Behandelter Abschnitt Jes 38
Jesaja 38
Die beiden vorhergehenden Kapitel zeigen uns Hiskia, wie er mit dem König von Assyrien zu tun hatte. In diesem hier befindet er sich vor „dem König der Schrecken“.
Im einen wie im andern Fall wendet er sich zum Herrn, und jedes Mal wird er durch die mächtige Hand Gottes errettet. Der Vorhang des Tempels war noch nicht durch das Erlösungswerk am Kreuz zerrissen worden. Der Sohn des Menschen war noch nicht als Sieger dem Grab entstiegen, und alle Menschen, auch die treusten, waren während ihres ganzen Lebens durch Todesfurcht der Knechtschaft unterworfen. Sie konnten noch nicht in den Triumphruf des Glaubens einstimmen: „Wo ist, o Tod, dein Stachel? Wo ist, o Tod, dein Sieg?“ Zweifellos besaßen diese gottesfürchtigen Menschen Leben aus Gott, und sie werden auferstehen, wie es uns das Grabmal von Machpela deutlich verkündet. Aber das Jenseits war für sie ein unbekannter Ort voll Finsternis. Es war ein zum Tod verurteilter Räuber, der als Erster erfuhr, dass er am gleichen Tag, an dem seine Seele und sein Geist sich von seinem Körper trennten, im Paradies Gottes sein würde, eine Wahrheit, die heute allen bekannt ist.
Hiskia war treu gewesen und dachte, dass er durch das Verlassen des Landes der Lebendigen einen Verlust erleiden würde. Für ihn war der Tod noch „der König der Schrecken“. In dieser Lage wandte er sich an Gott, der ihn daraus befreite, und nun konnte er in das Haus des Herrn hinaufgehen, wie er es sich gewünscht hatte (Jes 38,22). Einen solch hohen Wert besaß dieses Haus für ihn! Hier konnte sein dankbares Herz alle Saiten seiner Harfe im Gleichklang zum Schwingen bringen.
Aber diese ganze Begebenheit kann noch unter einem andern Gesichtspunkt betrachtet werden. Christus, der Sohn Davids, der als Einziger treu gewesen war, musste sterben. Sehen wir hier nicht die Strahlen der Herrlichkeit unseres Herrn, der mit starkem Geschrei und Tränen zu Dem gebetet und gefleht hat, der Ihn aus dem Tod erretten konnte, und der wegen seiner Frömmigkeit erhört worden ist? „Erforscht die Schriften“, hat Er gesagt, „sie sind es, die von mir zeugen.“ Für jede gottesfürchtige Seele findet sich hier ein gewaltiges Thema der Andacht und des Nachsinnens.
Schließlich haben wir hier zweifellos auch ein Bild der Übungen, durch die der treue Überrest am Ende der Zeit hindurchgehen muss. Bevor er den Segen genießen kann, muss er in seiner Seele das ganze Gewicht des Todes als die unvermeidliche Folge eines übertretenen Gesetzes und den Lohn der Sünde fühlen. Er wird vor seiner Befreiung den ganzen Schrecken davon erfahren müssen und dann verstehen, dass der Sohn Davids, sein Messias, in Gnade gekommen ist, um die Folgen der Übertretungen seines Volkes zu erleiden und selbst die Strafe dafür zu tragen. Dieser Überrest wird die Vergebung des Herrn, der alle ihre Sünden hinter seinen Rücken geworfen hat, um seinen Erlösten das Leben zurückzugeben, ergreifen. Er wird auch verstehen, dass sie nicht in den Scheol hinabfahren werden. Dann werden sie den Herrn in seinem Tempel mit Saiteninstrumenten loben.
Haben die Gläubigen, die heute leben, nicht ähnliche Herzensübungen durchmachen müssen, um Loblieder gleichen Inhalts singen zu können?