Behandelter Abschnitt Hag 2,10-12
Die Offenbarung im ersten Kapitel war dazu bestimmt, das Gewissen des Überrestes zu treffen. Der vorliegende Abschnitt enthält eine weitere Ermahnung1. Möchten wir, wie der Überrest, die erste verstanden haben! Ach, die Zeit sollte kommen, wo die Nachkommen dieses Überrestes den Ersehnten der Nationen, ja ihren eigenen Messias kreuzigen würden, obwohl sie gerade zu dem Zweck nach Jerusalem zurückgeführt worden waren, um Ihn aufzunehmen! Auch wurde der Leuchter Israels von seiner Stelle weggenommen und das Volk selbst weit über Babylon hinaus weggeführt. So ergeht es jedem untreu gewordenen Zeugnis. Gott braucht uns nicht für Sein Zeugnis! Wenn wir es geringschätzen, vertraut Er es anderen Händen an. Hat Er nicht im Blick auf Israel gesagt: „Er wird seinen Weinberg anderen geben“?
In der ersten Offenbarung geht es um Eigenliebe und Selbstsucht, in der dritten um Heiligkeit. Vor Gott besitzen wir eine unveränderliche Heiligkeit in Christus und eine unantastbare Gerechtigkeit, weil wir in Ihm Gottes Gerechtigkeit geworden sind. Aber wir sind auch berufen diese Gerechtigkeit und diese Heiligkeit, die wir unserer Stellung nach besitzen, im praktischen Leben hier auf der Erde zu verwirklichen. Eine wirkliche Trennung von allem Bösen und eine lebendige Gemeinschaft mit Gott, dem Vater und dem Sohn – das ist praktische Heiligkeit. An dieser Heiligkeit hatte es dem Überrest gemangelt, und einig Jahre später sollte das in einer noch viel betrüblicheren Weise zum Vorschein kommen. Sie verunreinigten sich, indem sie die Töchter der Kanaaniter heirateten (Esra 9 und 10), den Sabbath brachen und das Priestertum entweihten (Neh 13). Im Blick auf das letztere richtet Haggai die folgende Frage an die Priester: „Siehe, wenn jemand heiliges Fleisch im Zipfel seines Gewandes trägt, und er mit seinem Zipfel Brot oder Gekochtes oder Wein oder Öl oder irgendeine Speise berührt, wird es heilig werden? Und die Priester antworteten und sprachen: Nein“ (Hag 2,12). Er legt ihnen also den Fall eines Menschen vor, dem das heilige Fleisch, das er in seinem Mantel trägt, den Charakter äußerer Heiligkeit verleiht. Wird nun dadurch die Frucht seiner Arbeit (Brot, Öl, Wein oder andere Produkte menschlicher Tätigkeit) geheiligt werden? Keineswegs. Soll eine Arbeit Gott wohlgefällig sein, muss sie die Frucht innerer Heiligkeit sein. Gott erkennt nur das als für Ihn getan an, was aus dieser Quelle hervorfließt. Keine Stellung äußerer Heiligkeit, kein noch so schönes Bekenntnis macht unsere Arbeit angenehm vor Gott. Das ist eine ernste Sache, über die es sich lohnt, nachzudenken. Gerade in unseren Tagen leben so viele bekennende Christen in der Illusion, dass Gott ihre karitativen Bemühungen als für Ihn getan anerkennen werde.
1 Wie bereits erwähnt, enthält das Buch Haggai vier Offenbarungen. Die erste und dritte sind Zurechtweisungen, die zweite und vierte prophetische Ermunterungen.↩︎