Behandelter Abschnitt Eph 2,11-22
Es ist auffallend, dass der Apostel die Heiligen in Vers 11 auffordert, nach unten zu schauen! In Vers 7 sind wir in unendliche Höhe gebracht worden und haben unseren Platz in den himmlischen Örtern in Christo Jesu gesehen; jetzt sollen wir uns daran erinnern, was wir einst gewesen sind. Es ist wichtig, dass man erkennt, dass zwischen dem Beschäftigen mit sich selbst und dem Erinnern an seinen verderbten Ursprung ein großer Unterschied besteht. Das erstere führt zu Zweifel und Furcht, das zweite zu Demütigung und Beschämung und zu einer tieferen Wertschätzung der Gnade!
Die Epheser, die ihrer Stellung nach ja zu den Nationen gehörten, wurden Unbeschnittene (Vorhaut) genannt – ein Ausdruck großer Schmach (vgl. 1Sam 14,6; 31,4). Die Beschneidung war das sichtbare Zeichen einer Beziehung zu Gott (und mehr noch); unbeschnitten zu sein bedeutete, vollkommen außerhalb des Kreises der Beziehungen und Vorrechte zu stehen. Da sie ohne jeden Platz in Bezug auf das Gemeinwesen Israels und Fremdlinge betreffs der Bündnisse der Verheißungen waren, standen sie folglich auch außerhalb jeder Verbindung mit Christus, hatten keine Hoffnung und waren ohne Gott in der Welt. Alles dies konnte man nur von den Nationen sagen; der Jude stand äußerlich nahe, besaß die Verheißungen, hoffte auf einen kommenden Christus und war im Besitz des Heiligtums Gottes und hatte auch die Propheten. Der Apostel hatte in dem zurückliegenden Teil des Kapitels dargelegt, was auf Juden und Nationen gleicherweise zutraf; hier betont er nun, was in besonderer Weise von den Nationen wahr war.
Aber in welche Stellung hat das Werk Christi den Gläubigen nun gebracht? In die alte Stellung der Juden mit ihrer Nähe zu Gott? Nein! sondern in eine unvergleichlich nähere Stellung, als die Juden jemals hätten erlangen können. Mehr noch, Er hat auch die gläubigen Juden in die gleiche Stellung gebracht, indem Er alle Unterscheidungen nach dem Fleische abgeschafft hat. Dies ist ein unermesslicher Fortschritt gegenüber allen Lehren des Alten Testaments. Die Propheten hatten viel von den Segnungen der Nationen gesprochen, aber diese waren immer den Segnungen der Juden gegenüber untergeordnet – dies alles wird sich auch im tausendjährigen Reich erfüllen. Aber in der Zwischenzeit hat Gott etwas weit Besseres hervorgebracht: Juden und Nationen, die an Christus glauben, sind in die gleiche gesegnete Stellung der Nähe zu Ihm gebracht; ohne Zweifel eine Demütigung für die Voreingenommenheit und Einseitigkeit der jüdischen Nation, doch trotz alledem der Wille Gottes. Es gibt folglich in dieser jetzigen Zeit drei Klassen von Menschen in der Welt: Juden, Nationen, und die Versammlung Gottes (1Kor 10,32). Jeder Jude, der an den Herrn Jesus glaubt, ist aus dem alten jüdischen System herausgenommen worden; ebenso ist jeder Glaubende aus den Nationen herausgenommen worden aus seiner Stellung der Gottesferne – beide sind in einem Leibe mit Gott versöhnt, und beide haben durch einen Geist Zugang zu dem Vater.
Es ist zu beachten, dass Gott Selbst die Zwischenwand, die Er aufgerichtet hatte, abgebrochen hat; für jeden anderen, der das hätte tun wollen, wäre es Sünde gewesen. Der Herr hatte zu Seinem Volk gesagt: „Ich bin heilig, ich, der Herr; und ich habe euch von den Völkern abgesondert, um mein zu sein“ (3. Mose 20,26). Der Gottesfürchtige rühmte dies und konnte sagen: „Er verkündet Jakob sein Wort, Israel sein Satzungen und seine Rechte. Keiner Nation hat er also getan; und die Rechte, sie haben sie nicht gekannt. Lobet den Herrn“ (Psalm 147,19+20)! Dies rechtfertigte den Petrus bei der Gelegenheit, wo er dem Kornelius sagte: „Ihr wisset, wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich einem Fremdling anzuschließen oder zu ihm zu kommen“ (Apg 10,28). Aber diese Unterscheidungen gehören nun der Vergangenheit an. Das derzeitige Werk Gottes ist es, den einen Leib zu bilden. Christus hat in Seinem Leibe die Feindschaft hinweg getan. Nun wird den Fernen und den Nahen Frieden verkündigt – und beide haben Zugang zu dem Vater.
Daher sind wir aus den Nationen nicht länger Fremdlinge und Beisassen, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten. Jesus Christus Selbst ist der Eckstein. Hier haben wir einen neuen Gedanken: nicht nur den Leib, sondern ein Bauwerk. Seinerzeit hatte Gott ein materielles Haus geheiligt und inmitten des durch Ihn erlösten Volkes in diesem Haus gewohnt. Hier jedoch lesen wir von einem Tempel ganz anderer Ordnung. Das Bauwerk von dem Berg Morija war nicht mehr anerkannt und war leer („Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen“; Mt 23,38), und Gott bildete ein geistliches Haus, das sich aus lebendigen Steinen zusammensetzt. Beachte hier, dass es Gottes Bauwerk ist, und nicht das Werk von Menschen. Wir müssen unterscheiden zwischen dem Haus, wie Gott es baut, und dem, dass dieses Haus auch menschlichen Arbeitern anvertraut worden ist. Den ersten Gedanken finden wir sowohl hier als auch in Matthäus 16 und 1. Petrus 2.
Von diesem Standpunkt aus gesehen, ist alles vollkommen – wie es
immer der Fall ist und auch sein muss, wenn Gott etwas geschaffen hat.
Die Versammlung, die auch durch des Hades Pforten nicht überwältigt
werden kann, ist aus lebendigen Gliedern zusammengesetzt, durch Christus
Selbst berufen und auferbaut. Nichts Unpassendes kann in sie eingehen.
Aber welch ein Unterschied, wenn wir die Seite der Verantwortung des
Menschen in Erwägung ziehen! In 1. Korinther 3 werden Paulus und seine
Mitarbeiter als Arbeiter an dem Hause gesehen. Paulus hatte in Korinth
die Grundlage gelegt, andere waren nachgefolgt und hatten darauf
aufgebaut. In diesem Zusammenhang finden wir eine Warnung, denn es könnte
sein, dass mancher Holz, Heu oder Stroh anstelle von Gold, Silber und
köstlichen Steinen baut, und an dem zukünftigen Tage seine Belohnung
verliert – sein ganzes Werk würde verzehrt werden; während andere sogar
den Tempel Gottes verderben würden und selbst vernichtet werden. Bei der
letzten Gruppe handelt es sich aber nicht um Gläubige. Gott handelt mit
den Menschen entsprechend ihres Bekenntnisses; und alle, die für sich in
Anspruch nehmen, Seine Knechte zu sein – ob sie nun Leben besitzen oder
nicht –, werden auf diesem Boden behandelt werden (vgl.
Hier in Kap 2,21 wird der Tempel als fortschreitend wachsend und zunehmend betrachtet: . . . “wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn“. Dies schließt jeden einzelnen Heiligen dieser Haushaltung mit ein; und in diesem Sinn ist der Tempel auch nicht eher vollendet, als dass der Herr kommt.
In Vers 22 finden wir noch einen weiteren Gedanken: . . . “in welchem auch ihr mitaufgebaut werdet zu einer Behausung Gottes im Geiste“. Hier haben wir nicht den Gesichtspunkt des Wachsens, sondern den örtlichen Charakter – die versammelten Heiligen in Ephesus bildeten eine Behausung Gottes. Sehr ähnlich spricht der Apostel Paulus auch zu den Korinthern: „Wisset ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt“ (1Kor 3,16)? Beachte die unterschiedliche Ausdrucksweise dazu in 1. Korinther 6,19, wo die Heiligen als Einzelne gesehen werden. Es ist eine kostbare und doch ernste Wahrheit, woran sich die Heiligen immer wieder erinnern sollten, dass, wenn sie versammelt sind, der Geist Gottes gegenwärtig ist und in ihrer Mitte wohnt. Man braucht kaum zu sagen, welch lange Zeit dies in der Christenheit vollkommen übersehen wurde; doch hier auf diesem Blatt der Heiligen Schrift wird uns diese göttliche Wahrheit noch einmal in Erinnerung gerufen. Wenn Glauben da ist, welchen Platz haben dann noch durch Menschen berufene offizielle Anbeter, um nicht zu sagen ‘Priester‘, für uns? Eine andere Sache ist dabei allerdings geistlicher Dienst oder Autorität.