Behandelter Abschnitt Eph 2
Wir kommen nun zum zweiten Kapitel, aber wir müssen auf das erste zurückblicken, um den Gedankengang klar zu sehen. Wir hatten festgestellt, daß wir zwischen der himmlischen Berufung und der Berufung der Versammlung unterscheiden müssen. Die Versammlung hat eine himmlische Berufung; aber daraus folgt nicht, daß alle, die eine himmlische Berufung haben, auch die Berufung der Versammlung haben. Die himmlische Berufung entstand gleichsam aus der Enttäuschung Gottes im Blick auf die Erde. Die Erde war Adam anvertraut worden. Er verwirkte das Anrecht auf diese Stellung; daraufhin führt Gott Seine Erwählten in den Himmel ein.
Gott fand einen anderen Weg, Seine Auserwählten zu segnen. Wenn die Erde verderbt ist, wo sollen dann Seine Heiligen bleiben? Der Gott aller Gnade sagt: Ich weiß, wie ich für sie Vorsorge treffen will; ich werde sie in den Himmel bringen. Nie ist es so, daß der Herr etwas Zerbrochenes nur wiederherstellt. Aus dem Ruin bringt Er etwas Besseres hervor. So wurde durch den Verlust der Erde der Himmel geöffnet; und der himmlische Mensch findet sich in einer besseren Stellung wieder, als wenn er die Erde nie verloren hätte.
Gott handelt auf zwei verschiedene Weisen mit der Erde: in Form von Regierung und indem Er Menschen herausruft - Bürgerrecht und Fremdlingschaft wechseln sich ab. Bürgerrecht ist an der Reihe, wenn Gott sichtbar mit der Erde handelt und die Verhältnisse auf der Erde ordnet. Bei der Fremdlingschaft ruft Gott Menschen aus den irdischen Dingen heraus. Er hat die Versammlung jetzt zur Fremdlingschaft berufen. Dies lenkt unsere Gedanken auf die gegenwärtige Haushaltung. Wir erkennen, wie es bei Gott zu dieser Handlungsweise in der jetzigen Haushaltung kam. Die Erde ist besudelt; und es bleibt Gott gewissermaßen keine andere Wahl, als Sich selbst und Sein Volk in den Himmel zu versetzen. Wir leben jetzt in einer Haushaltung ausgesprochener Fremdlingschaft. Aber die Versammlung (Gemeinde) ist mehr als nur das. Mose und Abraham zum Beispiel wurden als Zeugen der himmlischen Berufung in den Himmel aufgenommen. Kapitel 1 dieses Briefes führt einen neuen Gedanken ein. Wir befinden uns nicht nur im Himmel, sondern sind in Christus im Himmel. Untersuche einmal, wie oft das Wort „in“ in diesem Kapitel vorkommt. Wir sind gesegnet in himmlischen Örtern in Christus - angenehm gemacht in dem Geliebten. Gott hat uns in Ihm auserwählt, in Ihm haben wir ein Erbteil erlangt. Wir sind in Christus auferweckt. Wir sind in Ihm in die himmlischen Örter versetzt; und wenn unsere Zeit auf Erden zu Ende ist, werden wir uns als Miterben in Christus wiederfinden. Das ist etwas Neues; das ist der Leib Christi und eine der Besonderheiten der Versammlung.
Vielleicht dürfen wir uns eine kleine Abschweifung erlauben. Bei der Beweisführung im Galaterbrief und im Hebräerbrief werden wir mit Abraham in Verbindung gebracht. Ganz anders ist das im Epheserbrief. Das ist die göttliche Genauigkeit des Heiligen Geistes. Im Galaterbrief haben wir nicht die Versammlung; da werden uns Sohnschaft und Erbschaft vorgestellt. Ich zweifle nicht daran, daß Abraham so vollkommen war wie ich es bin. Aber in dem Augenblick, wo der Heilige Geist den Leib Christi offenbart, bleibt für Abraham kein Raum, und wir verlieren ihn aus dem Blick. Ich sehe dich und mich, aber nicht Abraham.
Haben diese Unterscheidungen nichts zu bedeuten? Kann ich mich in die Gegenwart dreier solcher erhabener Zeugen für die Gedanken Christi begeben und diese Dinge nicht sehen? Ich habe keine Berechtigung, zu behaupten, daß Abraham einen Platz in der Versammlung einnimmt. Ich möchte dich einmal fragen: Entspricht das dem, was du erwartet hast? Gibt es im Handeln Gottes etwas Vergleichbares? Ich denke ja. Bald wird die Herrlichkeit des Herrn die ganze Erde erfüllen. Alle Nationen werden sich Seinem Szepter beugen. Die Erde wird voll sein der Erkenntnis des Herrn, gleichwie die Wasser den Meeresgrund bedecken. Aber ist das alles, was sich im Tausendjährigen Reich auf der Erde ereignet? Nein, da sind die zwölf Stämme, und zwar in einem besonders nahen Verhältnis. Das Land Israel wird zu Gott in besonderer Beziehung stehen. Und in der Mitte der Stämme wird es ein königliches, ein priesterliches Volk geben. Dies ist eine weitere Scheidung. Und dann ist da noch Jerusalem. Niemand kann die prophetischen Aussagen lesen, ohne zu sehen, daß Jerusalem seinen besonderen Platz bekommen wird, und zwar in voller Schönheit. „Jehova liebt die Tore Zions mehr als alle Wohnungen Jakobs.“ Auf der Reise zum Himmel darf ich daran denken, daß ich dort ähnliche, von Gott gegebene Verschiedenartigkeiten - jede in vollendeter Schönheit - finden werde. Da ist die edle Schar der Märtyrer, der ansehnliche Kreis der Propheten. Wie aber Jerusalem auf Erden den ersten Platz einnehmen wird, so wird es die Versammlung im Himmel tun. So sind wir vielleicht vorbereitet auf das, was die Schrift als „das Geheimnis“ offenbart.
Erinnern wir uns an das, was zu Israel gesagt wurde, als es zwischen dem Roten Meer und den Heerscharen Ägyptens stand? „Stehet und sehet die Rettung Jehovas!“ Sie waren der grausigen Bedrohung durch den Todesengel entgangen. Sie waren von Gott gerettet worden; aber Gott hatte Geheimnisse in der Wolke, die Er ihnen noch nicht enthüllt hatte. Eine Herrlichkeit trat da in Erscheinung, die die Heerscharen im Roten Meer verwirrte. Auf der einen Seite wurden von der Wolke aus die Räder von den ägyptischen Wagen gestoßen. Auf der anderen Seite ließ Gott Wälle wie aus Kristall zu beiden Seiten der Israeliten stehen. So sehen wir im Epheserbrief nicht die Rechtfertigung durch Blut, sondern die wunderbare Entfaltung des Vorsatzes Gottes. Wie gesegnet sind diese göttlichen Wege! Sind wir damit zufrieden, zu wissen, daß das Blut auf der Türschwelle uns befreit hat? Darauf beruht alles andere; trotzdem sage ich: Stehe still und betrachte die Geheimnisse - geh und untersuche die Herrlichkeit in der Wolke vor dir. Das ist die Haltung, die wir bei der Betrachtung des Epheserbriefes einnehmen sollten.
Beachten wir wohl: in dem Augenblick, da die Geschichte Israels in der Babylonischen Gefangenschaft zunächst ihr Ende nahm, wich die Herrlichkeit. Die Herrlichkeit ging nie auf die Nationen über. Die Nationen erhielten das Schwert, aber nie kam die Herrlichkeit zu ihnen. Ein großer Teil unseres Verständnisses der Heiligen Schrift hängt davon ab, daß wir ihr gegenüber die rechte Haltung einnehmen. Es verleiht uns eine der Weisheit Gottes entsprechende Überlegenheit, wenn wir wissen, welchen Standpunkt wir einzunehmen haben. In Hesekiel sehen wir, wie die Herrlichkeit sich in den Himmel zurückzieht und das Schwert an die Nationen übergeht. Ist die Herrlichkeit jemals zurückgekehrt? Ja, aber nicht, um das Schwert des Kaisers zu begleiten, sondern eingehüllt in die Erniedrigung des Mannes von Nazareth. Das Schwert hatte es nicht fertiggebracht, auf der Erde Ordnung aufrecht zu erhalten. Wir wissen, wo die Herrlichkeit weilt. Sie hat nicht das Schwert des Kaisers begleitet, wie das bei dem Schwert Davids und Salomos der Fall war. Die Herrlichkeit ist jetzt noch ebensoweit von dem Schwert entfernt wie damals, als sie sich vor Hesekiel in den Himmel erhob und das Schwert an die Nationen überging. Die jetzigen Mächte sind nicht von Jesus eingesetzt, sondern von Gott als Gott. Alle Macht gehört Gott; Er ist der Allerhöchste. Als Jesus Gott kundmachte, da war es Gott unter gewissen Bedingungen und in gewissen Beziehungen. Alle Würden gehören rechtmäßig dem Herrn Jesus. Aber wir könnten nicht zu Ihm aufblicken und Ihn jetzt König der Könige und Herr der Herren nennen. Die Religion des Überrests lautet zusammengefaßt: „Gib dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist.“ In einer Theokratie gibt es zwischen dem Kaiser und Gott keine Kluft. Heute muß ich den Bereich Gottes und auch den des Kaisers anerkennen. Ich muß das Nebeneinander und Durcheinander beider Sphären zur Kenntnis nehmen und nicht glauben, die Herrlichkeit sei zurückgekehrt und habe sich mit dem Schwert verbunden. Sonst würde Jener, der sagte: „Wer hat mich zu einem Richter oder Erbteiler über euch gesetzt?“ in dieser Welt eine ganz andere Person gewesen sein.
Können du und ich die Einheit und Verschiedenartigkeit des Wortes Gottes entdecken? Es ist ein wunderbares Ganzes, aber unendlich in seiner Vielfalt.
Nachdem wir unsere Stellung erkannt haben, wenden wir uns nun zum zweiten Kapitel. Wir werden hier ein wenig unten auf der Erde gesehen, aber nur, um eine bedeutende Wahrheit zu erkennen. Wir sollen sehen, woraus wir berufen wurden. Das Kapitel zerfällt in drei Teile. Von Vers 1-7 geht es um Tod und Leben, von Vers 8-10 um das Thema der guten Werke, und von Vers 11 bis zum Ende um Gottesferne (Entfremdung) und Nähe.
Was für Leute waren wir, als Gott uns ergriff und in den Leib Christi taufte? Der Tod kennzeichnete unsere Lage - ein tiefer moralischer Ruin. Wie lautet das Urteil, das über uns verhängt wurde? „Tot in Vergehungen und Sünden“. In was für eine Stellung aber sind wir durch Christus gebracht worden? Der Gegensatz ist einfach großartig. Leben höchster Ordnung ist uns verliehen. Wir sind mit Christus Selbst verbunden. Wie passend ist es da, uns im ersten Kapitel unsere hohe Berufung zu zeigen und uns dann im zweiten Kapitel die Tiefen vor Augen zu führen, aus denen heraus wir berufen wurden. Unser Todeszustand von Natur aus konnte nicht niedriger sein unser Lebenszustand in Christus kann nicht erhabener sein.
Ein anderes Thema sind die guten Werke, und ich freue mich außerordentlich über die Schönheit dessen, was wir lesen: „nicht aus Werken, auf daß niemand sich rühme“. Sollte sich jemand guter Werke rühmen wollen, so gelten sie nichts vor Gott. Aber du bist von Gott so geschaffen worden, daß du die guten Werke einfach hervorbringen mußt. Auch der 1. Brief des Johannes berichtet uns darüber. Die Tatsache, daß wir eine neue Schöpfung sind, garantiert die guten Werke.
Am Ende des Kapitels kommen wir dann zu dem Thema Entfremdung und Nähe. Das ist genäu wie Tod und Leben. Zwei Dinge haften uns an: in unserer eigenen Person ist es Tod oder Leben; in unserer Beziehung zu Gott entweder Entfremdung oder Nähe. Ich blicke auf mich selbst und sehe den Tod in mir. Was aber das Leben angeht, so ist mir die höchste Form des Lebens zuteil geworden, die ein Geschöpf nur genießen kann. Meine Gott-Entfremdung von Natur aus konnte nicht größer sein: „ ... ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt“. Im Grunde genommen waren wir von Ihm „abgeschnitten“; die Nähe, die ich in Christus besitze, ist unaussprechlich. Sie könnte gar nicht vollkommener sein. Es ist schon recht, wenn wir gering von uns denken; aber der Wert Christi ruht auf jedem Stein des Tempels. Der ganze Tempel wird im Herrn erbaut, und was für eine Herrlichkeit ruht auf ihm? Der Heilige Geist wohnt in ihm.
So haben wir nun die zwei ersten Kapitel kurz betrachtet. Das erste entfaltet unsere Stellung in Christus. Das zweite Kapitel führt uns beiseite und läßt uns auf uns selbst blicken. Gott zeigt mir zuerst, daß ich von Natur aus tot war - dann, daß ich Gott völlig entfremdet war. Dann dreht Er die Sache um und zeigt mir, was für eine Art von Leben ich erhalten habe und in welch innige Nähe ich gebracht bin. Und da gibt es nicht einen einzigen schwachen Punkt oder irgendeine Unklarheit. Hast du schwache Gedanken? Sie gehören zur alten Natur. Sie stammen nicht vom Heiligen Geist. Sie sind nicht die Ratschlüsse Gottes über dich. Er ist nicht schwach, wenn Er dir deine natürliche Stellung aufzeigt. Gleicherweise ist Er stark, wenn Er dir deine Stellung in Christus zeigt.