Hab 2,4: Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele. Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.
Über den eigenwilligen Mann wird gesagt: „Siehe, aufgeblasen, nicht aufrichtig ist in ihm seine Seele“, und das Böse scheint zu siegen. Dennoch darf der Mann Gottes in der Zwischenzeit wissen, dass „der Gerechte durch seinen Glauben leben wird.“ Das ist die offenbarte Botschaft, die Habakuk so schlicht und einfach aufschreiben und die der Leser zu verkünden sich beeilen sollte. Solch ein Leser und Läufer war der Apostel Paulus. Dieser Vers ist der Schlüssel seiner Verkündigung sowohl für die Heiligen als auch für die Sünder. Nachdem Paulus die Worte des Propheten mit Augen, die der Heilige Geist gesalbt hatte, gelesen hat, läuft er für den Rest seiner Tage, um sie anderen bekannt zu machen. Dreimal kommen sie in seinen Briefen vor, und jedes Mal werden sie mit Blick auf einen anderen Gegenstand verwendet:
Wenn er im Römerbrief die herrliche Lehre von Gottes Gerechtigkeit darlegt (Röm 1,16.17), wie sie im Evangelium offenbart ist, findet er in diesen Worten die inspirierte Antwort auf die Frage, die einst im Buch Hiob gestellt wurde: „Wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?“ (Hiob 25,4; 9,2). Triumphierend weist er auf die Offenbarung auf dem Wachturm hin und ruft aus: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben.“
In Galatien versuchten judaistische Lehrer, die Versammlungen zu verderben, indem sie sie von der Schlichtheit, die in Christus ist, abwendeten und behaupteten: Obwohl der Mensch durch Glauben gerettet ist, bestimmt das Gesetz dennoch das Leben danach. – Paulus weist diese falsche Behauptung entrüstet zurück und erklärt den Galatern nicht nur, dass Glaube die Grundlage ist, auf der sie mit Gott begonnen hatten, sondern auch, dass „der Gerechte durch seinen Glauben leben wird“ (Gal 3,11). Er fährt sogleich damit fort, zu zeigen, dass „das Gesetz aber nicht durch Glauben ist“ (Gal 3,12) und deshalb nicht der Maßstab des Christen sein kann. Christus, und Christus, allein ist es. In Ihm sind wir eine neue Schöpfung. „Und so viele nach dieser Richtschnur wandeln werden – Friede über sie und Barmherzigkeit, und über den Israel Gottes!“ (Gal 6,16).
Wenn Paulus den Pilgerweg durch diese Welt in seinem Brief an die Hebräer verfolgt, der vom Kreuz zur Herrlichkeit führt, zeigt er auf: Nur das Eintreten in die Macht des unsichtbaren Gottes kann den Gläubigen in einem Leben der Erprobung und des Kampfes erhalten. Und darum verkündet er erneut: „Der Gerechte aber wird durch seinen Glauben leben“ (Heb 10,38). Er fügt hinzu: „Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm“, was die erste Hälfte des Verses in der Septuaginta ist.
Daher wird das Geheimnis, das Habakuk vor so langer Zeit offenbart wurde, zur Losung der Christenheit; ebenso wurde es der Schlachtruf Luthers und seiner Mitstreiter zur Zeit der Reformation.
Es war sehr bedeutsam, dass der einsame Prophet über das hinaussah, was seine natürlichen Augen sehen konnten. Nur so konnte er aushalten, „als sähe er den Unsichtbaren“ (Heb 11,27). So auch heute. Es gibt vieles, was entmutigt und abschreckt. Mögen die Zeiten auch finster sein: Der Mann Gottes wendet sich im Glauben der Heiligen Schrift zu, um die Gedanken Gottes zu erkennen. Er handelt nach dem, was geschrieben steht, mögen andere tun, was sie wollen. Mag sein Pfad auch einsam und sein Herz oft traurig sein – aber er schaut in zuversichtlicher und froher Erwartung nach vorn zu dem Tag der Offenbarung und strebt danach, jetzt im Licht des Dann zu leben.
Daher sind seine Augen geöffnet, um alles genau zu betrachten, und er ist in der Lage, die Bestrebungen der ungöttlichen und ungeistlichen Menschen nach ihrem wahren Wert einzuschätzen. Der Chaldäer brüstete sich stolz der Hilfe seiner Götter, um das Volk des HERRN zu Fall zu bringen. Habakuk wird gezeigt, dass der Chaldäer nur ein Instrument zur gegenwärtigen Züchtigung ist, bald aber für seine eigenen Sünden doppelt bestraft werden wird.