Behandelter Abschnitt Jes 61,1 - 63,6
Jesaja 61; 62; 63,1-6
Diese Kapitel beinhalten zusammen ein einziges Thema: die beiden Kommen des Messias Israels.
In Jesaja 61,1.2a ist von seinem ersten Kommen die Rede. Der Herr selbst hat diese Stelle in der Synagoge von Nazareth vorgelesen und hinzugefügt: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“ (Lk 4,16-21). Es ist bemerkenswert, dass Er mitten in Vers 2 aufgehört hat zu lesen. Zweifellos geschah dies, weil Er in Gnade zu seinem Volk gekommen war. Die Wunder, die Er zur Befreiung der Menschen vollbrachte, lieferten den unwiderlegbaren Beweis, dass Er der war, von dem der Prophet sprach. Das Weitere hat Er nicht gelesen, weil die Stunde der Rache noch nicht gekommen war.
Jene Stunde wird erst bei seinem zweiten Kommen zur Aufrichtung seines Reiches anbrechen. Dann wird Er in Macht erscheinen, nachdem Er das erste Mal in Gnade gekommen war. Diese Macht wird sich in der Befreiung der Seinen und dem Gericht über seine Feinde erweisen. Dann werden die, die ein zerbrochenes Herz haben, die Sanftmütigen, die Unterdrückten und die Trauernden die Gegenstände der Offenbarung seiner Gnade sein. Für sie wird es Befreiung und Freiheit bedeuten: Freudenöl. Sie werden die uralten Trümmer wieder aufbauen, die verwüsteten Städte aufrichten und die Orte, die von Geschlecht zu Geschlecht verwüstet lagen, erneuern. Die Fremden, die sie unterjocht hatten, werden als ihre Knechte ihre Herden hüten und ihre Weinberge bebauen. Die Befreiten selbst werden Priester des Herrn genannt, und alle, die sie sehen, werden erkennen, dass sie ein vom Herrn gesegneter Same sind.
Aber nach Vers 19 werden sie eine noch größere Freude als den Segen an sich besitzen: Sie werden sich im Herrn erfreuen und in Gott frohlocken. Den Segen mit Freude zu genießen, ist sehr kostbar, aber Den zu genießen, der den Segen austeilt, ist noch herrlicher und übersteigt den Segen an sich. Das Heil zu besitzen, ist eine große Gnade, aber sich am Heiland zu erfreuen, ist noch vorzüglicher.
Haben wir bemerkt, wie das Heil und die Gerechtigkeit nebeneinander auftreten und in diesen Abschnitten häufig erwähnt werden? Diese beiden Tatsachen werden vor den Augen aller Völker im reinen Licht der Gnade erglänzen. Diese wird dem Volk vom Messias, der einst bei seinem ersten Kommen gelitten hat, gebracht werden. Er wird ein zweites Mal kommen, um ihm die verheißenen Segnungen zu bringen. Größer als Boas, wird Er sich keine Ruhe gönnen, bevor Er nicht das, was Er sich für sein Volk vorgenommen hat, abgeschlossen hat. Dann wird Jerusalem „eine prachtvolle Krone in der Hand des Herrn und ein königliches Diadem in der Hand seines Gottes“ sein.
Ganz im Unterschied zu dem, was sie war – eine Verlassene und Witwe –, wird man sie nun als jene kennen, die dem göttlichen Salomo angehört, wenn er mit der Krone, mit der seine Mutter ihn gekrönt hat am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens, erscheinen wird (Hld 3,11).
Jerusalem, heilige Stadt, Ort der vollkommenen Sicherheit für das Volk Gottes, du wirst für die ganze Erde zum Thema ihres Lobes. Wie glücklich sind deine Bewohner! Sie werden den Herrn in seinen heiligen Vorhöfen loben. Aber was wird mit denen sein, die ihr Teil in der himmlischen Stadt haben, der Stadt aus Gold, deren Grundlagen mit kostbaren Steinen geschmückt sind? Alle werden während des herrlichen Reiches, dessen Morgenröte am Horizont bereits erkennbar ist, ein gesegnetes und wunderbares Vorrecht besitzen. Der Herr wird sich nicht verspäten, denn „der Kommende wird kommen und nicht zögern“ (Heb 10,37).
Dann werden die Himmel der Erde antworten und die Erde dem Himmel. „Lobt den Herrn von den Himmeln her! Lobt den Herrn von der Erde her!“, sagt der Psalmist. An jenem Tag wird Israel als das Volk, das sich nahe bei seinem Messias aufhält, diesem Lobgesang, der sich von der Erde erhebt, einen besonderen Klang geben. Und wie intensiv wird das Lob sein, das von denen hervorgebracht wird, die sich mit Ihm im Himmel befinden! Herr, komm eilends, zögere nicht!
Doch bis zu dieser nahen Stunde, lasst uns wie aufmerksame Wächter Nacht und Tag auf der Mauer rufen, auf einer wichtigeren Mauer als jener, die Jerusalem umgehen wird. Lassen wir Ihm keine Ruhe, während wir den Augenblick erwarten, da Er seine Versammlung in die himmlische Herrlichkeit einführen wird.
Im ganzen Kapitel 62 sehen wir, wie der Messias, der Erlöser Israels, eilt, um sein Volk in die Segnungen, die Er ihm erworben hat, eintreten zu lassen. „Zieht, zieht durch die Tore, bereitet den Weg des Volkes; bahnt, bahnt die Straße, reinigt sie von Steinen; erhebt ein Panier über die Völker! Siehe, der Herr hat eine Kunde erschallen lassen nach dem Ende der Erde hin: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein Heil kommt; siehe, sein Lohn ist bei ihm, und seine Vergeltung geht vor ihm her. Und man wird sie nennen: das heilige Volk, die Erlösten des Herrn; und dich wird man nennen: die Gesuchte, Stadt, die nicht mehr verlassen wird.“
Aber es ist auch der Tag der Rache unseres Gottes. Der Herr hat bei seinem ersten Kommen nicht von Rache gesprochen. Wegen seiner Gerechtigkeit muss sie jedoch unwiderruflich ausgeführt werden. In Kapitel 34 kündet der Prophet diese Rache an und sagt uns, dass sie in Edom stattfinden muss. Hier in Jesaja 63,1-6 hat der Messias diese Rache soeben ausgeführt; es ist eine abgeschlossene Sache. Er ist prächtig in seinen Gewändern, die zwar in Blut getaucht sind, weil Er seine Feinde zertreten hat wie die Trauben in der Kelter und ihr Blut auf seine Kleider spritzte. Er war allein am Kreuz, um zu erretten; Er ist hier allein, um seine Feinde zu vernichten. Das Land Edom wird der Ort sein, wo sich die Menge der Widerspenstigen gegen Ihn versammeln wird, und dort ist es, wo sie Ihm im Gericht begegnen werden.
Man darf diese Begebenheit nicht mit jener in Offenbarung 19 verwechseln, wo Er mit seinem in Blut getauchten Gewand erscheint, um seine Feinde daran zu erinnern, dass sein Blut und das seiner treuen Zeugen von ihnen vergossen wurde. Er befindet sich dort auf dem Weg, um mit ihnen zusammenzutreffen, und zeigt sich ihnen daher als Der, der Rechenschaft von ihnen fordern wird.
Hier ist also der Tag der Bestrafung seiner Feinde; es ist auch das Jahr seiner Erlösten. Vers 6 beschließt dieses Thema, das mit Kapitel 61 beginnt.