Behandelter Abschnitt Eph 4,1-6
Wir treten nun in den praktischen Teil dieses Briefes ein. Vers 1 weist noch einmal auf den Schluss von Kap 2 hin. In Kap 3,1 hatte der Apostel mit den Worten begonnen: „Dieserhalb ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen.. . “. Danach hatte er seine Gedanken mit einem ausführlichen Einschub, der bis zum Ende des dritten Kapitels reicht, unterbrochen – wir hatten schon bemerkt, dass dies durchaus nicht etwas Unübliches in seinen Briefen ist. Hier nun nimmt er den Faden wieder auf: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn.. . “. Wie rührend ist die Art seiner Ermahnung. Alle seine Briefe sind dadurch gekennzeichnet, dass er selten Gebote ausspricht, obwohl er als Apostel selbstverständlich die Autorität dazu gehabt hätte. Er sagte lieber: „Nicht dass wir über euren Glauben herrschen, sondern wir sind Mitarbeiter an eurer Freude“ (2Kor 1,24).
Dreimal werden wir in den Briefen des Apostels Paulus ermahnt, würdig zu wandeln1. In
1. Thessalonicher 2,12 werden wir aufgefordert, würdig des Gottes zu wandeln. Es ist der lebendige und wahre Gott im Gegensatz zu den Götzenbildern; zum Dienst dieses Gottes waren die Thessalonicher berufen worden. Nach Kolosser 1,10 sollen wir würdig des Herrn wandeln zu allem Wohlgefallen. In diesem Brief wird viel Nachdruck auf die Autorität Christi gelegt, und darauf, dass Er das Haupt ist. Hier im Epheser-Brief sollen wir würdig wandeln der Berufung, mit welcher wir berufen worden sind. Diese Berufung ist in den Kapiteln 1 und 2 entfaltet worden; sie schließt eine neue Natur, eine neue Verbindung und einen Zugang zu dem Vater mit ein, sowie die Behausung Gottes im Geiste in einem Leibe mit dem erhöhten Christus.
Demut und Sanftmut sollen uns kennzeichnen – wie könnten wir auch sonst miteinander vorangehen? In Philipper 2,3 finden wir auch diesen Gedanken: „. . . in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst“. Es ist unmöglich, wahre Gemeinschaft miteinander zu haben, wenn sich das eigene Ich noch entfalten darf; Eifersucht und Unfrieden werden die sichere Folge davon sein. Aber angenommen, wir üben Demut und Sanftmut aus, und unsere Geschwister handeln ganz anders? Das gibt dann Gelegenheit, Langmut zu erweisen und einander in Liebe zu ertragen; und es sollte unser ernstestes Bemühen sein, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Bande des Friedens.
Angesichts der vielen Benennungen und Gemeinschaften auf christlichem Gebiet ist es eine äußerst wichtige Frage geworden, was diese Einheit des Geistes eigentlich ist. Der Geist führt zu Christus als dem Mittelpunkt zusammen, und Seine Einheit umfasst alle Heiligen und schließt alles Böse aus. Nichts Geringeres oder Weiteres ist Seine Tätigkeit; und in dieser Hinsicht werden wir aufgefordert, unseren Weg zu gehen. Unermüdlich sollen wir über unsere Herzen wachen aus Furcht davor, dem
Satan eine Gelegenheit zur Verunehrung Christi und zu unserer Betrübnis zu geben. Wir haben nötig, dies praktischerweise mit allem Eifer zu beobachten.
Der Apostel fährt damit fort, einige dieser Bande der Einheit zu erwähnen. Es sind hier sieben: ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater aller. Wir dürfen die Einheit des Geistes nicht verwechseln mit der Einheit des Leibes, obwohl beide Dinge sehr eng miteinander verbunden sind. Vor kurzem hat ein Schreiber, der es wert ist, seiner wegen seines Werkes in Liebe zu gedenken, gesagt: „Ist es nicht klar, dass die Versammlung während dieser Zeit nicht dazu bestimmt ist, ein sichtbarer, verbundener Leib zu sein, sondern vielmehr eine große geistliche Realität, bestehend aus allen Gläubigen und Treuen in allen Vereinigungen, die, das Haupt festhaltend, unbedingt zusammengehören“? Es ist ohne Zweifel richtig, dass die Versammlung eine große geistliche Realität sein soll – und sie ist es auch. Doch die heilige Schrift macht auch klar, dass sie eigentlich ein sichtbarer, vereinigter Leib sein sollte; d. h. dass alle Heiligen auf Erden miteinander in einer Gemeinschaft vorangehen und die Einheit des Geistes bewahren sollten. Es wäre weit besser, unser tiefes Versagen und unsere Sünde zuzugeben und neue Gnade von dem immer treuen Herrn zu erbitten, als unser Versagen durch das Leugnen dieser Wahrheit oder gar unserer Verantwortlichkeit entschuldigen zu wollen.
Obwohl diese Feststellungen hier in Bezug auf alle Heiligen wahr sind, ist es doch offensichtlich, dass in den Versen 4 bis 6 unterschiedliche Kreise beschrieben werden, die immer ausgedehnter werden. Niemand kann teilhaben an dem einen Leib, dem einen Geist und der einen Hoffnung außer solchen, die wirklich des Christus sind; der eine Herr, der eine Glaube und die eine Taufe dagegen stehen in Verbindung mit dem Bereich des Bekenntnisses; während der eine Gott und Vater aller, Der da ist über allen und durch alle und in uns allen, von einem noch weiteren Kreis spricht (mit Ausnahme des letzten Falles: ‘in uns allen‘); denn alle Familien in den Himmeln und auf Erden sind Ihm untergeordnet (vgl. Kap 3,15).
1
↩︎In Phil 1,27 wird im Griechischen ein anderes Wort gebraucht.