Behandelter Abschnitt 2. Mose 30,1-10
Der Gottesdienst
Der goldene Altar
Nachdem in den beiden vorhergehenden Kapiteln das Priestertum eingesetzt worden ist, werden wir hier mit dem wahren priesterlichen Gottesdienst und mit wahrer Gemeinschaft bekannt gemacht. Dabei ist die Reihenfolge beachtenswert; sie stimmt mit der praktischen Erfahrung des Gläubigen überein. Am kupfernen Altar sieht der Gläubige seine Sünden in Asche verwandelt, dann erkennt er, wie er mit Christus verbunden worden ist, der in sich selbst so rein und fleckenlos war, dass Er ohne Blut gesalbt werden konnte; und schließlich erblickt er in dem goldenen Altar die Vortrefflichkeit Christi, in der Gott für alle Ewigkeit sein vollkommenes Wohlgefallen findet.
So ist es immer. Es muss ein kupferner Altar und ein Priester vorhanden sein, bevor es einen goldenen Altar und Weihrauch geben kann. Viele Kinder Gottes sind nie über den kupfernen Altar hinausgekommen. Sie haben noch nie durch den Geist die Kraft und Wirklichkeit eines wahren priesterlichen Gottesdienstes erfahren. Sie haben kein klares Bewusstsein der Vergebung und Rechtfertigung. Sie haben niemals den goldenen Altar erreicht. Sie hoffen ihn einmal zu erreichen, wenn sie sterben, während es doch ihr Vorrecht ist, schon jetzt dort zu stehen.
Das Werk des Kreuzes hat alles aus dem Weg geräumt, was einen freien und einsichtsvollen Gottesdienst verhindern konnte. Die gegenwärtige Stellung aller wahren Gläubigen ist an dem goldenen Räucheraltar. Dort erfahren wir die Wirklichkeit und die Wirksamkeit der Fürbitte Christi. Nachdem unser eigenes Ich in dem Tod Christi für immer ein Ende gefunden hat und wir deshalb nichts Gutes mehr von uns selbst erwarten, sind wir berufen, uns mit dem erhöhten Christus zu beschäftigen, so wie Gott ihn sieht. Das eigene Ich wirkt nur verunreinigend, sobald es sich offenbart. Es ist daher im Gericht Gottes verurteilt und beiseitegesetzt worden, und nicht ein Stäubchen davon ist in dem geläuterten Weihrauch und in dem Feuer auf dem Altar von reinem Gold zurückgeblieben.
Das Blut Jesu hat uns die Tür ins Heiligtum geöffnet und uns zu der Stätte priesterlichen Dienstes und priesterlicher Anbetung gebracht, wo keine Spur von Sünde mehr zu entdecken ist. Dort sehen wir den reinen Tisch, den reinen Leuchter und den reinen Altar, dort gibt es nichts, was uns an das Ich und sein Verderben erinnern könnte. Wenn noch irgendetwas von unserem Ich dort vorhanden wäre, so würde das unserer Anbetung den Todesstoß geben, unsere priesterliche Speise verderben und unser Licht verdunkeln. Die alte Natur kann keinen Platz im Heiligtum Gottes haben. Sie ist mit allem, was zu ihr gehört, zu Asche verbrannt worden, und jetzt sind wir berufen, das zu Gott emporsteigende, duftende Räucherwerk, d. h. Christus zu genießen. Das ist es, woran Gott Wohlgefallen findet. Alles, was die Herrlichkeit der Person Christi darstellt, ist lieblich und angenehm vor Gott. Selbst die schwächste Darstellung Christi im Leben oder in der Anbetung eines Heiligen ist ein duftender Wohlgeruch, Gott angenehm und wohlgefällig.
Nur zu oft haben wir uns leider mit unseren Mängeln und Schwächen zu beschäftigen. Haben wir irgendwie der in uns wohnenden Sünde gestattet, sich zu offenbaren, so müssen wir dies vor Gott bekennen, denn Er kann Sünde nicht dulden. Er kann sie vergeben und uns von ihr reinigen, Er kann unsere Seelen wiederherstellen durch den Dienst unseres großen und barmherzigen Hohenpriesters, aber Er kann nicht mit einem einzigen sündhaften Gedanken in Gemeinschaft sein. Ein leichtfertiger und törichter Gedanke genügt ebenso wie ein böser Wunsch oder ein unreiner Gedanke, um unsere Gemeinschaft zu unterbrechen und unsere Anbetung zu stören. Sobald ein solcher Gedanke in uns aufsteigt, muss er bekannt und verurteilt werden, denn es ist unmöglich, die Gemeinschaft mit Gott im Heiligtum zu genießen und gleichzeitig irgendwelchen bösen Gedanken nachzugehen. Wenn wir uns in dem geziemenden priesterlichen Zustand befinden, so ist es, als ob die alte Natur nicht mehr bestehe, und dann können wir das göttliche Glück erfahren, von uns selbst befreit und nur mit Christus erfüllt zu sein.
Alles das kann nur durch die Macht des Geistes hervorgebracht werden. Die äußeren Mittel einer menschlichen Religion können wohl andächtige Gefühle erzeugen, sie kommen aber aus dem Fleisch. Es muss reines Feuer und reiner Weihrauch vorhanden sein. Jede Anstrengung, Gott mit den unheiligen Kräften der menschlichen Natur anzubeten, gehört zu dem Begriff des „fremden Feuers“ (vgl. 3Mo 10,1 mit 3Mo 16,12). Gott ist der Gegenstand, Christus die Grundlage und der Inhalt, und der Heilige Geist die Kraft der Anbetung.
Wie wir denn, genau gesprochen, in dem kupfernen Altar Christus in dem Wert seines Opfers erblicken, so sehen wir in dem goldenen Altar den Wert seiner Fürbitte. Diese Tatsache macht auch verständlich, warum der priesterliche Dienst gleichsam zwischen den Altären steht. Es besteht natürlich eine enge Verbindung zwischen diesen Altären, denn die Fürbitte Christi ist auf sein Opfer gegründet. „Und Aaron soll einmal im Jahr für dessen Hörner Sühnung tun mit dem Blut des Sündopfers der Versöhnung; einmal im Jahr soll er Sühnung für ihn tun bei euren Geschlechtern: Hochheilig ist er dem Herrn „ (V. 10).
Alles ruht auf der unbeweglichen Grundlage des vergossenen Blutes. „Und fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz, und ohne Blutvergießung gibt es keine Vergebung. Es war nun nötig, dass die Abbilder der Dinge in den Himmeln hierdurch gereinigt wurden, die himmlischen Dinge selbst aber durch bessere Schlachtopfer als diese. Denn der Christus ist nicht eingegangen in das mit Händen gemachte Heiligtum, ein Gegenbild des wahrhaftigen, sondern in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen“ (Heb 9,22-24).