Behandelter Abschnitt 1Joh 1,1-2
Einleitung
Die Schriften des Apostels Johannes haben von jeher einen besonderen Reiz für das Volk des Herrn. Diese Anziehungskraft ist wohl darauf zurückzuführen, dass sie vor allem an die Familie Gottes gerichtet sind.
Wenn du die Wahrheit über das Reich Gottes in seinem gegenwärtigen Zustand – die geheimnisvollen Tage des Reiches – suchst, findest du sie in den Briefen des Petrus, Jakobus und Judas. Wenn du die Wahrheit über die Gemeinde Gottes – den Leib Christi, der durch den Geist während der gegenwärtigen Gnadenzeit geformt wird – suchst, findest du sie in den Schriften des Apostels Paulus. Wenn du aber die Wahrheit über die Familie Gottes – die Gläubigen, die in die göttliche Familie hinein wiedergeboren sind – suchst, dann findest du sie vor allem in den Schriften des Apostels Johannes. Damit will ich jedoch nicht sagen, dass einer dieser Abschnitte der Heiligen Schrift auf die genannten Themen beschränkt ist. Während Petrus sich in erster Linie mit dem Reich Gottes befasst, spricht er auch von der Gemeinde und von der Familie Gottes. Paulus befasst sich zwar in erster Linie mit der Gemeinde, aber er spricht auch vom Reich Gottes und von der Familie. Und während Johannes sich in erster Linie mit der Familie Gottes beschäftigt, hat er auch etwas über die Gemeinde und über das Reich Gottes zu sagen. Aber wie bereits angedeutet: Gott hat jedem dieser neutestamentlichen Schreiber einen besonderen Auftrag erteilt.
Die Schriften des Johannes waren die letzten, die der Geist Gottes zu unserer Erbauung gegeben hat. Einige Leute messen, wie mir scheint, den Schriften des Paulus, insbesondere seinen späteren Gefängnisbriefen, einen unangemessenen Wert bei, so als ob sie die letzten Anweisungen Gottes für sein Volk enthielten. [Anm. der Red.: Das ist nicht unbedingt unangemessen. Wir lesen in Kolosser 1,25, dass durch Paulus das Wort Gottes vollendet wurde. Durch den Dienst von Paulus wurden alle Elemente der Wahrheit, die bis dahin noch nicht offenbar waren, mitgeteilt. Was Johannes schreibt, war in den Grundzügen vorher schon bekannt, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Aber seine Schriften enthalten keine Offenbarungen neuer Wahrheiten. Auch die Kernelemente der Zukunft, so wie sie uns in der Offenbarung geschildert wird, finden sich schon in den Propheten des Alten Testaments und in den Evangelien.] Aber Paulus war wahrscheinlich schon über zwanzig Jahre im Himmel, bevor der Apostel Johannes sein Evangelium schrieb. Erst Jahre später schrieb Johannes seine Briefe. Das Buch der Offenbarung war, soweit wir wissen, das letzte Buch, das der Geist gegen Ende des ersten Jahrhunderts inspirierte. Wir können sicher sein: Gott hat die Schriften des Apostels Johannes für das Ende des apostolischen Zeitalters aufbewahrt, und den besten Wein hat Er bis zum Schluss aufbewahrt.
Im Johannesevangelium wird uns das ewige Leben im Sohn Gottes offenbart. In den Johannesbriefen haben wir das ewige Leben, wie es sich in den Kindern Gottes offenbart. In Johannes 20,30.31 gibt der Apostel den Grund an, warum er dieses besondere Buch geschrieben hat. Er sagt: „Auch viele andere Zeichen hat nun zwar Jesus vor seinen Jüngern getan, die nicht in diesem Buch geschrieben sind. Diese aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr glaubend Leben habt in seinem Namen.“ Warum wurde das Johannesevangelium geschrieben? Damit wir glauben können, dass Jesus der Christus ist. Gibt es einen Leser, der daran zweifelt, dass Jesus tatsächlich der Christus Gottes ist? Dann lies einmal das Johannesevangelium. „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Röm 10,17). Das Johannesevangelium wurde geschrieben, damit ihr wisst, „dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr glaubend Leben habt in seinem Namen“.
Schauen wir uns nun 1. Johannes 5,13 an: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.“ Der Brief wurde an Menschen geschrieben, die bereits glaubten, dass Jesus der Christus ist, die sich ihrer gegenwärtigen Stellung aber nicht sicher waren, noch, ob sie das ewige Leben besaßen oder nicht. „Damit ihr wisst“. Wenn du irgendwelche Zweifel an der Person, dem Leben und dem Sühnetod Jesu, an seiner Messiasschaft oder seiner Göttlichkeit hast, lies das Evangelium. Wenn du aber, nachdem du die Botschaft des Evangeliums geglaubt hast, immer noch unsicher bist, ob du wirklich das ewige Leben besitzt oder nicht, dann lies den Brief. Er wurde an „euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr ewiges Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes“. Der Johannesbrief ist der Brief der Gemeinschaft. Gott möchte, dass sein Volk in Gemeinschaft mit Ihm ist, und Johannes zeigt uns den Weg zur Gemeinschaft mit Gott.
Johannes verwendet bestimmte Schlüsselwörter oder -sätze: „Ihr wisst“ oder „Wir wissen“. Er möchte, dass wir uns auf nichts anderes als auf eine eindeutige und bestätigte Erkenntnis der göttlichen Realität stützen. Da ist das Wort „glaubt“. Es ist eines seiner Lieblingswörter, sowohl im Evangelium als auch in den Briefen. Wir lesen auch viel über Licht – „Gott ist Licht“, „Wandelt im Licht“. Dann gibt es noch das Wort Liebe – „Gott ist Liebe“. Wir sollen „in der Liebe wandeln“.
Nach dem Tod des Paulus, etwa um das Jahr 67 n.Chr., entstand in den Gemeinden, insbesondere in Asien, eine Sekte, die heute als Gnostiker bekannt ist. Ein Agnostiker ist ein Mensch, der sagt: „Ich weiß es nicht.“ Aber ein Gnostiker ist das genaue Gegenteil eines Agnostikers; der Gnostiker sagt: „Ich weiß es.“ Die Gnostiker kamen in die Gemeinde und sagten: „Wir haben ein besseres Verständnis als diese einfachen Christen.“ Diese Sekte wuchs sehr schnell und drohte zweihundert Jahre lang die rechtgläubige Gemeinde Gottes zu überwältigen. Sie hatten merkwürdige Vorstellungen von Jesus. Einige von ihnen glaubten, Jesus wäre einfach ein Mensch, der leibliche Sohn von Joseph und Maria, und Christus wäre der göttliche Geist, der bei seiner Taufe im Jordan von Jesus Besitz ergriffen hätte. Dieser Geist wäre sein ganzes Leben lang bei Ihm gewesen, hätte Ihn aber verlassen, als Er am Kreuz hing. Diejenigen, die diese Ansicht vertraten, wurden als kerinthische Gnostiker1 bezeichnet, und auch heute noch vertreten einige Gruppen diese falsche Lehre. Der kerinthische Gnostizismus ist die grundlegende Lehre der Christlichen Wissenschaft, der Unity School of Christianity, der Theosophie und anderer moderner Kulte. Doch diese Lehre steht im krassen Widerspruch zur Heiligen Schrift. In 1. Johannes 5,1 heißt es: „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren“ – nicht, dass Jesus vom Christus besessen war oder vom Christus beherrscht wurde, sondern dass Er der Christus ist. Der, der am Kreuz hing, war nicht nur Jesus, der Mann aus Nazareth, sondern Christus, der Sohn Gottes. „Ich habe euch zuerst überliefert, was ich auch empfangen habe: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften“ (1Kor 15,3). Wir dürfen niemals zwischen Jesus und Christus unterscheiden, genauso wenig wie wir zwischen Herbert Hoover2 und dem amerikanischen Präsidenten unterscheiden würden. Herr Hoover ist der Präsident, und Jesus ist der Christus. Es ist wahr, dass Christus ein Titel ist, aber dieser Titel gehört zu Ihm.
Es gab noch eine andere Gruppe von Gnostikern, die Doketisten. Diese leugneten die Realität der Menschheit Jesu, die Realität seines menschlichen Körpers. Sie vertraten die Ansicht, dass das Böse mit dem Fleisch verbunden wäre und es daher undenkbar wäre, dass sich die Gottheit jemals herablassen könnte, in einem menschlichen Körper zu wohnen. Die Doketisten glaubten, dass man Jesus zwar hätte ansehen können, dass man jedoch, wenn man versucht hätte, Ihn zu berühren, dünne Luft berührt hätte – Er wäre einfach ein Phantom gewesen. Johannes begegnete beiden gnostischen Systemen in seinen drei Briefen.
GOTT IST LICHT
Die Realität der Menschwerdung Christi (V. 1-4)
Die ersten Verse dieses Kapitels befassen sich vor allem mit dem Lehrsystem des Doketismus. Johannes beginnt mit den Worten:
1Joh 1,1.2: 1 Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens 2 (und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist);
Johannes sagt gleichsam: Das ewige Leben wurde in einem Menschen auf der Erde offenbart. Wir haben diesen Menschen reden hören, seinen Worten zugehört, sein Gesicht gesehen und Ihn berührt. Wir wissen, dass Er wirklich Mensch war. Wir haben dreieinhalb wunderbare Jahre mit Ihm verbracht. Wenn du an der Wahrheit über Christus festhalten willst, dann glaube nicht diesen Dingen, die über Nacht wie Pilze aus dem Boden schießen, sondern gehe zurück zu dem, was von Anfang an war. Wir können sicher sein: „Was neu ist, ist nicht wahr, und was wahr ist, ist nicht neu.“
In der Heiligen Schrift werden drei verschiedene Anfänge hervorgehoben. Wir lesen: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1Mo 1,1). Das war der Anfang der Schöpfung. Manche vermuten, dass dies vor etwa sechstausend Jahren war; es könnten auch viel mehr gewesen sein, aber dazu sagt die Bibel nichts. Aber man kann so weit zurückgehen, wie man will – man wird immer noch finden: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Wann immer dieses Ereignis stattgefunden hat – es war Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat. Er war da. Er hat das Universum ins Leben gerufen. Es mag viele Veränderungen durchgemacht haben, bevor die in 1. Mose 1,2 beschriebenen Zustände eintraten, aber es wurde von einem persönlichen Gott am Anfang geschaffen – am Anfang der Schöpfung.
In Johannes 1,1 lesen wir dann: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.“ Das ist der Anfang, der eigentlich keinen Anfang hat. Als alles begann, was jemals einen Anfang hatte, war das Wort. Es hatte keinen Anfang, sondern es war der ewig existierende Sohn, der im Schoß des Vaters existierte. Schließlich, im ersten Kapitel dieses Briefes, ist das, „was von Anfang an war“, nicht der Anfang der Schöpfung, auch nicht der Ur-Anfang von Johannes 1, sondern der Anfang einer neuen Haushaltung: der Anfang des Christentums, als die Wahrheit in Christus offenbart wurde. Es gibt mehrere Verse, die diese
Auslegung unterstützen.
1Joh 2,7: Geliebte, nicht ein neues Gebot schreibe ich euch, sondern ein altes Gebot, das ihr von Anfang an hattet. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt.
Dies bezieht sich auf die Lehre unseres Herrn Jesus Christus, das Gebot, das Er gegeben hat. Wann hat Er dieses Gebot gegeben? Zu Beginn des Christentums, zu Beginn der neuen Haushaltung. „Das alte Gebot ist das Wort, das ihr gehört habt.“ Um es etwas anders auszudrücken, was Johannes sagt: „Nehmt nichts Neues auf, sondern geht zurück zu dem, was von Anfang des Christentums an war.“
1Joh 2,14: Ich habe euch, Väter, geschrieben, weil ihr den erkannt habt, der von Anfang an ist.
Er schrieb an die „Väter“, die Ihn von Anfang an in diesem neuen Zeitalter der Gnade gekannt hatten.
1Joh 2,24: Ihr, was ihr von Anfang an gehört habt, bleibe in euch. Wenn in euch bleibt, was ihr von Anfang an gehört habt, so werdet auch ihr in dem Sohn und in dem Vater bleiben.
2Joh 1,5: Und nun bitte ich dich, Frau, nicht als ob ich dir ein neues Gebot schriebe, sondern das, was wir von Anfang an gehabt haben: dass wir einander lieben sollen.
Mit anderen Worten: Fallt nicht auf etwas Neues herein. Die Botschaft, die ihr am Anfang erhalten habt, ist die Botschaft, an der ihr festhalten müsst und die in euch bleiben muss.
Diese Schriftstellen machen deutlich, dass sich der Begriff „von Anfang an“ nicht auf die Ewigkeit bezieht, wie manche meinen. Er bezieht sich auf den Beginn einer neuen Ära.
Wenn Leute zu dir kommen und sagen: „Wir haben eine neue Doktrin, eine neue Lehre, ein neues Denksystem“, dann kannst du sagen: „Behalte es; ich aber will an dem festhalten, was von Anfang an war.“ Wir haben den „einmal den Heiligen überlieferten Glauben“ (Jud 3). Wenn ein Mormone sagt: „Wir glauben an die Bibel, aber wir haben auch die mormonische Bibel, und die ist eine neue Offenbarung“, dann kannst du antworten: „Ich brauche euer neues Buch nicht. Ich habe das, was von Anfang an da war.“ Wenn Frau Mary Baker Patterson Glover Eddy2 sagt: „Natürlich glauben wir an die Bibel, aber hier ist mein kleines Buch, Wissenschaft und Gesundheit, das ist etwas Neues“, dann kannst du sagen: „Danke, Madam, aber ich brauche Ihren Schlüssel zur Heiligen Schrift nicht. Das Wort Gottes, ausgelegt durch den Heiligen Geist, ist alles, was ich brauche.“ Wenn die Swedenborgianer sagen: „Sicher, wir glauben an die Bibel, aber wir fügen ihr die Träume und Visionen von Emanuel Swedenborg hinzu“, können wir mit den Worten der Heiligen Schrift antworten: „Der Prophet, der einen Traum hat, erzähle den Traum; und wer mein Wort hat, rede mein Wort in Wahrheit“ (Jer 23,28)! Wenn Charles Taze Russell und Judge Rutherford3 daherkommen und sagen: „Natürlich glauben wir an die Bibel, aber wir müssen ihr unsere Studien in der Heiligen Schrift und Die Harfe Gottes hinzufügen, wenn ihr sie wirklich verstehen wollt“, können wir antworten: „Behaltet alle eure sieben oder zehn Bände.“ Wir kehren zu dem zurück, was wir von Anfang an gehört haben. Wir wollen nicht, dass der Heiligen Schrift etwas hinzugefügt wird. Wir kehren zu dem zurück, was Gott am Anfang gegeben hat.
Johannes zeigt, dass Jesus wirklich Mensch war. Er sagt sinngemäß: „Wir haben Ihn gehört; wir haben seiner Lehre zugehört, als wir mit Ihm gegangen sind; wir haben Ihn reden gehört; wir haben Ihn mit unseren Augen gesehen.“ Die Gnostiker sagten, Er wäre nur ein Phantom, aber Johannes bestand auf seiner wahren Menschheit: „Wir haben ihn mit eigenen Augen gesehen“ (vgl. 1Joh 1,1). Er ließ sich nicht täuschen.
Wenn jemand auf mich zukommt und sagt: „Ich möchte Ihnen meine Freundin, Frau Soundso, vorstellen“, sage ich: „Ich freue mich, Sie kennenzulernen“, und wende mich ab, weil andere sich um mich drängen. Am nächsten Tag treffe ich diese Person auf der Straße und sie sagt: „Kennen Sie mich nicht? Ich habe Sie doch gestern in der Moody Church getroffen.“ Ich müsste sagen: „Es tut mir leid, ich habe nicht genau genug hingesehen, um mir Ihr Gesicht einzuprägen.“
Der Apostel sagt: „Wir haben uns nicht getäuscht. Wir haben Ihn gesehen und Ihn aufmerksam angeschaut. Wir wissen, dass Er wirklich Mensch war, und Er hat die Erwartungen unserer Seele erfüllt.“ Dann fügt Johannes hinzu: „… was unsere Hände betastet haben, betreffend das Wort des Lebens“ (1Joh 1,1). Er hörte und schaute nicht nur, sondern er berührte Ihn, und als er seinen Arm berührte, war es nicht nur dünne Luft. Als Johannes sich beim Abendmahl an Ihn lehnte, war das keine Täuschung. Christus Jesus ist ein Mensch aus echtem Fleisch und Blut!
Wie wunderbar ist es, dass die allererste Wahrheit der christlichen Offenbarung darin besteht, dass Gott Mensch geworden ist – eine erstaunliche Gnade. Gott kam in seine eigene Welt als Mensch. Er kam zu uns, damit Er sich uns offenbaren und für unsere Sünden sterben konnte. Er wurde ein wenig niedriger als die Engel gemacht [vgl. Heb 2,7], damit Er die Frage der Sünde für uns regeln konnte. Und so sagt der Apostel in 1. Johannes 1,2: „Und das Leben ist offenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns offenbart worden ist.“ Denken wir doch einmal darüber nach! Das ewige Leben ist auf der Erde erschienen!