“ (Mal 3,16). Auch gab es solche, einen gläubigen Überrest, als „die Fülle der Zeit gekommen war“ und „Gott seinen Sohn“ sandte (4,4). Simeon und Anna warteten auf die Tröstung Israels und hielten Ausschau nach der Rettung in Jerusalem.
Die eigenen Jünger des Herrn standen nie bewusst ein der Freiheit, bis sie vom Gesetz völlig befreit waren. Wie unterschiedlich war der Zustand derselben Apostel vor und nach Pfingsten. Als der Heilige Geist aus dem Himmel als das Zeugnis des verherrlichten Jesus herabkam, dann waren sie frei. Sie handelten als solche, die nicht Knechte, sondern Söhne waren. Sie waren durch den Glauben an das vollbrachte Werk des Herrn Jesus gerechtfertigt, und standen nicht länger unter der rigiden oder sogar verdächtigenden Obacht des Erziehers. Sie waren erwachsen geworden, zum Maß des vollen Wuchses, sie hatten ihre Mündigkeit erreicht, und konnten in den Genuss ihres reichen Erbes eintreten.
In Vers 26 wird von „Söhnen“ und nicht von „Kindern“ gesprochen – solche, die in Besitz genommen haben und nicht bloß den Anspruch auf alle ihre Privilegien erhalten haben. Nun, nachdem sie zu diesem Zustand gekommen sind, wäre eine Rückkehr zum Gesetz eine Abkehr von der Freiheit der Sohnschaft. Die, die durch Jesus Zugang zum Vater haben, würden zu der harten und zürnenden Hand eines Erziehers zurückgehen. Wie klar veranschaulicht das den Zustand vieler wahrer Christen.
Sie befinden sich in ihrem Gewissen noch unter dem Gesetz und stehen und handeln nicht in der Freiheit von Söhnen Gottes. Sie machen die Errettung zu einer zukünftigen Sache, anstatt sie als eine gegenwärtige Realität zu genießen. Und während dies der Fall ist, wird es immer die Neigung geben, Gott und dem Mammon zu dienen, anstatt in dem glücklichen Bewusstsein eines erwachsenen Volkes zu leben.