Behandelter Abschnitt Phil 1,1-11
Die Gliederung des Briefes an die Philipper ist gut zu erkennen, wenn man der Kapiteleinteilung folgt:
Christus, unser Leben
Christus, unser Vorbild
Christus, unser Ziel
Christus, unsere Stärke
Einleitung
Der Philipperbrief vermittelt uns Erfahrung und nicht so sehr Lehre. Wir finden darin das innere Leben der Gläubigen und des Apostels Paulus auf sehr kostbare Weise dargestellt. Auch der erste Thessalonicherbrief stellt uns christliche Erfahrung vor, aber mit dem Unterschied, dass die Gläubigen dort erst seit kurzem bekehrt waren, so dass wir bei ihnen das göttliche Leben sich in seiner ganzen ersten Frische und Tatkraft entfalten sehen. Die Philipper hingegen waren bereits bewährte Gläubige, als Paulus ihnen schrieb; sie hatten schon viele Jahre im Glaubenslauf zurückgelegt und Gottes völlige Treue erprobt. Bei den Thessalonichern traten das „Werk des Glaubens“, die „Bemühung der Liebe“ und „das Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus“ besonders hervor; sie hatten sich „von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“. Die Philipper aber hatten dem Sturm standgehalten und dem Apostel in all seinen Nöten und Bedürfnissen anhaltend ihre Unterstützung und Gemeinschaft erwiesen.
In Philipper 1 finden wir die glückseligen Beweggründe im Herzen des Apostels, in Philipper
etwas, was treffend die Gütigkeit des christlichen Lebens genannt worden ist; in Philipper
haben wir die Energie dieses Lebens und in Philipper 4 seine Überlegenheit über alle Umstände.
Phil 1,1-11: 1 Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu, allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit den Aufsehern und Dienern: 2 Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! 3 Ich danke meinem Gott bei all meiner Erinnerung an euch 4 allezeit in jedem meiner Gebete, indem ich für euch alle das Gebet mit Freuden tue, 5 wegen eurer Teilnahme an dem Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt, 6 indem ich eben darin guter Zuversicht bin, dass der, der ein gutes Werk in euch angefangen hat, es vollenden wird bis auf den Tag Jesu Christi; 7 wie es für mich recht ist, dass ich dies über euch alle denke, weil ihr mich im Herzen habt und sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums ihr alle meine Mitteilnehmer der Gnade seid. 8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit dem Herzen Christi Jesu. 9 Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, 10 damit ihr prüfen mögt, was das Vorzüglichere ist, damit ihr lauter und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi, 11 erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.
In der Anrede werden „Aufseher und Diener“ erwähnt (in der Mehrzahl, wohlgemerkt). Das waren örtliche Diener, von denen sich die einen um die geistlichen und die anderen um die äußeren Belange der Gläubigen zu kümmern hatten. Man darf sie nicht verwechseln mit den Gaben zur Auferbauung des Leibes nach Epheser 4.
Paulus dankte Gott jedes Mal, wenn er an diese Gläubigen dachte. So wie hier redet er zu keiner anderen Versammlung. An manchen Orten konnte er Gott für einiges danken, musste aber über anderes seufzen – doch hier gab es nichts, was ihm Kummer machte. So haben wir hier eine treffende Illustration von Hebräer 13,17. Er gab Rechenschaft über die Philipper „mit Freuden und nicht mit Seufzen“ – zweifellos zu ihrem Nutzen. Was im Besonderen sein Herz erfreute, war ihre Teilnahme am Evangelium: Sie hatten ihn als Arbeiter auf ihren Herzen vor Gott getragen, hatten ihm wiederholt etwas für seinen Bedarf gesandt, und vor allen Dingen hatten sie mit ihm Anteil genommen an den Glaubensproben und der Schmach, die die Ausbreitung des Evangeliums mit sich bringt. Das alles erkannte er als Gottes Werk in ihnen an, und sein Herz war voll Zuversicht, dass Gott, da Er ein gutes Werk in ihnen angefangen hatte, es auch vollenden würde bis auf den Tag Christi. Diese Bemerkung des Apostels ist beachtenswert; er betrachtet nämlich in diesem Brief die Gläubigen als solche, die für sich selbst auf Gott gestellt waren, denn er, der „Diener der Versammlung“, war nicht mehr tätig, sondern im Gefängnis. Dieser Brief leitet gewissermaßen über zu der Situation, dass die Versammlung überhaupt ohne apostolische Fürsorge sein würde. Apostolische Nachfolge gibt es für die Versammlung nicht; ihr hervorstechendes Merkmal ist, dass Gott selbst in den Gläubigen das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen wirkt.
So war es durchaus recht, dass der Apostel in Bezug auf sie alle voll Zuversicht war: Er wusste, dass er einen Platz in ihren Herzen hatte; sie hatten „Trübsal gelitten mit dem Evangelium nach der Kraft Gottes“ [vgl. 2Tim 1,8] und waren auch „Mitteilnehmer der Gnade“, mit der Paulus ausgestattet war. Und zudem wusste Gott, wie sehr er sich nach ihnen sehnte „mit dem Herzen Christi Jesu“. Dieselbe zärtliche Zuneigung zeigt sich auch in 1. Thessalonicher 3. Paulus sehnte sich sehr danach, die Thessalonicher zu sehen, wie sie sich sehnten, ihn zu sehen, indem er „Nacht und Tag über die Maßen flehte“, ihr Angesicht zu sehen und zu vollenden, was an ihrem Glauben mangelte [1Thes 3,10]. Auch seine geliebten Philipper nennt er „meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und Krone“ [Phil 4,1]. Was für ein kostbarer Ausdruck gegenseitiger Zuneigung!
Paulus betete für die Philipper, dass ihre „Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht“. Die Liebe darf sich nicht unweise entfalten – sie muss in Gottes Schule lernen. Zuzeiten spricht die Liebe zärtlich, ein andermal streng; um in Liebe recht zu handeln und zu reden, braucht man Erkenntnis und Unterscheidungsvermögen. Die Liebe muss im Gleichgewicht stehen mit anderen göttlichen Eigenschaften. Paulus wünschte auch, dass die Philipper „prüften, was das Vorzüglichere sei“ – das bedeutet, dass der neue Mensch sich durch den Geist in der Gegenwart Gottes schult in Bezug auf Gut und Böse. So würden sie „lauter und ohne Anstoß sein auf den Tag Christi“. Beachten wir, dass „der Tag“ immer zur Sprache kommt, wenn es um Verantwortung geht (vgl. Röm 13,12; 1Kor 1,8; 1Thes 3,13). In unserem Zusammenhang ist der Sinn des Geistes auf die „Frucht der Gerechtigkeit“ gerichtet, in Epheser 5 geht es um die „Frucht des Lichts“ und in Galater 5 um die „Frucht des Geistes“. „Zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“, fügt der Apostel hinzu – und das ist gewiss immer das Ziel im Leben des Gläubigen.