Behandelter Abschnitt Klgl 4,1-11
Klagelieder 4
Das 4. Kapitel besteht aus 22 alphabetisch angeordneten Versen, die jeweils von 2 Zeilen mit gleichem Anfangsbuchstaben gebildet werden. Es beginnt wie das 1. und 2. Kapitel mit dem Weheruf „ekah“ – Wie …! Der Unterschied zu diesen beiden Kapiteln besteht darin, dass hier Jerusalems Unglück deutlicher als Strafe des HERRN für die Sünden seiner Bewohner hervorgehoben und anerkannt wird. So kann in Vers 22a zaghaft Hoffnung aufleuchten.
Die Verse 1–11 schildern die erbärmlichen Umstände Zions, und zwar als Folge der Schuld seiner Bewohner und Fürsten, zu der Vers 6 feststellt, dass sie die Schuld Sodoms übersteige. In den Versen 12–16 wird die Ermordung von Gerechten durch Propheten und Priester als weiterer Grund für Zions Elend genannt und schließlich noch Jerusalems törichtes Hoffen auf ausländischen Beistand (17–20). Die beiden letzten Verse (21.22) drohen den schadenfrohen Nachkommen Edoms Gericht an.
Klagelieder 4,1-11: Der Zorn des HERRN hat Zions Bevölkerung und Fürsten hart getroffen
*1 Wie wurde verdunkelt das Gold, verändert das gute, feine Gold! Wie wurden verschüttet die Steine des Heiligtums an allen Straßenecken!
*2 Die Kinder Zions, die kostbaren, die mit gediegenem Gold aufgewogenen, wie sind sie irdenen Krügen gleichgeachtet, dem Werk von Töpferhänden!
*3 Selbst Schakale reichen die Brust, säugen ihre Jungen; die Tochter meines Volkes ist grausam geworden wie die Strauße in der Wüste.
*4 Die Zunge des Säuglings klebt vor Durst an seinem Gaumen; die Kinder fordern Brot, niemand bricht es ihnen.
*5 Die Leckerbissen aßen, verschmachten auf den Straßen; die auf Karmesin getragen wurden, liegen auf Misthaufen.
*6 Und die Schuld der Tochter meines Volkes ist größer geworden als die Sünde Sodoms, das plötzlich umgekehrt wurde, ohne dass Hände dabei tätig waren.
*7 Ihre Fürsten waren reiner als Schnee, weißer als Milch; röter waren sie am Leib als Korallen, wie Saphir ihre Gestalt.
*8 Dunkler als Schwärze ist ihr Aussehen, man erkennt sie nicht auf den Straßen; ihre Haut klebt an ihrem Gebein, ist dürr geworden wie Holz.
*9 Die vom Schwert Erschlagenen sind glücklicher als die vom Hunger Getöteten, die hinschmachten, durchbohrt vom Mangel an Früchten des Feldes.
*10 Die Hände barmherziger Frauen haben ihre Kinder gekocht; sie wurden ihnen zur Speise bei der Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.
*11 Der HERR hat seinen Grimm vollendet, seine Zornglut ausgegossen; und er hat in Zion ein Feuer angezündet, das seine Grundfesten verzehrt hat.
Anmerkungen und Schriftstellen
(1 u. 2) Einige Ausleger meinen, hier sei vom Gold des niedergebrannten Tempels (2Kön 25,8-10) die Rede. Doch in Kapitel 4 werden dieser oder Paläste gar nicht erwähnt; es handelt vom Los der Bewohner Zions. Deshalb meinen andere, besonders im Hinblick auf Vers 2, diese seien gemeint, zumal reines Gold durch Feuer nicht verändert wird, wohl aber durch Beschmutzung seinen Glanz verlieren kann. So war den überlebenden Jerusalemern äußerlich nicht mehr anzusehen, wie wertvoll sie einmal für Gott gewesen waren (und wieder sein werden – vgl. Sach 9,16; 13,9). Man bewertete sie jetzt nicht höher als Tongeschirr und behandelte sie auch so; dieses Los war ihnen in Jeremia 19 vorausgesagt worden (vgl. auch Hos 8,8; Jer 22,28).
(3 u. 4) 2,11.12; 4,10; 5. Mose 28,56.57; Hiob 30,29; 39,13-16; Jeremia 9,10; 16,6.7. – Wie schrecklich muss eine Hungersnot sein, die Müttern solch ein Verhalten aufzwingt, während aasfressende Schakale (Füchse) in den Trümmern reichlich Nahrung finden (5,18)!
5. Mose 28,54.55 – das Los der Erwachsenen.
1. Mose 19,24.25; Jeremia 23,14; – Aus dem monatelangen Dahinsterben Jerusalems musste man auf eine im Vergleich zu Sodom größere Schuld schließen.
(7 u. 8) 1,6; 2,2; 5,10; Hohelied 5,10.15; Hiob 2,12; 30,30; Jeremia 4,9; 24,8. – Das traurige Schicksal der Fürsten.
Vom Schwert Durchbohrte erlitten einen schnellen Tod; dagegen bedeutet vom Hunger „durchbohrt“ zu werden, d. h. zu verhungern, ein qualvolles, langsames Dahinsiechen.
4,3; 5. Mose 28,56.57; 2. Könige 6,25-30; Jesaja 49,15; – Nichts kann wohl die Notlage Jerusalems noch einmal drastischer demonstrieren als die Verzweiflungstaten an sich barmherziger Mütter.
2,3; 2,17; 5. Mose 32,21.22; Hesekiel 22,31; – Der erste Satz des 11. Verses, der offenbar an 5. Mose 32,22 anknüpft, geht wohl über das bloße Niederbrennen Jerusalems hinaus.