Eine Warnung (V. 23a)
Dann fügt Paulus eine Warnung hinzu:
Kol 1,23a: … sofern [o. wenn] ihr in dem Glauben gegründet und fest bleibt und nicht abbewegt werdet von der Hoffnung des Evangeliums, das ihr gehört habt …
Mit dem Wort „wenn [sofern]“ wollte er nicht andeuten, dass die Gläubigen in Kolossä ihre Errettung verlieren könnten, wenn sie nicht standhaft blieben. Allerdings war es durchaus möglich, dass einige unter ihnen nur Bekenner waren. Paulus hatte Grund zu der Annahme, dass einige zwar äußerlich zu der christlichen Versammlung in Kolossä gehörten, jedoch nicht mit Christus durch Glauben verbunden waren. Mit anderen Worten: Sie gingen zwar zu den Zusammenkünften der Gemeinde in Kolossä, waren aber in Wirklichkeit nicht errettet. Das „ihr“ in diesem Vers umfasst daher alle, die den Namen des Herrn in Kolossä anriefen, einschließlich derer, die sich vielleicht nur äußerlich zum Glauben bekannten. Die wahrhaft Gläubigen zeigten ihren Glauben, indem sie im Glauben blieben; und die, die keinen echten Glauben hatten, zeigten es, indem sie nicht im Glauben blieben. Daher fügt Paulus dieses
Wort der Warnung hinzu, damit ein bloßes Bekenntnis überprüft werden konnte. Die wunderbaren Segnungen, die in der Versöhnung enthalten sind, sind also davon abhängig, ob jemand wirklich an Christus glaubt, und wenn er dann auf dem Glaubensweg bleibt, ist das der beste Beweis, dass er echten Glauben hat.
In der Schrift gibt es zwei Arten von „Wenn“: ein „Wenn“ der Bedingung und ein „Wenn“ des Arguments. Ein „Wenn“ der Bedingung setzt voraus, dass die Möglichkeit besteht, dass die Bedingungen in einer bestimmten Angelegenheit nicht erfüllt werden. Bei einem „Wenn“-Argument hingegen legt der Schreiber in seiner Argumentation bestimmte Tatsachen fest und baut darauf auf, um eine bestimmte Aussage zu treffen. In diesem Fall könnte das Wort „wenn“ durch das Wort „da [daher]“ ersetzt werden (siehe Kol 2,20; 3,1). Paulus verwendet in Kolosser 1,23 „wenn“, weil die reale Möglichkeit bestand, dass einige nicht an das Evangelium glaubten, was sich darin zeigen würde, dass sie nicht im Glauben blieben.
Die bloßen Bekenner würden sich auch dadurch zu erkennen geben, dass sie die gotteslästerlichen Lehren annahmen, die von den Irrlehrern in der Gegend verbreitet wurden. Beachte: Paulus spricht nicht davon, dass sie sich [aktiv] abwenden, sondern dass sie [passiv] „abbewegt“ werden. Das bedeutet, andere beeinflussten sie darin, dass sie [vom Glauben] abwichen. Die „Hoffnung des Evangeliums“ in diesem Abschnitt ist mehr, als dass die Gläubigen bei der Entrückung mit Christus verherrlicht werden. Der Zusammenhang weist auf die herrliche Vollendung der Versöhnung hin, die sowohl im Himmel als auch auf der Erde verwirklicht wird und in der die Gottheit ihre volle Zufriedenheit finden wird.
Die zwei Dienste des Paulus (Kol 1,23b-2,3)
... an den Verlorenen (V. 23)
Kol 1,23b: … des Evangeliums, das ihr gehört habt, das gepredigt worden ist in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist, dessen Diener ich, Paulus, geworden bin.
Das Evangelium ist, wie Paulus es ausdrückt, „in der ganzen Schöpfung gepredigt worden“. Er meinte damit nicht, dass alle Menschen in der ganzen Welt die Botschaft von der Gnade Gottes gehört hätten, sondern dass sie jedem Menschen in der ganzen Schöpfung gilt. Gott möchte, dass „in der ganzen Schöpfung, die unter dem Himmel ist“, die Gelegenheit besteht, diese wunderbaren Dinge zu hören und dadurch in Christus gesegnet zu werden (1Tim 2,4). In Anbetracht dessen fährt Paulus fort, von den beiden Ämtern zu sprechen, die der Herr ihm gegeben hat, damit er die Wahrheit in die Welt trägt.
Nachdem Paulus bereits vom „Evangelium“ gesprochen hat, dessen „Diener“ er ist, wie er sagt, geht er noch weiter und spricht von einem weiteren Dienst, der ihm übertragen worden ist: Er soll das Geheimnis über Christus und die Versammlung entfalten. Er sagt: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch das, was noch fehlt an den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung, deren Diener ich geworden bin nach der Verwaltung Gottes, die mir in Bezug auf euch gegeben ist, um das
Wort Gottes zu vollenden: das Geheimnis, das von den Zeitaltern und von den Geschlechtern her verborgen war, jetzt aber seinen Heiligen offenbart worden ist, denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol 1,24-27).
Paulus hatte also zwei Dienste:
Er sollte den Verlorenen das „Evangelium“ predigen.
Er sollte die Gläubigen die Wahrheit des „Geheimnisses“ lehren.
Die Tatsache, dass diese beiden Dienste hier und auch in Römer 16,25 und in Epheser 3,8.9 zusammen erwähnt werden, zeigt, dass sie zusammengehören und immer dementsprechend behandelt werden sollten. Die Wahrheit des Evangeliums sollte in die Wahrheit über die Kirche münden. Leider erkennen viele Christen dies nicht und richten ihre Kräfte auf die Arbeit am Evangelium aus, ohne darauf zu achten, die Neubekehrten in der Wahrheit über die Kirche zu unterweisen. W. Kelly beklagte dies und schreibt:
Eines der traurigsten Zeichen und Beweise dafür, wo die Kirche jetzt steht, ist, dass selbst ernsthafte Kinder Gottes nur wenig daran denken, die Herzen der Gläubigen zu erfrischen. Der Eifer gilt nur der Bekehrung von Sündern. Die Herrlichkeit Gottes in der Kirche wird vernachlässigt. […] Ich sage dies nicht, damit wir weniger Erbarmen mit den Verlorenen haben, sondern um die Ansprüche der Herrlichkeit und Gnade Christi auf die Erlösten zu betonen.18
Daraus lernen wir: Das große Ziel des Evangeliums besteht nicht nur darin, einen Menschen von der Strafe für seine Sünden zu befreien, so wunderbar das auch ist. Der Neubekehrte muss auch seinen Platz am Leib Christi (der Kirche) verstehen und so gemeinsam mit den anderen Gliedern des Leibes tätig werden, um die Herrlichkeit des Sohnes sichtbar zu machen – das ist der Vorsatz Gottes sowohl jetzt in dieser Welt als auch in der kommenden Welt.