Behandelter Abschnitt Neh 9,1-3
Absonderung und Bekenntnis
Das Bekenntnis
Neh 9,1-3: Und am vierundzwanzigsten Tag dieses Monats versammelten sich die Kinder Israel unter Fasten und in Sacktuch gekleidet und mit Erde auf ihren Häuptern. Und die Nachkommen Israels sonderten sich ab von allen Kindern der Fremde; und sie traten hin und bekannten ihre Sünden und die Ungerechtigkeiten ihrer Väter. Und sie standen auf an ihrer Stelle und lasen im Buch des Gesetzes des HERRN, ihres Gottes, ein Viertel des Tages. Und ein anderes Viertel des Tages bekannten sie ihre Sünden und warfen sich nieder vor dem HERRN, ihrem Gott.
Eine andere schwere Sünde, deren sich Israel schuldig gemacht hatte und die sehr zu ihrem Fall und auch ihrer schließlichen Gefangenschaft beitrug, war, dass sie sich mit Fremden vermischt hatten; Gott hatte das ausdrücklich in seinem Gesetz, in 5. Mose 7,1-6, verboten. Er hatte eine Zwischenwand der Umzäunung um sie errichtet (Eph 2,14) und ihnen verboten, wenn sie in das Land kämen, irgendeinen politischen, ehelichen oder religiösen Bund mit den Nationen um sie her einzugehen oder ihnen Gnade zu erweisen, und zwar wegen ihrer außerordentlichen Bosheit (1Mo 15,16; 3Mo 18,24.25; 20,23). Gott wollte nicht, dass ihnen diese Völker zum Fallstrick seien, und so hatte Er sie vor einem etwaigen Ungehorsam gewarnt und ihnen angekündigt, dass sein Zorn dann wider sie entbrennen und sie schnell vertilgen würde (5Mo 7,4).
Doch Israel hatte Gottes heiliges Gesetz verworfen und war allenthalben Bündnisse und ungleiche Joche mit den Feinden Gottes eingegangen. Sein Zorn war über sie gekommen; aber nun hatte Er in seinem Erbarmen eingegriffen und sie aus der Gefangenschaft befreit. Auf diese Weise hatte Er ihr Herz wiedergewonnen und sie waren entschlossen, Ihm zu gehorchen. Sie versammelten sich unter Fasten und in Sacktuch, ein Zeichen ihrer Buße und Demütigung vor Gott, und so sonderten sich die zurückgekehrten Juden, der Same Israels, von allen Kindern der Fremde ab und verbrachten den halben Tag damit, dass sie auf Gott warteten; und zwar lasen sie ein Viertel des Tages sein Gesetz und das andere Viertel des Tages bekannten sie ihre Sünden und beteten Ihn an. Welch eine Freude muss das für das Herz des Herrn gewesen sein, nach so langer Entfremdung und nach ihrem Ungehorsam!
Der Grundsatz, der hier ans Licht gebracht wird, ist ungemein wichtig. Gott will heute, wie vor alten Zeiten, ein abgesondertes Volk haben; nichts kann, was die Offenbarung des Christentums anlangt, klarer sein. Es nützte den Juden nichts, nach außen hin eine Mauer der Absonderung zu errichten, wenn keine wirkliche Absonderung nach dem Gesetz da war ;
und so hat es auch für uns wenig Wert, uns äußerlich von der Welt abzusondern, wenn wir nicht in Herz und Wandel abgesondert sind. Sogar das Wort, das im Griechischen anstelle des Wortes „Versammlung“ oder „Kirche“ steht, bedeutet „Herausgerufene“. Hätte die Kirche Gottes ihrer Berufung entsprochen, so wäre ihr Pfad von Anfang bis Ende ein Pfad völliger Absonderung gewesen. Aber auch die Kirche hat sich mit der Welt einsgemacht, und da sich die Welt nicht zu ihrem erhabenen Standort erheben konnte, ist sie von diesem mehr oder weniger auf die Stufe der Welt herabgesunken und die Christenheit ist das Ergebnis davon. Doch Gott ist in Kraft durch seinen Geist wirksam und übt Herzen und Gewissen über das, was Ihm gebührt. Zu Gott gezogen, erlangen wir das Bewusstsein seiner Heiligkeit und wissen, dass Er in denen, die Ihm nahen, geheiligt sein will (3Mo 10,3), und das beinhaltet Absonderung von allem Bösen.
Christus hat sich selbst für unsere Sünden hingegeben, „damit er uns herausnehme aus der gegenwärtigen bösen Welt“ (Gal 1,4). Wir sind nicht von der Welt, wie Er nicht von der Welt ist (Joh 17,14; 15,17). Die Welt finden wir um uns her in verschiedener Gestalt, sie nimmt bösartige, weltliche, gesellige, politische und religiöse Formen an. Wir müssen daher in Herz und Wandel, wie auch unserer äußeren Stellung nach, auf Gottes Seite stehen und von ihr getrennt sein. Das aber ist nur die Frucht davon, dass unser Herz Christus, dem Verworfenen, der sich auf der anderen Seite des Todes befindet, treu ergeben ist. Im Blick hierauf sagt der Apostel: „Werdet auch ihr weit“ (2Kor 6,13), und nachdem er das gesagt, schildert er wahre Weitherzigkeit (die aber die Menschen, wenn wir sie betätigen, sehr wahrscheinlich als Engherzigkeit bezeichnen) in den Worten: „Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen. Denn welche Genossenschaft hat Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit? Oder welche Gemeinschaft Licht mit Finsternis? Und welche Übereinstimmung Christus mit Belial? Oder welches Teil ein Gläubiger mit einem Ungläubigen? Und welchen Zusammenhang der Tempel Gottes mit Götzenbildern? Denn ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes, wie Gott gesagt hat: 'Ich will unter ihnen wohnen und wandeln, und ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein'. Darum geht aus aus ihrer Mitte hinaus und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt Unreines nicht an, und ich werde euch aufnehmen; und ich werde euch zum Vater sein, und ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2Kor 6,14-18). Diese Ermahnung ergeht in dreifacher Hinsicht an uns, sie lautet: „Gehet aus“, „Sondert euch ab“, und: „Rühret Unreines nicht an“; und ihr folgt zu unserer Ermutigung eine dreifache Verheißung, nämlich: „Ich werde euch aufnehmen“, „Ich werde euch zum Vater sein“, und: „Ihr werdet mir zu Söhnen und Töchtern sein“, und das sprach „der Herr, der Allmächtige“. Er ist allmächtig, uns auf einem solchen Pfad aufrechtzuerhalten; und das ist seines Herzens Freude, und die Freude des Herrn ist, wie wir gesehen haben, unsere Stärke.
Auch im zweiten Timotheusbrief, wo uns die religiöse Seite hiervon entgegentritt, wird das klar und deutlich ausgesprochen. Was die Verwirrung in der bekennenden Kirche anlangt, heißt es dort: „Der Herr kennt, die sein sind“; und dann wird uns gesagt: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“ (2Tim 2,19).
Des Weiteren wird uns dieser Grundsatz der Absonderung im Buch der Offenbarung bestätigt, wo wir die bekennende Kirche in ihrem Zustand des Abfalls vor uns haben. Da sagt in Offenbarung 18,4-5 eine Stimme aus dem Himmel: „Geht aus ihr hinaus, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden mitteilhaftig werdet und damit ihr nicht empfangt von ihren Plagen; denn ihre Sünden sind aufgehäuft bis zum Himmel, und Gott hat ihrer Ungerechtigkeiten gedacht.“ Obwohl diese Stelle zweifellos ihre besondere Anwendung auf den Tag hat, wo der Abfall völlig ausgereift ist und gerichtet werden soll, so gilt diese Ermahnung doch dem Grundsatz nach auch heute, wo sich dieser Abfall allenthalben mit großer Schnelligkeit vollzieht.
Psalm 4,4 bestätigt uns diese Gedanken in den Worten: „Erkennt doch, dass der HERR den Frommen für sich abgesondert hat!“ Der Geist wirkt in der Seele jedes Einzelnen, und wer wirklich fromm ist, hat seine Freude in der Gegenwart Gottes und der Gesellschaft all derer, die in Gottseligkeit mit Ihm wandeln.„Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1Joh 1,7).