Behandelter Abschnitt Dan 11,36-39
Der Antichrist (11,36–39)
„Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden; und er wird Gelingen haben, bis der Zorn vollendet ist, denn das Festbeschlossene wird vollzogen. Und auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben. Und an dessen statt wird er den Gott der Festungen ehren: Den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien. Und er wird gegen die starken Festungen so verfahren mit dem fremden Gott: Wer ihm Anerkennung zollt, dem wird er viel Ehre erweisen, und er wird ihm Herrschaft verleihen über die Vielen und das Land austeilen zum Lohn“ (11,36–39).
Bis zum Ende von Vers 35 haben wir Prophetie über Ereignisse, die zwar in den Tagen Daniels in der Zukunft lagen, sich jedoch inzwischen längst erfüllt haben. Von Vers 36 an spricht der Engel von Ereignissen, deren Erfüllung noch in der Zukunft liegt. Dies wird durch die Worte des Engels deutlich, die davon reden, dass diese Dinge sich fortsetzen werden, bis der Zorn vollendet ist (11,36). Auch wird dies durch den Bezug auf die Zeit des Endes deutlich (11,40). Schon einmal hatte der Engel die Bezeichnung „Zeit des Endes“ verwendet, um zu zeigen, dass bezüglich der Verfolgungen, durch die der gläubige Überrest gehen muss, ein Ende in Sicht ist (11,35).
In Vers 40 wird dieser Ausdruck nun benutzt, um Ereignisse zu beschreiben, die der Zeit des Endes direkt vorausgehen. Weiterhin ist es wichtig festzustellen, dass der Engel in Vers 36 unter der Bezeichnung „der König“ eine völlig neue Person in seine Prophezeiung einführt. Aus Vers 40 lernen wir, dass sowohl der König des Südens als auch der König des Nordens dieser neu eingeführten Person entgegentreten werden. Offensichtlich spricht der Engel also nicht mehr von dem König von Ägypten oder Assyrien, sondern von einem König, der in dem Land regiert.
Die Eigenschaften dieses Mannes, die der Engel angibt, passen so vollständig zu der Beschreibung des Menschen der Gesetzlosigkeit, oder des Antichrists, die im Neuen Testament dargelegt wird (2Thes 2), dass man nur schlussfolgern kann, dass sich beide Abschnitte auf dieselbe Person beziehen. Der Unterschied besteht darin, dass der Antichrist in Daniel im Zusammenhang mit dem jüdischen Abfall vorgestellt wird, während er im zweiten Thessalonicherbrief als Folge des Abfalls der Christenheit genannt wird. Es ist die prophetische Beschreibung dieses schrecklichen Mannes, die diesem letzten Abschnitt der Prophezeiung eine solch tiefe Wichtigkeit verleiht.
Als erstes lernen wir, dass er „nach seinem Gutdünken handeln“ wird. Er wird in völliger Unabhängigkeit von Gott agieren, indem er keinen anderen Willen als den seinen anerkennt.
Zweitens wird er sich selbst über jeden Gott erhöhen und verherrlichen. Diese ersten beiden Dinge kennzeichneten den Sündenfall. Adam handelte in Unabhängigkeit von Gott in der Verlockung, sich selbst zu erhöhen und wie Gott zu sein. Im Antichrist werden diese beiden Dinge in ihrer endgültigen Ausprägung zum Vorschein kommen, dem Höhepunkt alles Bösen, das das Geschlecht Adams verdorben hat.
Drittens wird er nicht nur behaupten, jedem Gott überlegen zu sein, sondern er wird auch lästerliche Dinge gegen den Gott der Götter aussprechen.
Viertens wird diesem furchtbaren Menschen trotz seiner Boshaftigkeit gewährt, „Gelingen [zu] haben, bis der Zorn vollendet ist“. Der Prophet Jesaja zeigt deutlich, dass der Ausdruck „Zorn“ verwendet wird, um die Zeit des Handelns Gottes in herrschaftlichem Gericht mit dem Volk Israel zu beschreiben (vgl. Jes 5-10; 14).
Fünftens lernen wir: „Und auf den Gott seiner Väter wird er nicht achten, und weder auf die Sehnsucht der Frauen noch auf irgendeinen Gott wird er achten, sondern er wird sich über alles erheben.“ Er wird also offenbar ein abgefallener Jude sein, der nicht nur den Herrn verwirft, sondern auch den Messias, dessen Geburt die Sehnsucht der jüdischen Frauen war.
Sechstens, nachdem er sich über alles erhoben und sich selbst zum Gott ernannt hat, wird er den Menschen einen neuen Gott aufzwingen, den „Gott der Festungen“. Offensichtlich setzt er die Herrschaft der Macht über die des Rechts.
Siebtens wird er unter diesem neuen Gott der Macht das gesamte Land Israel organisieren und es für seinen eigenen Gewinn und als Lohn für solche, die seinen Willen ausführen, aufteilen.
Dies sind die furchtbaren Merkmale des kommenden Antichrists, die in Verbindung mit den Juden und dem Land stehen. In seinem Auftreten wird er das genaue Gegenteil von all dem sein, was in Christus auf so wunderbare Weise gesehen werden kann, der immer den Willen Gottes tat, sich nie selbst erhöhte und nur die Ehre des Vaters und das Wohl der Menschen suchte.
So wird uns in wenigen, kurzen Worten der Antichrist vorgestellt, der selbst als ein abgefallener Jude über eine abgefallene Nation herrschen wird. Dies wird uns in der Offenbarung näher beschrieben.