Demut
Vers 3: „Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, dass niemand weiter von sich halte, denn sich's gebührt zu halten; sondern dass er von sich mässig halte, ein Jeder, nachdem Gott ausgeteilt hat das Mass des Glaubens.“ „Durch die Gnade, die mir gegeben worden ist,“ schreibt der Apostel. Das Amt, andere zu ermahnen, war ein ihm anvertrauter Gnadendienst, und da liegt es ihm vor allen Dingen am Herzen, den Sinn seiner Zuhörer auf die Demut zu richten. Nicht in Herrschsucht tritt er an die Gemeinde und an die Einzelnen heran mit der Ermahnung, nicht hoch von sich selbst zu halten, sondern nüchtern zu sein, nachdem Gott ausgeteilt hat das Mass des Glaubens.
Gibt es denn ein Mass des Glaubens? fragt man sich unwillkürlich, wenn man das liest. Ja, auf dem Gebiet des Dienens, wie es gleich nachher heisst: Es hat nicht jedes Glied am Leib dieselbe Aufgabe. Bei dem einen mag es eine sehr zentrale Aufgabe sein, bei dem anderen eine sehr kleine, aber es kommt alles darauf an, dass jeder den ihm anvertrauten Dienst gewissenhaft tue, sei es ein hervorragender, sei es ein verborgener. Die verborgenen Glieder sind die wichtigsten.
Alle die sollen keine höhere Meinung von uns selbst haben, als sich's gebührt. Wir haben uns überhaupt keine Meinung über uns selbst zu bilden, wir brauchen uns nur Rechenschaft zu geben, wie wir Gott und dem Nächsten dienen können, je nach den Aufgaben und Gelegenheiten, die sich uns bieten. Jeder hat sein Mass des Glaubens. Es handelt sich hier um ein Mass des Glaubens, wie wir es als Ausrüstung für die Betätigung der Liebe nötig haben.
Ob wahrer Glaube sich in geringen oder grossen, wichtigen Dingen betätigt, hängt von Gott ab. Er gibt jedem Ausrüstung für das Glaubensgebiet, in das Er ihn stellt. Wenn wir in dem von Ihm gesteckten Grenzen bleiben und weder darüber hinausgehen noch träge zurückbleiben, so wachsen wir zum Mannesalter heran und reifen zusammen mit der Gemeinde für die Wiederkunft Christi. „Ich sage, Kraft der Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch…“ Die apostolischen Vorschriften sind nicht anzusehen, als von Menschen gegeben. Es steht hinter den Aposteln und ihren Erfahrungen göttliche Autorität. Will man andere ermahnen, so muss man es im Geist Gottes und der Gnade tun, sonst lehnen sich die anderen auf. Spürt man den Ermahnenden an, dass sie einen göttlichen Auftrag haben, überzeugt uns unser Gewissen davon, so wollen wir uns hüten, beiseite zu schieben, was sie uns sagen.
„Prüfet alles und das Gute behaltet und verwertet es!“ In den Winken für das Gemeindeleben, die in diesem Abschnitt enthalten sind, kommt es wesentlich darauf an, dass alle in der Demut und Einfalt stehen, das greift alles ineinander. Wenn ein Glied sich über das andere erheben will, gibt es Verstimmungen, Stockungen unter den Gliedern des Leibes. In der Kraft der Gnade ermahnt der Apostel seine Gemeinde, nicht von oben herab, sondern von unten herauf, in der Demut, wie sich der Heiland tief erniedrigt hat, um uns hinauf zu heben zu unserem Gott. „Das niemand weiter von sich halte, denn sich's gebührt zu halten, sondern dass er mässiglich - bescheiden von sich halte…“ Bescheidenheit ist im Grunde keine göttliche Tugend.
Das Göttliche ist die Demut. Bescheidenheit gehört schon zum Anstand und wer etwas Bildung besitzt hütet sich, sich unbescheiden vorzudrängen. Das macht keinen guten Ruf. Manche warten darauf, dass man sie hervorholt, während wir uns im Schatten wohl fühlen sollen, solange Gott uns nicht hervorholt, jeder sich bewegend und dienend in den Linien des Glaubensmasses.
Hier ist der Glaube, wie schon erwähnt, im Sinne von Dienstleistung gemeint. Für verschiedene Dienstleistungen bedarf es eines verschiedenen Glaubensmasses, eines verschiedenen Masses göttlicher Ausrüstung, während wir in der Stellung zu Gott alle in der Einheit des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung unserem Gott gegenüber stehen sollten und schöpfen aus der heiligen Schrift, was wir zu unserem Dienste bedürfen. Die Gemeinde ist ein Organismus, indem alle Glieder ineinander greifen, zusammenarbeiten, eins dem anderen Handreichung tuend. Jeder hat da seine besondere Aufgabe. Der Fuss hat eine andere Aufgabe als die Hand, aber alles muss unter dem Kommando des Hauptes stehen.
Vom Herzen aus ergiesst sich das Blut in alle Gefässe des Leibes und zwar in jedes Gefäss der Anteil des Blutes, der ihm nötig ist. Jedes Glied erfüllt dann unter der Leitung des Hauptes die Aufgabe, die er im Leibe hat, ohne scheel zu sehen, ob die anderen Glieder ihre Aufgabe erfüllen oder nicht. Die Gaben sind verschieden; genauso sind es auch die Aufgaben. Es kommt nicht darauf an, wie viel jedem anvertraut ist, sondern dass jeder treu ist in dem, wozu er berufen ist, einer den anderen stützend. Durch treue Erfüllung seiner Aufgabe, helfen wir dem Nächsten die seine zu erfüllen.
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“
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