Behandelter Abschnitt Heb 10,1-4
Der vollkommene Gläubige (Heb 10,1-18)
In Kapitel 9 hat der Schreiber davon gesprochen, dass das Blut Christi das Gewissen des Gläubigen reinigt (Heb 9,14). In Kapitel 10 kommt er nun darauf zurück und erklärt, wie dies geschieht. Dieses Kapitel ist also eine Zusammenfassung (oder Schlussfolgerung) dessen, was in Kapitel 9 vorgestellt wurde. Es stellt uns die Art und Weise vor, wie der Gläubige für die Gegenwart Gottes passend gemacht und so befähigt wird, mit heiliger Freimütigkeit als ein gereinigter Anbeter in das himmlische Heiligtum einzutreten.
Der lehrmäßige Teil des Kapitels (Heb 10,1-18) besteht aus drei Teilen in Verbindung mit dem großen Opfer Christi. Alle drei Personen der Gottheit (der Dreieinheit) sind daran beteiligt, dem Gläubigen die Segnung der Errettung sicherzustellen:
Der Wille Gottes ist die Quelle unserer Segnung (Heb 10,1-10).
Das Werk Christi ist das Mittel zu unserer Segnung (Heb 10,11-14).
Das Zeugnis des Geistes bringt uns zur bewussten Erkenntnis unserer Segnung (Heb 10,15-18).
Diese Verse lehren uns also, dass der Wille Gottes durch das Werk Christi am Kreuz erfüllt wurde. Und das Zeugnis des Geistes gibt uns ein einsichtsvolles Verständnis davon. J.N. Darby fasst dies wie folgt zusammen:
Ich war voller Sünde; es wurde jemand benötigt, der über mich nachdachte, es wurde jemand benötigt, der das Geforderte tat, und dann jemand, der mir die Auswirkung sagte … Es gibt:
den Willen Gottes – „durch welchen Willen“ usw.,
das Werk, durch das der Wille vollbracht wird – „durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“,
das Verständnis davon, das mir gegeben wurde.
Der Wille Gottes (V. 1-10)
Heb 10,1-4: 1 Denn da das Gesetz einen Schatten der zukünftigen Güter, nicht der Dinge Ebenbild selbst hat, so kann es niemals mit denselben Schlachtopfern, die sie alljährlich ununterbrochen darbringen, die Hinzunahenden vollkommen machen. 2 Denn würde sonst nicht ihre Darbringung aufgehört haben, weil die den Gottesdienst Ausübenden, einmal gereinigt, kein Gewissen von Sünden mehr gehabt hätten? 3 Doch in jenen Opfern ist alljährlich ein Erinnern an die Sünden; 4 denn unmöglich kann Blut von Stieren und Böcken Sünden wegnehmen.
In der Zusammenfassung des vorherigen Kapitels (9) zeigt der Schreiber, dass mit dem Kommen Christi (seinem ersten Kommen) die Opfer des levitischen Systems durch sein einziges großes Opfer ersetzt wurden. Daher haben die „Schatten der zukünftigen Güter“ dem eigentlichen Inhalt Platz gemacht, dargestellt in dem vollbrachten Werk Christi. In alttestamentlichen Zeiten schien das Licht Gottes auf Christus, und alle Formen und Zeremonien, einschließlich der wöchentlichen Sabbate, waren nur Schatten, die von Christus geworfen wurden. Als Er selbst gekommen ist und damit diese Vorbilder erfüllt hat, ist der eigentliche Inhalt an ihre Stelle getreten. In diesem Sinne hat das levitische System mit seinen Formen und Ritualen seinen Zweck erfüllt, auf Christus hinzuweisen, und wird nun nicht mehr benötigt.
Das System der Stiftshütte war ein „Gleichnis“ (Heb 9,9) und ein „Schatten“ (Heb 10,1) der geistlichen Dinge in den Himmeln, aber es war nicht „der Dinge Ebenbild selbst“. Mit dieser Aussage macht der Schreiber deutlich, dass wir nicht denken sollten, dass jedes Gefäß und jeder Gegenstand in der Stiftshütte unbedingt ein Gegenstück im Himmel haben. Solche Vorstellungen führen zu mystischen Auslegungen.
Der Hauptpunkt in den ersten Versen von Kapitel 10: Die Opfer, die in diesem irdischen System dargebracht wurden, konnten Sünden nicht wirklich vor Gott „wegnehmen“, noch konnten sie, was ihr Gewissen betrifft, die „Herzunahenden vollkommen machen“. In der Tat wurden diese Opfer nicht zu diesem Zweck dargebracht. Wie bereits erwähnt, wurden sie gegeben, um auf die Zeit hinzuweisen, in der Christus als das endgültige „Opfer für die Sünde“ kommen würde (Jes 53,10; Röm 8,3; 2Kor 5,21).
Im Gegensatz zu der Unfähigkeit der vielen alttestamentlichen Opfer, einen Gläubigen vollkommen machen zu können, sagt der Schreiber, dass der Anbeter im Christentum „einmal gereinigt“ wird durch den schlichten Glauben an das vollbrachte Werk Christi. Indem er Ihn als Retter annimmt, wird der Gläubige für immer gereinigt! Dies muss nie wiederholt werden! Das praktische Ergebnis dieser großen Segnung ist, dass der Gläubige „kein Gewissen von Sünden“ mehr hat. Wie in unseren Ausführungen zu Hebräer 9,13 und 14 angedeutet, lebt derjenige, der ein Gewissen von Sünden hat, in der Furcht, dass Gott ihn eines Tages für seine Sünden ins Gericht bringt. Kein Gewissen von Sünden mehr zu haben, bedeutet, dass die Furcht vor dem Gericht für immer beseitigt ist, weil wir verstanden haben, dass die Frage unserer Sünden durch das Opfer Christi von Gott gerecht geregelt wurde und dass wir nie mehr ins Gericht kommen werden. Wie in Kapitel 9 erwähnt, ist ein gereinigtes Gewissen eine Segnung, die Christen haben, die die Heiligen des Alten Testamentes unter dem levitischen System nicht hatten.
Der Schreiber argumentiert: Wenn die am großen Versöhnungstag dargebrachten Opfer Sünden vor Gott weggetan hätten, würde ihre „Darbringung aufgehört“ haben (Heb 10,2). Da die Opfer aber „jedes Jahr“ fortgesetzt wurden, ist das ein klarer Beweis dafür, dass sie dies nicht taten. Das alttestamentliche Ritual am großen Versöhnungstag bedeckte ihre Sünden (das ist die Bedeutung von „sühnen“ in der hebräischen Sprache) aufgrund der Nachsicht Gottes (Röm 3,25). Aber dieses Ritual konnte Sünden nicht wegnehmen. Das Blut von „Stieren“, das eine jährliche Sühnung für die Priester in diesem System bewirkte (3Mo 16,6-14), und das Blut von „Böcken“, das eine jährliche Sühnung für den Rest der Kinder Israels bewirkte (3Mo 16,15-22), konnte Sünden nicht einfach wegnehmen. Dies konnte nur durch den Tod Christi erreicht werden (1Joh 3,5). F.B. Hole schreibt dazu:
Die Opfer des alten Bundes glichen solch einem Wechsel. Sie hatten ihren Wert, aber er lag in dem, worauf sie hindeuteten. Sie waren gleichsam nur Papier; das Opfer Christi allein gleicht feinem Gold. Im dritten Buch Mose ist ihr relativer Wert ausgewiesen. Im Hebräerbrief finden wir, dass ihr Wert nur relativ ist, nicht wirklich. Sie können niemals Sünden wegnehmen. Deshalb hatte Gott kein Wohlgefallen daran, und das Kommen Christi war eine Notwendigkeit.2
Die Juden weigerten sich jedoch zu akzeptieren, dass Christus die große Erfüllung des Schattens war. Sie klammerten sich an die äußeren Formen und Rituale des Judentums, obwohl der eigentliche Inhalt, von dem diese Dinge sprachen, erfüllt worden war. Es war vorsätzliche Unkenntnis. Wenn man das Gesetz Christus vorzieht, ist das so, als würde man das Bild einer Person der Person selbst vorziehen, die auf dem Bild dargestellt ist! Im Hinblick auf die Hebräer, die sich zum Christentum bekannt hatten, ist es schwer zu verstehen, wie jemand die Realität in Christus verlassen und zu den Abschriften zurückkehren wollte. Oder warum jemand einen vollkommenen Hohenpriester, der im himmlischen Heiligtum dient, verlassen und zu einem mit Fehlern behafteten Priester zurückkehren wollte, der im irdischen Heiligtum diente. Dennoch war dies für einige Hebräer offensichtlich eine Versuchung.