Behandelter Abschnitt Lk 9,51-62
Mit Vers 51 beginnt der vierte Teil dieses Evangeliums und die Reise des Herrn Jesus nach Jerusalem. Lukas erwähnt als Einziger die näheren Umstände, unter denen dieser Weg begann. Deshalb erscheinen einige Bemerkungen über die moralische Anordnung der Ereignisse angebracht.
Der Abschnitt, der mit Vers 51 anfängt, steht in enger Beziehung zu den Versen 49 und 50, wo wir lesen, dass Johannes den Herrn auffordert, jenem Mann zu wehren, der in Seinem Namen Dämonen austrieb, obwohl er dem Herrn nicht mit ihnen nachfolgte. Unter dem Vorwand des Eifers für Christus wollten die Jünger diesen Einzelgänger in die Schranken weisen und zum Schweigen bringen; doch der Herr musste Johannes sein Ansinnen abschlagen. Unter dem gleichen Vorwand wollten nun die Jünger die ungläubigen Bewohner jenes Dorfes der Samariter mit Feuer verzehren, aber der Herr Jesus musste ihnen das eine wie das andere verweigern. Wir finden hier von Neuem bestätigt, dass die Erzählungen nach moralischen Gesichtspunkten zusammengestellt sind, gleichzeitig wird aber ein besonderer Abschnitt in dem Pfad unseres Herrn eingeleitet.
Die Verklärung auf dem Berg scheint den Anlass dazu gegeben zu haben, denn der Herr tritt Seinen Weg nach Jerusalem in dem Bewusstsein an, dass er Ihn zur Herrlichkeit führt. „Die Tage seiner Aufnahme“ erfüllten sich, und es war die Zeit gekommen, dass Er wieder in die Herrlichkeit hinaufgehen sollte. In diesem Bewusstsein scheint der Herr nun zu wandeln, indem Er Boten vor Seinem Angesicht her sendet, die gleichsam den Weg bereiten sollen, welcher der vor Ihm liegenden Herrlichkeit angemessen ist. Der Wagen Gottes stand gewissermaßen schon in Jerusalem bereit, um Ihn emporzutragen (Kap. 24,51), und die Menschen sollten nun Seinen Weg von dem Ort, an dem Er sich gerade befand, nach jener Stadt zubereiten.
Die Welt sollte geprüft werden, ob sie Seinen Anspruch auf diese Herrlichkeit anerkennen würde oder nicht, wie Er später Israel erprobte, ob es Seine Stellung als König in Zion anerkennen würde (Kap. 19,28). Aber weder wollte die Welt Ihn anerkennen noch Israel Ihn aufnehmen. Die Welt war auf Seine Ansprüche nicht vorbereitet, das kommt in dem Verhalten der samaritanischen Dorfbewohner zum Ausdruck; sie kümmerten sich nicht um Seine himmlische Herrlichkeit - „Komm herauf, Kahlkopf! Komm herauf, Kahlkopf!“ war dem Sinn nach wiederum die Sprache der Welt (2Kön 2,23).
Die Jünger, die die Gedanken des Herrn bei dieser eindrucksvollen Begebenheit in etwa verstanden haben mochten, sahen in Ihm einen zweiten Elias auf dem Weg zum Wagen Israels und versuchten, Ihn in ihrem Ärger über die unwürdige Behandlung seitens der Samariter zu bewegen, so zu handeln, wie es Elias mit den Obersten und ihren Fünfzig getan hatte. Aber der Weg des Sohnes des Menschen musste im Augenblick ein ganz anderer sein. Er wollte den Weg zur Herrlichkeit lieber durch Leiden gehen als durch Gericht über die Welt. Deshalb wies Er die Gedanken der Jünger zurück und beugte Sein Haupt unter die Verachtung der Menschen, indem Er als der verworfene Christus nach einem anderen Dorf ging.
In diesem Charakter nimmt der Herr nun Seinen Weg von Neuem auf. Kein Bewusstsein von Herrlichkeit erfüllt jetzt Seine Seele, wie es vorher der Fall gewesen war. Die Samariter hatten den Gang Seiner Gedanken verändert, und Er geht weiter, verachtet und verworfen von den Menschen, die mit vollem Bedacht ihre Angesichter von Ihm abwandten und ihre Türen vor Ihm verschlossen. Hatte schon Paulus durch die Gnade Gottes gelernt, sowohl erniedrigt zu sein als auch Überfluss zu haben, sowohl satt zu sein als auch zu hungern, sollten wir dies nicht in Vollkommenheit bei unserem teuren Herrn finden? Er wusste in dem einen Augenblick im vollen Bewusstsein Seiner ganzen Herrlichkeit zu handeln und im nächsten den Platz des verachteten Sohnes des Menschen einzunehmen. Er ging widerspruchslos und ohne Murren den Weg, den Ihm die verderbten Samariter anwiesen. Welch ein vollkommener Herr und gnadenreicher Heiland!
Auf dem Pfad der Verwerfung begegnet Er einigen Menschen, durch die unseren Seelen ein paar nützliche Belehrungen zuteil werden. Zwei von ihnen finden wir auch bei Matthäus (Kap. 8), aber nicht in derselben moralischen Verbindung wie hier.
Der Herr spricht mit jedem von ihnen in dem vollen Bewusstsein Seiner gegenwärtigen Verwerfung auf der Erde, und alle Seine Unterweisungen entsprechen diesem Charakter. Die Verwerfung des Herrn hat die Seinen auf einen neuen Platz, in neue Pflichten und in neue Beziehungen versetzt, die uns hier vorgestellt werden, damit alle, die Ihm angehören wollen, die Kosten überschlagen. Gerade die völlige Verwerfung ihres Herrn seitens der Welt bringt sie in die neuen Verhältnisse, und sobald der Herr in dieser Seiner jetzigen Stellung verstanden und erfasst wird, finden diese Dinge Eingang in die Seele. Dann gibt es für die, die zum Sohn Gottes außerhalb des Lagers hinausgegangen sind, kein Zurückblicken, keine Beziehungen zu Menschen „nach dem Fleisch“, und nur, wenn wir uns im Geist dort mit Ihm befinden, verstehen wir Ihn in in Wahrheit.
Alle diese ernsten und heiligen Belehrungen gibt uns unser göttlicher Lehrer in Seiner gegenwärtigen Stellung „verachtet und verlassen von den Menschen“. Er möchte uns gerade durch Seine eigenen Leiden belehren, damit wir in Gemeinschaft mit Ihm selbst und Seinen Gedanken erhalten bleiben, wenn wir Ihn von Szene zu Szene durch diese böse Welt begleiten.8
8 Bei der Antwort an die dritte dieser Personen scheint der Herr sich auf Elisa zu beziehen, auf den Seine Gedanken durch die Erwähnung Elias‘ seitens der Jünger hingelenkt worden sein mögen. Das Bild eines Pflügers und die daran angeknüpfte Belehrung scheint der Geschichte Elisas entnommen zu sein (siehe 1Kön 19,21).↩︎