Vers 30: „Ich kann nichts von mir selbst tun", sagt Jesus, der Sohn Gottes — und wir armen Menschenkinder wollten uns einbilden, etwas aus uns selbst tun zu können, mehr leisten zu können als andere, große Dinge vollbringen zu können? Nur Einer ist gut, der lebendige Gott. „Ich kann nichts aus mir selbst", hat unser Heiland gesagt. Es muß uns das auch eine sittliche Unmöglichkeit sein. Wir müssen unseren völligen Bankerott erklären und dann schöpfen aus Seiner Fülle. „So wie ich höre, richte ich." Die Richter dieser Welt richten nach dem Gesetzbuch, nicht nach ihren Eindrücken. Da sind scharfe Linien gezogen. An diese halten sie sich, sonst verfallen sie selbst dem Gericht. Aber der Herr kann und will und darf nichts aus sich selbst tun. Es ist Ihm eine Unmöglichkeit um Seiner Sohnesstellung willen. Er würde damit den Vater zurücksetzen. Er bleibt in der Botmäßigkeit. Er geht mit allem zum Vater. Und hat E r so völlig in der Abhängigkeit vom Vater gelebt, so haben wir es um so mehr nötig, wenn wir anderen Göttliches mitteilen wollen.
„So wie ich höre, richte ich . . ." Nicht wie die Menschen es mir darstellen, sondern wie der Vater es mir erklärt und mich handeln heißt. Er hängt an des Vaters Mund, und da kann Ihn nichts herausbringen. Er hört beim Richten nicht nur auf die Menschen. Ein Richter muß alle Zeugen hören, ehe er sein Urteil sprechen kann; der Herr aber hört nicht nur menschliche Zeugen, sondern Er hat Zeugen im Himmel, Seinen Vater und den Heiligen Geist. Mit Ihm zusammen richten der Vater und der Geist, darum ist Sein Gericht recht; denn Er gibt nie Seiner eigenen Auffassung, Seiner persönlichen Sympathie oder Antipathie oder irgend einer vorgefaßten Meinung über den Angeklagten Raum, sondern hält bei allem Hören auf Menschen das Ohr vor allem offen für die Winke des Vaters und läßt sich in Lagen, wo nur Gott das Wahre vom Falschen unterscheiden kann, vom Vater leiten.
„Nicht meinen Willen suche ich." Das lernen wir vom Heiland und im Umgang mit Ihm, nicht unsern eignen Willen durchsetzen zu wollen, sondern in allen Fällen den Willen Gottes zu tun — den Willen dessen, der den Sohn gesandt hat, und der auch uns sendet. Dann ist unser Zeugnis nicht mehr unser Zeugnis, sondern wir zeugen nach dem, wie der Vater uns leitet, und wie Er uns die Verhältnisse verstehen und die Geister unterscheiden lehrt — das heißt: mit dem richtigen Ein- und Durchblick. Wir lassen uns leiten von dem, der die Herzen kennt, und der den Menschen dahin führen kann, daß er sich offenbart nach seinem innersten Wert und Gehalt, auf daß kund werde, ob er ein Wahrheitskind ist oder ob er noch verborgene Unlauterkeit und Heuchelei beherbergt.