Behandelter Abschnitt 1Kor 9-11
In Kapitel 9 unterbricht Paulus den Lauf seiner Ausführungen mit einem Hinweis auf seine eigene Stellung als Apostel. Einige begannen, seine Apostelschaft anzuzweifeln. Er vergaß nicht im Geringsten seine Berufung durch den Willen Gottes zu seinem besonderen Dienst. Ebenso wenig war er gleichgültig gegen jene gesegnete Freiheit, in der er dem Herrn diente. Er hätte gleich anderen eine Schwester als Ehefrau umherführen können. Er hatte um des Herrn willen darauf verzichtet. Er hätte Unterstützung von der Kirche (Versammlung) Gottes erwarten dürfen. Er zog es vor, mit eigener Hand zu arbeiten. Diesbezüglich bittet er im zweiten Brief, dass sie ihm dieses „Vergehen“ vergeben möchten; denn er wollte von ihnen nichts annehmen. Sie befanden sich nicht in dem Zustand, dass ihnen ein solches Vorrecht gewährt werden konnte. Ihr Zustand war solcherart und Gott hatte es in seinen Wegen so geführt, dass der Apostel keine Unterstützung von ihrer Seite akzeptiert hatte. Diese Tatsache benutzte Paulus, um sie wegen ihres Stolzes und ihrer Leichtfertigkeit zu demütigen.
Der Lauf dieses Kapitels berührt also Paulus‘ apostolische Stellung und gleichzeitig seinen Verzicht, ihre Vorrechte zu nutzen. Die Gnade kann auf ihre Rechte verzichten. Indem sie daran denkt, was sich gehört, verteidigt sie die Rechte anderer und weigert sich, ihre eigenen zu nutzen. In diesem Geist und Glauben handelte der Apostel. Danach schildert er seine Gedanken hinsichtlich des praktischen Zustands und des Wandels. Statt von seiner Erkenntnis erfüllt zu sein oder seinen Platz in der Kirche ausschließlich zur Geltendmachung seiner Würde und zur Vermeidung von allen Schwierigkeiten und Leiden hienieden zu gebrauchen, stellte er sich im Gegenteil unter das Gesetz, um solche, die unter dem Gesetz stehen, zu erreichen. Er wurde wie ein Nichtjude, um einen vom Gesetz freien Menschen, d. i. einen Heiden, zu gewinnen. So wurde er der Diener aller, um einige zu erretten. Außerdem lässt er die Korinther den Geist eines Knechtes kennen lernen, welcher bei ihnen trotz ihrer Gaben so fehlte. Denn es geht dabei nicht um den Besitz einer Gabe, sondern um die Liebe, welche recht dient und ihre Freude im Dienst findet. Die einfache Erkenntnis, eine Gabe zu besitzen, führt häufig zu Selbstgefälligkeit. Das Wichtigste ist, den Herrn vor sich zu haben; und wenn wir an andere denken, so geschieht dies in einer Liebe, die es nicht nötig hat, nach Größe zu trachten oder letztere vorzuspiegeln. Die Liebe Christi beweist ihre Größe durch den Dienst an anderen.
Dieser Geist wirkte also in jenem gesegneten Diener des Herrn. Er erinnert seine Leser an einen weiteren Punkt, nämlich dass er sorgfältig seinen Leib in Knechtschaft hielt. Er glich einem Wettläufer, der vor seinem Lauf stand und das Training seines Körpers pflegte. Er benutzt die stärksten Worte: „Auf daß ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt, selbst verwerßich werde“ (V. 27). Beachten wir den Takt des Apostels! Wenn er etwas Unerfreuliches zu sagen hat, dann zieht er es vor, dieses auf sich selbst anzuwenden. Erfreuliche Dinge hingegen verbindet er gerne mit anderen Menschen. So schreibt er hier: „Auf daß ich nicht . . . selbst verwerßich werde.“ Er sagt nicht: „ihr“. Zweifellos ging es um ihren Nutzen. Paulus wollte, dass ihr Gewissen erforscht würde.
Wenn sogar Paulus sich darin übte, ein Gewissen ohne Anstoß zu haben - wenn sogar Paulus seinen Leib in Knechtschaft hielt wieviel mehr dann die Korinther? Sie missbrauchten alle Segensmittel, welche das Christentum gebracht hatte, um angenehm zu leben und modern ausgedrückt - den feinen Mann (engl. Gentleman) zu spielen. Sie waren nicht im Geringsten in den Geist der sittlichen Herrlichkeit Christi in Demut hienieden eingedrungen. Sie hatten das Kreuz aus dem Christentum entfernt und sich von der wahren Kraft des Dienstes abgewandt. So waren sie in der größtmöglichen Gefahr. Doch der Apostel, dem die Glückseligkeit Christi und die Gemeinschaft seiner Leiden wie nur wenigen anderen Gläubigen vor Augen stand, sogar er gebrauchte alle Herzenssorgfalt und kontrollierte sich mit festem Zügel. Als treuer Mann, der er war, erlaubte er sich keine dieser Freizügigkeiten. Er schätzte die Freiheit. Diese bestand indessen keineswegs darin, hierhin und dorthin zu den Götzenfesten zu gehen. Er war frei, um Christus zu dienen; und die Zeit war kurz. Was hatte ein Mann wie er mit heidnischen Tempeln zu tun?
Paulus wollte, dass sie ihre Gefahr erkannten. Er begann indessen mit seiner eigenen Person. Er war zwar frei, aber auch wachsam. Er wachte umso eifersüchtiger über sich selbst, je mehr ihm die Gnade gezeigt wurde. Keinesfalls bezweifelte er im Geringsten seine Sicherheit in Christus (wie manche Menschen törichterweise sagen) oder dass Erlöste das ewige Leben niemals verlieren können. Es ist jedoch offensichtlich, dass häufig Menschen, welche eine Stellung einnehmen, als hätten sie ewiges Leben, diese später aufgeben. Wer ewiges Leben hat, beweist dies durch sein Gott gemäßes Leben. Wem dieser Besitz fehlt, zeigt es durch Mangel an praktischer Heiligkeit und dem Fehlen jener Liebe, die von Gott kommt. So offenbarte der Apostel, dass seine ganze Erkenntnis der Wahrheit ihn nicht im Geringsten sorglos machte. Stattdessen veranlasste sie ihn zu noch größerem Ernst und zu täglicher Selbstverleugnung. Das ist eine wichtige Erwägung für uns alle, insbesondere für die jungen Geschwister in Tagen wie den unseren. Je größer die Erkenntnis der Gläubigen, desto mehr müssen sie die Ausführungen des Apostels im Blick behalten.