Behandelter Abschnitt Röm 8,18-21
An Paulus, der ein ungewöhnliches Maß der Leiden Christi zu tragen hatte, können wir das verstehen. ER stand schon in gereiftem Alter als er V. 18 niederschrieb. In den wahren Proportionen stehend, konnte er sagen: „Ich halte dafür, dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll.“ Nicht wahr, wer so sprechen kann, hat Perspektive in seinem Leben. Volle Errettung, das ganze Heil mit der Wiederkunft Christi (1Pet 1,13), nicht nur wie ein Brand aus dem Feuer gerettet zu werden, sondern als Überwinder zur ersten Auferstehung aus den Toten zu kommen, diese Herrlichkeit, die mit nichts anderem verglichen werden kann, ist des Apostels, ist auch unsere Hoffnung.
Nun geht Paulus einen Schritt weiter und der Herr schenke uns Gnade, das Folgende recht zu verstehen. Vielleicht fragt der eine oder andere: Wie kommt's, dass Paulus hier nicht von der Liebe redet, als der ersten Frucht des Geistes, von der Liebe zu Gott und den Brüdern? Die Episteln Pauli sind voll von dieser Liebe, und auch in diesem Briefe geht er vom 12. Kapitel an zu den praktischen Anwendungen über. In unserm 8. Kapitel geht Paulus mit Adlers Flug, ohne die Liebe zu nennen, in die tiefsten Tiefen und auf die höchsten Höhen der Liebe ein. Du hast nur soviel Geist als du Liebe hast und nur soviel Freiheit als du Liebe hast. Hast du keine Liebe, so bist du noch gebunden an dich selbst und an die Welt; du bist noch nicht eingedrungen in Römer 6. Wir wollen aber versuchen, dem Paulus zu folgen.
Vers 12 hieß es: „Wir sind nicht mehr dem Fleische Schuldner.“ Wem denn sind wir Schuldner? Petrus nennt unter dem, was aus dem Glauben hervorwachsen soll als letzte und größte Frucht die Bruderliebe und die allgemeine Liebe. Allgemeine Liebe, die nicht aus der Bruderliebe wächst, kann wohl in die Weite gehen: „Seid umschlungen, Millionen,“ aber sie geht nicht in die Tiefe, hat keine Wurzeln und keine Kraft. Wächst sie nicht aus der Bruderliebe hervor, so hat sie keinen Wert für die Ewigkeit und man geht alsdann in schlimmem Sinne in die Weite, man verflacht, versandet, versiegt.
In V. 18 haben wir die weiteste Liebe, die man sich denken darf und zwar auf göttlichem Grunde. Wir sind nicht Schuldner dem Fleisch, aber Schuldner der Kreatur sind wir; sie haben wir hineingezogen in den Fall, der im Paradiese begann, als es dem Fürsten der Finsternis gelang, die Menschheit an sich und an die Sünde zu binden, das Gift des Misstrauens dem Menschen ins Herz zu legen, und derselbe der Augenlust, der Fleischeslust und dem hoffärtigen Wesen zum Opfer fiel.
Mit diesem Fall hat der Mensch die ganze Schöpfung hinabgezogen in die Sünde, auch sie ist nun der Eitelkeit unterworfen und seufzt nach Erlösung. Wenn einem das klar ist, so kann man nicht mehr durch die Straßen der Stadt oder durch Wald und Flur gehen als durch eine stumme Natur; überall erinnert sie uns an unsre Schuld. Worauf wartet denn die Kreatur? Während die Kinder Gottes alles Mögliche erwarten und alle möglichen Ziele erreichen wollen, vergessen sie, dass das Sehnen der ganzen Kreatur geht auf die Offenbarung der Söhne Gottes, bis wenigstens eine Erstlingsschar durchdringt und hineindringt in das Ergreifen des ganzen und vollen Heils, wie Gott es niedergelegt hat in Jesu Christo und dessen Tiefen von uns noch nicht völlig erfasst worden sind.
Während die Gemeinde schläft, seufzt die Kreatur, und es ist wohl nur eine kleine Anzahl von Kindern Gottes, in deren Brust die Geburtswehen der Kreatur ein Echo finden und die ein Auge und ein Ohr dafür haben. Es handelt sich jetzt bestimmter und ernster als je bisher um die Offenbarung der Söhne Gottes; so lange die noch nicht da ist, ist auch noch keine Rettung da für die Kreatur. Es ist bei uns vielleicht wie bei Saul, als er dem Samuel begegnete. Es ist dies eine merkwürdige Stelle, die wir genau übersehen müssen. 1Sam 9,20: „Was die Eselinnen betrifft, die dir heute vor drei Tagen irre gegangen sind, so richte dein Herz nicht auf sie; sie sind gefunden, und nach wem steht alles Begehren Israels?“ Auf wen wartet Israel unbewusst? Welch tiefer Sinn liegt in diesen Worten!
Da durchstreift der Sohn des Hauses Kis mit seinem Knechte halb Palästina. Im Anfang von 1Sam 9 werden die Länderstrecken aufgezählt, durch die sie gegangen sind, um die Eselinnen wieder zu finden. Es war eine häusliche Not und doch steckten dahinter andere und höhere Dinge, von denen Saul noch nichts wusste. Der Diener wies ihn hin zum Propheten und bemerkte ihm, dass sie in der Nähe des Sehers wären. Sie hatten keine Ahnung, dass dieser Verlust der Eselinnen ein Mittel in der Hand Gottes war, die Berufung Sauls zum Könige ins Werk zu sehen. So merken auch heute viele Kinder Gottes nicht, dass alle Prüfungen und Nöte, durch die sie hindurch müssen, nur dazu dienen müssen, dass sie erfahren und verstehen, dass sie zu etwas anderm geschaffen sind als für ihr persönliches Wohlergehen und dass jeder Verlust bald wieder aufgehoben und reichlich aufgewogen wird.
Gedanken aus Röm 6,7 u. 8. Nachgeschriebenes aus Versammlungen
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Vers 18: „Denn ich halte dafür, dass dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sind, die an uns soll geoffenbart werden.“ „Ich halte dafür…“ Es hat Jeder seine eigene Lebensanschauung, seine eigene Philosophie, seinen eigenen Standpunkt und Gesichtspunkt. Wichtig für uns ist zu wissen, wie der Apostel Paulus das Leben angesehen hat, welches sein Stand- und Gesichtspunkt gewesen ist. So viele beklagen sich, dass sie so viel zu leiden und durchzumachen haben und manche bilden sich ein sie seien die geplagtesten Menschen, die es gibt, während andere es gut haben und in Hülle und Fülle leben. Aber alle solche Berechnungen und Vergleiche haben keinen Wert.
Wir wissen nie, was andere durchmachen, auch nicht solche, die scheinbar das glücklichste Leben führen; denn es kommt alles darauf an, was in der anderen Waagschale ist. Bleiben wir stehen bei dem, was wir durchmachen, so werden wir leicht geknickt und kommen auf den Gedanken, niemand sei so bemitleidenswert wie wir. Liest man aber z.B die Lebensgeschichte des Apostel Paulus, so muss man sagen: Der Mann hat wirklich viel durchgemacht, zu Wasser und zu Land, mit falschen Brüdern und eifersüchtigen Mitarbeitern und doch hat er sich nie beklagt. Der Schwerpunkt seines Lebens lag eben anderswo. Er hatte eine wunderbare Zukunft voller Herrlichkeit vor sich.
Der Herr, der ihm auf dem Wege nach Damaskus überwunden und zu Seinem Gefangenen gemacht, hat ihm einen Blick in Seine Herrlichkeit geöffnet. Bei seiner Berufung hat er daher den Leidensweg mit in Kauf genommen, der zu dieser Herrlichkeit führen sollte. Der Herr hat dem Ananias, durch den er ihn berufen liess, gesagt: „Ich will ihm zeigen, wie viel er leiden muss um meines Namens willen.“ Früher hatte er den Namen Jesu verfolgt, fortan durfte er um desselben willen leiden. Das ist wunderbare Gnade, dass der Verfolger berufen wird, für seinen neuen Herrn zu leiden.
Der Blick in die zukünftige Herrlichkeit des Herrn und Meisters, dem er diente, gab dem Apostel Paulus die Kraft alles durchzumachen und sich nicht aufzuhalten bei dem, was vor Augen war. Es kommt hier jene Stelle in 2Kor 4,17-18 in Betracht: “ Das schnell vorüber gehende Leichte unserer Drangsal bewirkt in uns ein über die Massen überschwengliches Schwergewicht von Herrlichkeit,“ wenn wir nicht stehen bleiben bei dem, was wir fühlen und sehen; denn was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, Ist ewig.“
Das Stehenbleiben und sich aufhalten bei dem, was nur eine Zeitlang währt, ist ein Ding der Unmöglichkeit für den, dem einmal eine zukünftige Herrlichkeit in den Gesichtskreis gerückt worden ist und dessen Geist erweckt worden ist für seine ewige Berufung. „Denn es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden; wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, dass wir Ihm gleich sein werden; denn wir werden Ihn sehen, wie er ist.“ Es handelt sich um eine Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. Was hienieden in Niedrigkeit einhergeht und verachtet ist, ist bei dem Herrn hoch angesehen.
Lernen wir doch so denken, wie der Herr denkt, wenn wir Seine Jünger sind und Ihn zum Herrn und Meister haben! Lassen wir uns nicht blenden durch die Philosophie und Anschauungen der Grossen dieser Welt, sondern sehen wir hinter allem - auch hinter dem Allergeringsten - unseren Herrn Jesum Christum. „Wer einem dieser Kleinsten, die an mich glauben, eine Trunk Wasser gibt in meinem Namen, dem wird es nicht unbelohnt bleiben.“ Was wir einem Seiner Kleinen tun, das tun wir Ihm. „Dieser Zeit Leiden sind nicht wert der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden.“ Diese verborgene Herrlichkeit muss sich hienieden unter dem Druck der Zeit und der Verhältnisse ausgestalten. Denn wenn der Herr offenbart sein wird, werden wir mit Ihm offenbar werden in der Herrlichkeit.
Kinder müssen warten lernen und auch wir wollen warten auf die Herrlichkeit und uns nicht mehr hinunterdrücken lassen durch das mancherlei Schwere. dass in unseren Weg kommt, sondern wir wollen uns im Gegenteil dadurch hinaufziehen lassen. Es kommt nur darauf an, dass man allem die rechte Seite abgewinnt. „Näher mein Gott zu Dir, näher zu Dir!“ - tiefer hinein ins Wort, um zu überwinden!
Offenbarung 12 redet von Söhnen, die so ganz in die Abhängigkeit von Jesus eingegangen sind, dass er sie eben durch diese Abhängigkeit von Ihm zu männlichen Gestalten, zu Überwindern hat machen können. „Denn wir wissen, dass dieser Zeit Leiden nicht wert sind der Herrlichkeit, die an uns soll geoffenbart werden.“ Auf der einen Seite ist Herrlichkeit, auf der anderen Verwesung. „Denn wir wissen…“ Gottlob, dass alles Glauben allmählich auch ein Wissen wird und immer mehr ein Wissen ist! „Ich halte dafür,“ übersetzt Luther in Vers 18. Es hat ja jeder Mensch seine eigene Lebensanschauungen und seinen Standpunkt, aber wenn der Apostel sagt: „Ich halte dafür“, so ist sein dafürhalten massgebend für uns, dass wir in dieselbe Anschauung eintreten und das Leben so ansehen lernen, wie er es angesehen hat. Wer dabei stehen bleibt, ob er etwas mehr oder etwas weniger durchzumachen hat, der verliert früher oder später den Mut. Haben auch nicht alle gleichschwer durchzugehen, so haben die Menschen doch im allgemeinen viel Mühe und Not zu erdulden, seit dem Sündenfall.
Nicht umsonst hat Gott zu Adam gesagt: „Im Schweisse Deines Angesichts sollst du dein Brot essen.“ Und doch liegt im tiefsten Grunde in solcher Mühsal ein Segen, eine Bewahrung. Sieht man die Leiden an sich an, so könnte man dadurch wohl niedergedrückt werden, aber es ist alles relativ. Was wir auch zu erdulden haben es steigt in eine Waagschale doch hoch in die Höhe, wenn wir in die andere die Herrlichkeit legen, zu der wir durchdringen durch Leiden. Jetzt ist unser Leben in Christo in Gott verborgen und es geht durch mancherlei Übungen. Das ist Ausbildung für die Herrlichkeit. Auch sind wir nicht die Einzigen, die da leiden. Mit uns leidet die ganze Kreatur.
Auszug aus seinem Buch „Aus Glauben in Glauben“)
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