Bevor wir uns dem Thema der Gaben zum Dienst zuwenden, das später in diesem Kapitel behandelt wird, finden wir, dass der Heilige Geist bei der Einheit verweilt, die jetzt zu den Heiligen Gottes in Christus gehört. Es war notwendig, dass dies als eine große Plattform festgelegt wurde, auf der und in Verbindung mit der der Dienst geschieht. Denn der Dienst stellt eher einzelne Glieder Christi in den Vordergrund und nicht so sehr den ganzen Leib. Denn obwohl es eine verbreitete Behauptung ist, dass die Kirche lehrt, ist sie wirklich völlig unbegründet. In der Tat führt die Vorstellung zu der Vortäuschung von Unfehlbarkeit; und diese findet ihren offensten Ausdruck im Katholizismus. Die Wahrheit ist, dass die Kirche niemals lehrt, sondern im Gegenteil der Körper ist, der belehrt wird. So etwas wie einen lehrenden Körper gibt es nicht. Die Versammlung enthält zweifellos in sich die Diener, die im Dienst des Herrn stehen, doch sie selbst ist Gottes Ackerfeld oder der Schauplatz, an dem Gott arbeitet, um für Ihn Frucht zu bringen. Das ist in der Praxis eine wichtige Wahrheit, denn sie zerstört jede Anmaßung seitens der Kirche, Lehren zu schaffen oder gar zu definieren. Die Versammlung ist dazu berufen, der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit zu sein (1Tim 3,15); sie ist verpflichtet, durch heilige Zucht dafür zu sorgen, dass nichts, was der Wahrheit widerspricht, in ihr geduldet wird.
Dieser Verantwortung kann die Versammlung Gottes sich nicht entziehen. Aber obwohl für die gesamte christliche Gemeinschaft gilt, dass sie der Körper sein sollte, der auf der Erde die Wahrheit vor den Menschen verkündet und in den wir kommen müssen, wenn die Wahrheit, nachdem wir sie geglaubt haben, überhaupt befolgt werden soll, so ist doch die Art und Weise, in der es Gott gefallen hat, für die Ausbreitung seiner Wahrheit auf die Gewissen durch einzelne Glieder seiner Versammlung einzuwirken, die für diesen besonderen Zweck qualifiziert sind. Die Macht zu lehren hängt von der Gabe ab, die durch souveräne Gnade verliehen wird. Es geht nicht um ein abstraktes Recht, dass jeder Mensch lehren oder predigen kann, wenn er will. Es gibt keine solche Erlaubnis in der Versammlung Gottes. Der Herr Jesus hat das Recht, zu berufen und Kraft im Heiligen Geist zu geben, wie es Ihm gefällt. Die Versammlung ist keine Gesellschaft von Menschen, die bestimmte Ansichten über dies oder jenes vertreten; noch weniger ist sie die Versammlung in der Welt. Sie ist die Versammlung Gottes, derer, die Er beruft und in denen Er wohnt. Und wie dies in Bezug auf das Ganze wahr ist – dass alles Gott gehört –, dass es Gott ist, der sie formt und beschützt und seine eigene Heiligkeit und Herrlichkeit darin aufrechterhält, so ist es auch in Bezug auf den Dienst, der eine sehr wichtige Funktion hat, die in bestimmten Gliedern der Versammlung aufrechterhalten wird. Das heißt, es gibt die Einheit, die die Gläubigen jetzt in Christus Jesus haben, kraft derer es die Versammlung Gottes gibt – die gemeinsame Einheit des Segens, in der alle Gläubigen jetzt stehen und die die Grundlage, wenn ich so sagen darf, für alles ist. Aber in Verbindung damit gibt es wirksamen Dienst, der sich auf bestimmte Glieder bezieht und nicht auf die ganze Versammlung. Die Gaben sind in ihr und diesen dem Wohl aller.
Dadurch wird der erste Abschnitt in zwei Teile unterteilt. In den Anfangsversen, bis zum Ende von Vers 6, finden wir eher die Einheit des Geistes; ab Vers 7 die Verschiedenheit der Glieder Christi. Beachte zunächst, dass der Heilige Geist uns jetzt auf die Grundlage der Ermahnung gebracht hat. Wir haben die Lehre in den ersten drei Kapiteln; jetzt kommen wir zur Praxis.
Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, dass ihr würdig wandelt der Berufung, mit der ihr berufen worden seid (4,1).
Diese Berufung besteht im Besonderen aus zwei Teilen. Erstens bilden die Gläubigen, alle, die den Herrn Jesus jetzt kennen, einen Leib in Ihm; zweitens sind sie die Behausung Gottes im Geist. Obwohl also die Versammlung Gottes ein Leib ist, der auf der Erde existiert, gründet sie sich doch auf himmlische Vorrechte, wobei der Leib Christi uns unseren gemeinsamen Segen zeigt. Die Behausung Gottes im Geist führt uns vielmehr unsere Verantwortung vor Augen, weil Gott in unserer Mitte wohnt. Es ist offensichtlich, dass diese beiden Dinge sogar von wahren Kindern Gottes nur sehr schwach verwirklicht werden. Wenn sie vom Leib Christi hören, ist die Vorstellung kaum mehr als die, dass ihnen vergeben wird, dass sie Kinder Gottes sind und in den Himmel kommen. Wie wenig ist das alles ein Maß für das, was mit dem Leib Christi gemeint ist! Viele wahre Gläubige nehmen an, dass damit die Gesamtheit derer gemeint ist, die mit Gott versöhnt sind – die Gegenstände seiner Gunst, die nicht in ihren Sünden sterben müssen. Aber man könnte alle diese Vorrechte haben, ohne eines der charakteristischen Merkmale des Leibes Christi oder der Behausung Gottes im Geist. Es wäre durchaus möglich gewesen, wenn es Gott gefallen hätte, es so anzuordnen, dass Christen Kinder Gottes gewesen wären, die sich ihrer Erlösung bewusst gewesen wären, ihre Sohnschaft gekannt hätten, voll und ganz erwartet hätten, mit Christus im Himmel verherrlicht zu werden, und dennoch niemals zu einem Leib in Christus zusammengefügt worden wären, mit Gott, der unter ihnen durch eine besondere Gegenwart des vom Himmel herabgesandten Heiligen Geistes wohnte. Dies war ein zusätzliches Vorrecht, das über die Erlösung durch das Blut Christi hinausging. Und das ist so wahr, dass, wenn du das ganze Alte Testament durchforschst, du finden wirst, dass dort nie von den Heiligen Gottes als Gliedern des Leibes Christi, der Behausung Gottes im Geist, gesprochen wird.
Aber es gibt mehr als das. Die Propheten sind voll von herrlichen Begebenheiten, die noch auf dieser Erde geschehen werden, wenn der Herr die Macht Satans niederschlagen wird. Es wird eine Zeit kommen, in der es dem Bösen nicht mehr erlaubt sein wird, ungestraft zu bleiben, noch dem Guten, hier auf der Erde zu leiden; und wenn dieser Tag kommt, ist die Schrift eindeutig, dass, obwohl Gott ein Volk für sich selbst auf der Erde haben wird, sie nicht als ein Leib zusammengefügt sein werden, noch werden sie seine Behausung im Geist bilden. Zwischen den beiden Erscheinungen Christi, zwischen der Gnade, die erschienen ist, und der Herrlichkeit, die erscheinen wird (Tit 2,11-13), hören wir von der besonderen Berufung, mit der wir berufen sind. Denn lasst uns sehen, was der Leib Christi ist – sein Leib natürlich, ich meine nicht, wie Er selbst persönlich bezeichnet wird, sondern wie Er aus denen besteht und auf die angewendet wird, die jetzt an Christus glauben, jene geistliche Körperschaft, zu der alle wahren Heiligen Gottes gehören, die jetzt auf der Erde und seit Pfingsten gefunden werden. Was sind die Segnungen, die sie ausmachen? Was meint der Heilige Geist mit der Zugehörigkeit zu diesem Leib? Ich antworte, dass das Kreuz als Zeugnis und Ausdruck der Schuld der Juden im Besonderen (der Schuld aller Menschen im Allgemeinen, aber in erster Linie der Juden) Gott Anlass gab, die besondere Gunststellung, die das jüdische Volk zuvor besessen hatte, für die nächste Zeit vollständig aufzugeben. Gott selbst löschte den Grenzstein aus, der Israel von den Nationen trennte; und statt Israel zum einzigen Kanal seiner Verheißung zu machen, wendet sich die Flut des Segens im Gegenteil entschieden und offensichtlich den Nationen zu. Er sammelt aus Juden und Heiden ein Volk für seinen Namen und verbindet diese Auserwählung aus beiden, die an Christus glauben, damit sie in den Besitz neuer Vorrechte gelangen, die nie zuvor in ähnlicher Weise oder in gleichem Maß gekostet wurden.
Ein bemerkenswertes Merkmal des Segens ist, dass die Unterscheidung zwischen Juden und Heiden aufgehoben ist. Im Kreuz waren sie in der Bosheit vor Gott vereint. Aber wozu benutzt Gott es? Er sagt gleichsam: Ich will eben jenes Kreuz nehmen, das der Mensch zum Schauplatz seiner ungeheuerlichen Rebellion gegen mich gemacht hat – das bewies, dass mein altes Volk in der Person meines Sohnes in Feindschaft gegen mich entbrannt war; und Ich will das Kreuz zum Angelplatz machen, an dem ein vollerer, reicherer Segen gegeben wird, als die gläubigen Menschen in dieser Welt zuvor überhaupt erhofft hatten. So wie das Kreuz der Sammelpunkt Satans war, um die Menschen in einer unheiligen Vereinigung gegen Gott und seinen Sohn zu versammeln, so macht Gott es zu dem herrlichen Zentrum, in dem Er Juden und Heiden, die an seinen Sohn glauben, zu einem neuen Leib formt, in dem alle solche Unterschiede für immer ausgelöscht sind. Und wenn es Gott gefällt, ein Volk herauszurufen, um ein praktisches Zeugnis für diese neue Entfaltung seiner Liebe zu geben, wer kann es dann leugnen? Das Gesetz ist gerecht; und es wäre ein Frevel gegenüber Gott, den kleinsten Makel auf die Zehn Gebote zu legen. Aber während das Gebot heilig, gerecht und gut ist (Röm 7,12), bringt die Gnade etwas hervor, was noch höher und besser ist. Es ist natürlich richtig, wenn ich Gutes tue, dass ich dafür belohnt werde; aber ist es nicht noch erhabener, wenn ich Gutes tue, dafür leide und es geduldig ertrage? Das ist die Gnade, die bei Gott angenehm ist, und die das praktische Prinzip ist, nach dem Er seine Kinder jetzt zum Handeln aufruft. Es war nicht die öffentliche Regel der Regierung in alttestamentlichen Zeiten, sondern der Gegensatz dazu. Widerspricht sich Gott also selbst? Weit gefehlt. Gott mag eine Art haben, mit dem jüdischen Volk umzugehen, und dann mag Er eine andere Handlungsweise mit den Christen festlegen. Und wer kann in der Tat leugnen, dass Er das getan hat? Der Jude hätte sich einer schweren Sünde schuldig gemacht, wenn er nicht beschnitten worden wäre; und ich glaube, dass der Jude, soweit es die Erde betrifft, sogar an dem hellen Tag, der kommen wird, sein Land, seine Stadt, seinen Priester und seinen Tempel und so weiter wieder haben wird.
Der Wille Gottes für die Juden wird im Wesentlichen unverändert bleiben. Ich finde in den Prophezeiungen einen Zustand der Dinge, der noch nicht vollendet ist, wenn alle diese äußeren Anordnungen Gottes erfüllt sein werden. Soll ich Gott nicht glauben, bis ich die Prophezeiungen so verwirklicht sehe? Ist es nicht so, dass wir das Wort eines guten Menschen annehmen? Wenn wir aber das Zeugnis von Menschen annehmen, so ist das Zeugnis Gottes größer (1Joh 5,9). Und ein Mensch, der Samuel und die Könige akzeptiert aber Hesekiel oder Hosea nicht glaubt, behandelt Gott so, wie man einen gewöhnlichen Menschen nicht behandeln würde. Aber wenn ich alles glaube, was Er gesagt hat, gibt es besondere Grundsätze Gottes für die Juden, die noch durch den Messias ausgeführt werden sollen, wenn er in Macht regiert und der Teufel gebunden ist. Gott wird alles, wovon Er in den Propheten gesprochen hat, in den Tagen des Himmels auf der Erde vollenden. Aber in der Zwischenzeit ist der Messias, der verheißen war, die Herrlichkeit zu offenbaren, gekommen und wurde verworfen. Statt einen Thron zu haben, hatte Er das Kreuz; und weit davon entfernt, die Erde zu erben, wurde Er von ihr verstoßen und fuhr zum Himmel auf. Infolgedessen wurde ein neuer Zustand der Dinge offenbar; und für diese Ordnung, die ganz anders ist als die, die allgemein in den Prophezeiungen beschrieben wird, haben wir die Offenbarung des Neuen Testaments. Darin finden wir, wovon es im Alten Testament hier und da kleine Andeutungen gibt, aber zugleich leitet es als Ganzes eine Szene eine ohne früheres oder späteres Beispiel, in der Gott Vorrechte entfaltet, die nie zuvor genossen wurden, und einen Wandel erwartet, den Er selbst von den Gläubigen früherer Zeiten in keiner Weise verlangt hat.
Natürlich gibt es bestimmte klare, feste Prinzipien, die immer verbindlich sind. Gott hat nie eine Lüge oder Habgier oder Bosheit gebilligt: Keine Haushaltung kann die großen moralischen Unterscheidungen zwischen richtig und falsch aufheben oder abschwächen. Aber der Gott, der mit irdischer Macht gewirkt hat, um sein Volk zu beschützen, und der es beschützt hätte, wenn es unter dem Gesetz treu gewesen wäre, ruft nun im Gegenteil sein Volk auf, in Gnade zu leiden. Derselbe Gott, der sie beschützt und durch das Rote Meer geführt hat und der keiner Macht erlaubte, die universelle Vorherrschaft auf der Erde zu erlangen, bis Israel sich als untreu erwiesen hatte, erlaubte dann, als es sich als völlig unwürdig erwiesen hatten, Babylon, der allerschlimmsten der heidnischen Mächte, sie zu stürzen. Und dann folgte ein Reich auf das andere, bis schließlich unter den Römern sowohl Juden als auch Heiden sich darin vereinigten, den Herrn der Herrlichkeit zu kreuzigen. Dann war der Untergang der Welt besiegelt. Die Totenglocke des Gerichts erklang vom Kreuz Jesu. Man hätte erwarten können, dass, wenn Gott damals nach Prinzipien der Gerechtigkeit gehandelt hätte, sofort das Universum Gottes erschüttert worden wäre, dass zumindest Jerusalem und Rom in seiner feurigen Empörung zerstört worden wären. Weit gefehlt. Der Himmel öffnet sich, aber nur, um den gekreuzigten Jesus aufzunehmen, nicht um seine Mörder zu richten. Er sendet außerdem den Heiligen Geist auf die Erde herab, um durch Gnade diesen neuen Leib, die Versammlung Gottes, zu bilden. Er bringt diese gemeinen Mörder Jesu, wenn sie Ihn nur aufnehmen, an einen Ort des Segens, dessen Breite und Länge und Tiefe und Höhe nie zuvor genossen oder gekannt worden war. Und das ist Gnade. „Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden“ (Joh 1,17). Das Evangelium der Gnade Gottes geht hinaus; aber es rettet nicht nur Menschen – es sammelt sie, vereinigt sie mit Christus, macht sie zu seinen Gliedern und zu Gliedern untereinander. Das alte jüdische Vorrecht ist verschwunden; die levitischen Vorrechte sind völlig in den Hintergrund getreten, soweit es die Versammlung betrifft. Die Heiden waren im Götzendienst versunken und die Juden selbstgefällig unter dem Gesetz Gottes, das sie nicht hielten. Doch beide werden durch den Geist, durch den Glauben an Christus, in diesen einen Leib gebracht und beten Gott auf derselben gemeinsamen Grundlage der Gnade an. Sie sind „mitaufgebaut zu einer Behausung Gottes im Geist“. Dies ist die „Berufung, mit der ihr berufen worden seid“ (V. 1). „Ich, der Gefangene im Herrn“ (V. 1) und so weiter. Er weist wieder auf diese ehrenvolle Narbe aus der Feindschaft der Welt hin, weil er praktisch vor Augen führt, was die Konsequenz selbst für den größten Diener Gottes, der je gelebt hat (neben Christus), in dieser Welt war. Immerhin war er der Gefangene des Herrn. Was für eine wunderbare Ehre! Es gab keine feurigen Streitwagen, die ihn umgaben, wie bei Elia; keine Macht, die sich einsetzte, um ihn zu bewahren. Er leidet unter demselben Reich, das den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt hat; und aus seinem Gefängnis heraus ermutigt er die Gläubigen, dieser gleichen Berufung würdig zu wandeln! Schon jetzt ist die Welt besiegt: Wie wird es sein, wenn Christus kommt?
Dennoch lautet das Wort: