Behandelter Abschnitt 1Kor 10
Der Apostel richtet nun die Aufmerksamkeit der Korinther auf eine weitere Warnung, und zwar aus der Geschichte Israels. Die Israeliten hatten alle von derselben geistlichen Speise - wie er sie nennt - gegessen; sie erhielten das vom Himmel gesandte Manna. Sie tranken von demselben geistlichen Trank. Doch was wurde aus ihnen? Wie viele Tausende kamen in der Wüste um? Paulus nähert sich immer mehr dem Zustand der Korinther. Er begann damit, die Lehren zunächst auf seine eigene Person anzuwenden. Jetzt deutet er auf Israel als ein Volk hin, welches von Jahwe geheiligt war. Schließlich schreibt er jenes Wort: „Daher, wer zu stehen sich dünkt, sehe zu, daß er nicht falle. Keine Versuchung hat euch ergriffen, als nur eine menschliche; Gott aber ist treu“ (V. 12-13). Das ist ein großer Trost, aber auch eine große Warnung. „Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, daß ihr über euer Vermögen versucht werdet.“ Daher ist es sinnlos, die Umstände als Entschuldigung für eine Sünde anzuführen. „Mit der Versuchung [wird Gott]auch den Ausgang schaffen, sodaß ihr sie ertragen könnt. Darum meine Geliebten, ßiehet den Götzendienst.“ Paulus‘ Verfahrensweise ist demnach offensichtlich: Er begann seine charakteristische Unterweisung hinsichtlich ihrer wenig geübten Gewissen mit der Darstellung seiner eigenen Wachsamkeit über sein eigenes Verhalten und fuhr dann fort mit der Anführung der traurigen und ernsten Geschichte Israels unter dem Gericht des Herrn.
Danach betritt Paulus einen neuen Boden. Er geht ein auf die tieferen geistlichen Beweggründe und appelliert an die christlichen Zuneigungen sowie den Glauben. „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus?“ (V. 16). Er beginnt mit dem, was das Herz in ganz besonderer Weise berühren musste. Eigentlich wäre die Reihenfolge natürlicher gewesen, wenn ich so sagen darf, zu Beginn von dem Leib Christi zu sprechen; denn in dem Mahl des Herrn, wie wir es gewöhnlich feiern, wird uns zuerst der Leib und danach das Blut vorgestellt. Die Abweichung von der, wie wir es nennen mögen, historischen Reihenfolge erhöht unvergleichlich den Nachdruck. Denn der erste Appell gründet sich auf das Blut Christi, die Antwort der göttlichen Gnade auf das tiefste Bedürfnis einer Seele, die sich in ihrer Schuld vor Gott und bedeckt mit ihrer Verunreinigung vorfindet. Darf dies gering geschätzt werden? „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus?“
Der Apostel schreibt hier nicht „das Blut“ bzw. „der Leib des Herrn“. Das finden wir in Kapitel 11. In unserem Vers steht „Christus“, weil es um die Gnade geht. Der Ausdruck „Herr“ stellt den Gedanken der Autorität vor uns. Auf diese Weise schreitet der Apostel in Hinsicht auf sein Thema kräftig voran. Er schreibt nicht mehr nur von einem Unrecht an einem Bruder, sondern von dem Bruch der Gemeinschaft mit einem solchen Christus und von Gleichgültigkeit gegen seine unendliche Liebe. Aber Paulus vergisst auch nicht die Autorität des Herrn. „Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht des Herrn Tisches teilhaftig sein und des Dämonen-Tisches“ (V. 21). Es geht nicht einfach um die Liebe des Christus, sondern auch um seine volle Autorität als der Herr. Der Apostel stellt zwei gewaltige Mächte, die sich bekämpfen, in einen Gegensatz: Auf der einen Seite sehen wir die Dämonen, eine Macht, die viel stärker ist als der Mensch und die um letzteren auf der Erde streitet. Auf der anderen Seite steht der Herr aller, welcher sein Blut für die Menschen vergossen hat, aber auch die Lebenden und die Toten richten wird.
Zuletzt führt der Apostel seinen Gedankengang zu Ende mit einem sehr verständlichen und einfachen, aber auch die christliche Freiheit festhaltenden Grundsatz, nämlich dass wir beim Einkaufen auf dem Fleischmarkt keine Fragen zu stellen brauchen. Wenn ich nicht weiß, dass eine Speise in Verbindung mit einem Götzen steht, dann hat der Götze für mich keine Bedeutung. Sobald ich dies jedoch weiß, dann geht es nicht mehr um den Götzen, sondern um einen Dämon; und, seid dessen versichert, ein Dämon ist wirklich ein lebendiges Wesen. Auf diese Weise besteht der Apostel im Zusammenhang mit diesem Thema darauf, dass die angeberische Erkenntnis der Korinther zu kurz griff. Wenn immer eine Person prahlt, finden wir im Allgemeinen, dass sie gerade in der Sache versagt, deren sie sich am meisten rühmt. Falls jemand sich wegen seiner großen Erkenntnis in den Vordergrund stellt, dann müssen wir erwarten, dass er gerade darin versagen wird. Falls jemand seine außerordentliche Ehrlichkeit hervorhebt, dann fürchten wir, bald von einem großen Betrug seinerseits hören zu müssen. Das Beste ist, darauf zu achten, dass wir überhaupt nicht auf uns selbst vertrauen. Christus sei all unser Rühmen! Das Bewusstsein unserer Kleinheit und seiner vollkommenen Gnade ist der Weg, und zwar der einzige Weg, recht voranzuschreiten. „Dies ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. Wer ist es, der die Welt überwindet, wenn nicht der, welcher glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1Joh 5,4-5).