Zukünftige Ereignisse: Der Antichrist und der König des Nordens
„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen“ (11,36).
Wir gehen nun zu einem neuen Abschnitt in diesem Kapitel über, denn zwischen den Versen 35 und 36 ist ein Einschnitt. Bis Vers 35 finden wir in prophetischer Form eine Beschreibung, die, obwohl sie zu Daniels Zeiten noch zukünftig war, sich mittlerweile längst erfüllt hat. Ab Vers 36 werden ausschließlich zukünftige Dinge beschrieben. Man kann direkt sagen, dass der Beweis hierfür in zwei Sätzen liegt.
In Vers 36 lesen wir, dass der König Gelingen haben wird bis zur Vollendung der Verfluchung. In Vers 40 wird mitgeteilt, dass das dort beschriebene Ereignis „zur Zeit des Endes“ stattfindet. Es wurde bezüglich des ersteren Ausdrucks bereits bemerkt, dass er in Jesaja für Gottes letzte Empörung durch die Assyrer gegen sein Volk im Land vor dem Erscheinen Christi benutzt wird. Wenn der Leser aufmerksam Jesaja 10,20-25 und Jesaja 28,16-22 berücksichtigt, wird er vom Zutreffen dieser Deutung überzeugt werden. Man könnte denken, dass der letztere Ausdruck, „die Zeit des Endes“, allgemeiner gemeint ist, weil er ebenso in Vers 35 zu finden ist, doch es muss die typische Bedeutung dessen beachtet werden, worauf er sich bezieht. Der hier beschriebene König bezieht sich auf den „Mann der Sünde“, den neutestamentlichen Antichristen. Wenn man dies berücksichtigt, besteht kein Zweifel darüber, dass zwischen den Versen 35 und 36 ein erhebliches Zeitintervall liegt. Diese Schlussfolgerung wird zudem durch mehrere Ereignisse gestützt, die im letzten Abschnitt dieses Kapitels beschrieben werden.
Die Eigenschaften und Taten dieses „Königs“ werden recht genau beschrieben. Zunächst wird gesagt: „Und der König wird nach seinem Belieben handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen gegen jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er unerhörte Reden führen.“ Die Bezeichnung als „eigenwilliger König“ entstammt diesem Vers und drückt die hier beschriebene Tatsache aus, dass sein eigener Wille seine einzige Handlungsrichtlinie ist. Er wird die Fleischwerdung und Verkörperung alles dessen sein, was Böses im Menschen ist.
Adam fiel im Garten Eden durch Ungehorsam, indem er seinen eigenen Willen anstelle von Gottes Willen tat, und indem er der durch die Versuchung Satans der Begierde nachgab, sich selbst erhöhen wollte. Diese beiden Dinge werden in diesem eigenwilligen König zur vollen Entfaltung kommen, der auf der Höhe seiner anmaßenden Torheit behaupten wird, dass er sich selbst genug und sowohl unabhängig von Gott als auch allein allmächtig sei. Er wird daher in moralischer Hinsicht das vollkommene Gegenbild zu Christus sein, der, „da Er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, und, in seiner Gestalt wie ein Menschen erfunden, sich selbst erniedrigte, indem Er gehorsam wurde bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,6-8).
Dieser Mann wird behaupten, über jeden Gott erhaben zu sein, und wird darüber hinaus unerhörte Reden gegen den Gott der Götter führen. Diese letzte Eigenschaft gleicht dem, was in Daniel 7 und Offenbarung 13 dem Herrscher des wiederauferstandenen Römischen Reiches zugeschrieben wird; doch es muss bedacht werden, dass dieser König – der König der Juden, die ihn als den Messias annehmen werden – in seinem eigenen Namen kommen wird und sich diesem Herrscher gegenüber wie der falsche Prophet verhält und die ganze Gewalt des Herrschers vor ihm ausübt (Off 13,12). Er wird es sein, der große Wunder tun wird, sodass er vor den Augen der Menschen Feuer vom Himmel auf die Erde fallen lassen wird, um seine Behauptungen zu stützen.
Die ungehinderte Entfaltung der satanischen Macht wird in dieser furchtbaren Zeit so groß sein, dass die Menschen unter dieser starken Irreführung einer Lüge glauben werden: Dass alle, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern Gefallen an der Lüge hatten, verdammt (gerichtet) werden würden.
Wenn wir uns nun für einen Moment 2. Thessalonicher 2 ansehen, erkennen wir, dass die Ankunft dieses „Menschen der Gesetzlosigkeit“ und „Sohnes des Verderbens“ nicht sein wird, ehe die Versammlung beim Kommen des Herrn von der Erde weggenommen wird. Es heißt eindeutig: „Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur offenbart es sich nicht, bis der, welcher jetzt zurückhält [nach unserem Verständnis des Abschnitts der Heilige Geist in der Versammlung], aus dem Weg ist; und dann wird der Gesetzlose offenbart werden“ (1Thes 2,6.7).
Die früher in diesem Kapitel (Vers 4) gegebene Beschreibung des „Menschen der Gesetzlosigkeit“ deckt sich in sehr auffälliger Weise mit der Beschreibung in Vers 36. Es heißt: „Der sich widersetzt und sich überhebt über alles, was Gott heißt oder Gegenstand der Verehrung ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich ausweist, dass er Gott sei“ (2Thes 2,4). Es ist unmöglich, diese beiden Stellen zu lesen, ohne zu dem Schluss zu kommen, dass sie sich auf ein und dieselbe Person beziehen, und dass beide in gleicher Weise von ihm in seiner Beziehung zu den Juden handeln. Der Apostel Johannes stellt ihn uns in seiner Beziehung zur Christenheit vor, wenn er schreibt: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Der ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet“ (1Joh 2,22).
Wir lesen zudem, dass er Erfolg haben wird, bis die Empörung vollendet sein wird. Gott wird zulassen, dass er eine Zeit lang seine eigenen Wege gehen wird; doch wenn die Empörung vollendet ist, wird der Herr in der Züchtigung der schuldigen Nation, die Christus verworfen hat, am Ende der dreieinhalb Jahre, von denen in der Offenbarung so häufig gesprochen wird, vom Himmel her erscheinen und diesen Bösen mit dem Hauch seines Mundes vertilgen und ihn mit dem Glanz seines Kommens vernichten (2Thes 2,8; Off 19,20).