(Verse 9–20)
„Ich Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Drangsal und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus, war auf der Insel, genannt Patmos, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen.“ (V. 9)
Der dritte Teil der Einleitung ist das Gesicht der Herrlichkeit Christi. Johannes war wegen seiner Treue zur Wahrheit auf die Insel Patmos verbannt worden. Da er sich an Gläubige richtet, bezeichnet
er sich als ihren Bruder, er war aber auch ihr „Mitgenosse in der Drangsal und dem Königtum und dem Ausharren in Jesus“. Die Begriffe sind hier auf einzigartige und überaus eindrucksvolle Art und Weise angeordnet. Zunächst ist da die Gemeinschaft der Gläubigen in den Leiden um Christi willen. Das führt uns zu der Tatsache, dass, „wenn wir ausharren, so werden wir auch mitherrschen“, folglich kommt das „Königtum“ nach der „Drangsal“. Das Königtum wurde aber noch nicht errichtet. Christus hat seinen Thron noch nicht eingenommen, sondern sitzt zur Rechten Gottes und wartet „bis seine Feinde hingelegt sind als Schemel seiner Füße“. Noch haben sie die Oberhand und das Volk Gottes wird zum Ausharren des Christus aufgerufen. Dass sie das Wort seines Ausharrens bewahrt hatten, ist eine der höchsten Auszeichnungen der Versammlung in Philadelphia (Off 3,10). In all diesen Dingen, sowohl in der Drangsal als auch im Königtum und im Ausharren, ist es das Privileg des Knechtes mit seinem Herrn verbunden zu sein. Drangsal und Ausharren sind sein gegenwärtiges Teil, das Königtum wird zu der von Gott bestimmten Zeit kommen. „Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie die einer Posaune“ (V. 10).
Das beschreibt nicht Johannes‘ gewöhnlichen geistlichen Zustand, sondern er befand sich hier in einem Zustand unter der Macht des Geistes und empfing inspirierte Mitteilungen Christi. „Des Herrn Tag“ ist nicht gleichbedeutend mit dem „Tag des Herrn“, diese unterscheiden sich im Grundtext sehr deutlich sowohl in der Form als auch in ihrer Bedeutung. Der Tag des Herrn ist die Zeit der Macht und Herrlichkeit Christi auf der Erde. Des Herrn Tag war ein Tag, den Johannes in Patmos verbrachte. Als Gott die Erde schuf, bestimmte Er einen Ruhetag und in seinem Bund mit Israel beanspruchte Er diesen Tag speziell für sich. Der Bund besteht nun nicht mehr und der Rest der alten Schöpfung ist vergangen. Gott aber fordert uns nicht auf, diesen Ruhetag aus der alten Schöpfung einzuhalten, sondern ruft uns auf, seine Freude an der neuen Schöpfung zu teilen. Die neue Schöpfung begann mit der Auferstehung Christi aus den Toten und dieser Tag wird „des Herrn Tag“ genannt. Es ist keine Übertragung des Sabbat von dem letzten Tag der Woche auf den ersten, denn das würde die Bedeutung beider Tage zerstören, sondern etwas völlig Neues, das auf einer vollkommen neuen Grundlage ruht.
Während Johannes also „an des Herrn Tag im Geist“ war, fügt er hinzu: „Und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie die einer Posaune, die sprach: Was du siehst, schreibe in ein Buch und sende es den sieben Versammlungen: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamus und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea“ (V. 10,11).
Die Posaune veranschaulicht Gottes Reden in Macht und Hoheit. Mit einer Stimme wie eine Posaune hatte Er das Gesetz am Sinai gegeben, mit dem Schall der Posaune wird Christus die gestorbenen Gläubigen rufen, um ihnen in der Luft zu begegnen.
Als er sich umsieht, stellt Johannes fest, von wem die Stimme ausgeht. „Und ich wandte mich um, die Stimme zu sehen, die mit mir redete, und als ich mich umgewandt hatte, sah ich sieben goldene Leuchter, und inmitten der Leuchter einen gleich dem Sohn des Menschen, angetan mit einem bis zu den Füßen reichenden Gewand und an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel; sein Haupt aber und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie
Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen, und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser; und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne, und aus seinem Mund ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert, und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft.“ (V. 12–16)
Christus erscheint hier als der Sohn des Menschen in richterlichem Gewand. Er ist „inmitten der Leuchter“, die, wie wir später lernen, die hier angeschriebenen „sieben Versammlungen“ repräsentieren (V. 20). Seine Erhabenheit entspricht einem, dem jedes Gericht überlassen ist. Das „bis zu den Füßen reichende Gewand“ ist die richterliche Robe, die sich von dem Gewand des Kriegers „einem in Blut getauchten Gewand“ unterscheidet, das Er nachher bei der Ausübung des Gerichts tragen wird (Off 19,13), da hier das Gericht nur angekündigt, jedoch nicht ausgeführt wird. Er ist „an der Brust umgürtet mit einem goldenen Gürtel“, dem Symbol göttlicher Gerechtigkeit, denn, wenn Er in richterlicher Funktion auftritt, wird „Gerechtigkeit . . . der Gurt seiner Lenden sein“ (Jes 11,5).
Seine Erscheinung weist genauso auf das Gericht hin, wie seine Kleidung und zeigt sowohl seine göttliche Herrlichkeit als auch seine Erhöhung als Mensch. „Sein Haupt aber und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee“. In Daniels Vision beim Beginn des Gerichtes über die Erde schaute er, wie „ein Alter an Tagen sich setzte: Sein Gewand war weiß wie Schnee und das Haar seines Hauptes wie reine Wolle“ (Dan 7,9). Daher ist die Herrlichkeit, die im Buch Daniel dem Alten an Tagen gehörte, hier in der Kleidung dessen gesehen, der „gleich dem Sohn des Menschen“ ist. „Seine Augen wie eine Feuerflamme und seine Füße gleich glänzendem Kupfer, als glühten sie im Ofen“. Beide Bilder sprechen von Gericht. Kupfer war das Material, aus dem der Altar gemacht war, auf dem das Opfer verbrannt wurde, um die Ansprüche göttlicher Gerechtigkeit zu erfüllen. Die Augen wie eine Feuerflamme zeigen ein erforschendes und unterscheidendes Gericht, denn Feuer prüft, bringt das Gute hervor und vernichtet das Schlechte. In Maleachi heißt es von Christus, dass Er „wie das Feuer des Schmelzers“ sein wird (Mal 3,2) und wenn Israel wiederhergestellt ist, wird der Herr „die Blutschulden Jerusalems aus dessen Mitte weggefegt haben . . . durch den Geist des Gerichts und durch den Geist des Vertilgens“ (Jes 4,4)1. Paulus spricht auch davon: „So wird das Werk eines jeden offenbar werden, denn der Tag wird es klar machen, weil er in Feuer offenbart wird; und welcherart das Werk eines jeden ist, wird das Feuer erproben“ (1Kor 3,13). „Und seine Stimme wie das Rauschen vieler Wasser“. Dieses Bild spricht offensichtlich von Macht und Hoheit. In Hesekiel 1 Vers 24 wird das Rauschen der Flügel der Cherubim, mit dem „Rauschen großer Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen“ verglichen und später heißt es: „Die Herrlichkeit des Gottes Israels kam von Osten her; und ihr Rauschen war wie das Rauschen großer Wasser“ (Hes 43,2). Eine Stimme wie das Rauschen großer Wasser ist also ein Bild, das die Schrift benutzt, um die Herrlichkeit und Majestät Gottes darzustellen und in dieser Herrlichkeit erscheint, zwar als Mensch, Christus hier. „Und er hatte in seiner rechten Hand sieben Sterne“. Von ihnen heißt es später, dass sie „die Engel der sieben Versammlungen“ sind (V. 20). Diese ausdrucksstarken Worte bedeuten nichts weniger als dass die Macht, die Christus hier in seiner rechten Hand hält, die volle Autorität über die Versammlungen darstellt, sei es in Bezug auf den Dienst oder administrativer Hinsicht. „Und aus seinem Mund ging hervor ein scharfes, zweischneidiges Schwert“. Das Wort Gottes wird mit einem scharfen, zweischneidigen Schwert verglichen und obwohl es von der Macht spricht, die es auf das Gewissen ausübt, ist es nicht weniger scharf was seine Urteilskraft angeht. „Wer mich verwirft“, sagt unser Herr, „und meine Worte nicht annimmt, hat den, der ihn richtet: Das Wort, das ich geredet habe, das wird ihn richten am letzten Tag“ (Joh 12,48). Denen, die Böses tun in Pergamus sagt Er: „Tu nun Buße; wenn aber nicht, komme ich dir bald und werde Krieg mit ihnen führen mit dem Schwert meines Mundes“ (Off 2,16) und die Anhänger des Tieres „wurden getötet mit dem Schwert dessen, der auf dem Pferd saß, dem Schwert, das aus seinem Mund hervorging“ (Off 19,21). Jesaja schreibt, als er sein Kommen ankündigt: „Und er wird die Erde schlagen mit der Rute seines Mundes, und mit dem Hauch seiner Lippen den Gottlosen töten“ (Jes 11,4). „Und sein Angesicht war, wie die Sonne leuchtet in ihrer Kraft“. Es gibt wohl kein treffenderes Symbol seiner Macht und Herrlichkeit als dieses Bild der Sonne. Sie ist eine der großartigsten sichtbaren Werke Gottes und das Symbol höchster Autorität, „das große Licht“, das Er schuf „zur Beherrschung des Tages“. Das war die Herrlichkeit, in der Johannes und seine Begleiter Ihn sahen „und er wurde vor ihnen verwandelt und sein Angesicht leuchtete wie die Sonne“ (Mt 17,2). Diese Umgestaltung war das Zeugnis, das Gott auserwählten Zeugen der „Macht und Ankunft unseres Herrn Jesus Christus“ (2Pet 1,16) gab und in diesem Buch, wo Er „mit den Wolken“ kommt, ist es der großartige Höhepunkt auf den alles hinausläuft und wo wir Ihn mit der gleichen Herrlichkeit bekleidet sehen.
So sind die richterlichen Gewänder und die Majestät Christi in Verbindung mit dem „was ist“, Er „inmitten der sieben goldenen Leuchter“. Sie passen zu Ihm in seiner Funktion als Richter im Haus Gottes, sind aber weder Insignien des „Fürstens der Könige der Erde“ noch des Ausführers der Pläne Gottes hinsichtlich seines irdischen Volks. Wenn Er in diesen Funktionen erscheint, die Er einnehmen wird bei dem, „was nach diesem geschehen wird“, werden wir bei der Betrachtung feststellen, dass sowohl seine Kleider als auch seine Titel vollkommen andere sein werden. „Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen nieder wie tot“ (V. 17).
Kein Wunder! Wer kann Christus anschauen, wenn Er die Versammlung nach ihrer Verantwortlichkeit richtet, ohne dabei erbärmliches Versagen festzustellen? Aber seine Worte nehmen die Furcht: „Und er legte seine Rechte auf mich und sprach: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige, und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und des Hades.“ (V. 17,18).
Wie beruhigende Worte! Gewiss, Christus ist der Richter, seinem Amt entsprechend gekleidet in Autorität und Erhabenheit, zu Johannes sagt Er jedoch: „Fürchte dich nicht!“ Warum sagt Er das? Weil Er der Erste und der Letzte, der Lebendige ist. Er ist Mensch geworden, gestorben und auferstanden. Er „der unserer Übertretungen wegen hingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt worden ist“ (Röm 4,25). Somit können „wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt“ (1Joh 4,17). Er hat Satan seine Macht, dem Tod den Stachel genommen. Er hat das Grab besiegt und hält nun „die Schlüssel des Todes und des Hades“ in seinen Händen. Dieser Sieg, den Er durch seinen Tod und seine Auferstehung errungen hat, gibt der Seele Frieden und nimmt die Angst vor dem Gericht.
Dann gibt der Herr Johannes folgende Aufgabe: „Schreibe nun das, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird“ (V. 19). „Was du gesehen hast“, sind Dinge, die bereits berichtet wurden. Es bleibt daher noch das, „was ist und was nach diesem geschehen wird“. Im vierten Kapitel (Vers 1) wird Johannes gebeten, in den Himmel hinauf zu kommen und die Dinge zu sehen, die nach diesem geschehen werden. Das „was ist“ finden wir also in dem zweiten und dritten Kapitel; „was nach diesem geschehen wird“, ist in den nachfolgenden Kapiteln enthalten. Das Erste sah Johannes auf der Erde, letzteres im Himmel.
Dann werden die Symbole erklärt: „Das Geheimnis der sieben Sterne, die du in meiner Rechten gesehen hast, und die sieben goldenen Leuchter: Die sieben Sterne sind Engel der sieben Versammlungen, und die sieben Leuchter sind sieben Versammlungen“ (V. 20).
Es hat bereits viele Diskussionen darüber gegeben, was mit Engeln gemeint ist. Sie sind eindeutig keine Engel im gewöhnlichen Sinn, denn es gibt keine Stelle in der Schrift, die uns Engel zeigt, die Aufgaben in einer örtlichen Versammlung wahrnehmen und es wird wohl keiner annehmen, dass Christus durch einen Propheten zu Engeln spricht? Der Engel ist hier außerdem durch den moralischen Zustand der Versammlung gekennzeichnet und muss daher Teil derselben sein, d. h. es handelt sich um eine oder mehrere Personen, die einen Platz besonderer Verantwortung in der Versammlung einnehmen. Einige haben daraus gefolgert, dass es sich um einen Pfarrer oder offiziellen Geistlichen handelt, das ist aber eine bloße Vermutung und noch dazu eine Vermutung, die im Widerspruch zu der gesamten heiligen Schrift steht. Hätte Gott derartige offizielle geistliche Ämter eingerichtet, hätte Er dies in seinem Wort deutlich mitgeteilt und nicht aus einem Abschnitt mutmaßen lassen, dessen symbolhafter Charakter offensichtlich ist. Der Begriff „Engel“ spricht von Vertretung und wird hier sinnbildhaft zur Benennung von Personen gebraucht, die durch ihre Gabe oder ihren Einfluss besonders für den Zustand der Versammlung verantwortlich sind. Damit sind ohne Zweifel Lehrer und Führer in einer Versammlung gemeint, es wird aber nichts über deren Ernennung oder ihre Aufgaben gesagt. Dazu äußert sich die Schrift an anderen Stellen.
Die sieben goldenen Leuchter – ein Bild, das aus den sieben Lampen der Stiftshütte entliehen wurde – symbolisieren die sieben Versammlungen. Sie sind „golden“, da die Versammlung auf Gottes Gerechtigkeit gegründet ist und somit den Stempel göttlichen Ursprungs trägt. Sie sind jedoch Leuchter und keine Kerzen. Die Versammlung ist keine Quelle des Lichts und der Anspruch, eine solche zu sein, ist ein stark wuchernder Keim des Bösen in der Christenheit. Der Leuchter ist vielmehr dafür verantwortlich, das Licht zu halten und wenn er darin versagt, ist er nutzlos. Daher die Androhung, dass der Leuchter von seinem Platz weggerückt wird.
1
↩︎In der englischen Bibelübersetzung heißt es: „Geist des Feuers“ anstelle Vertilgens.