Das letzte dieser örtlich begrenzten Gerichtsankündigungen kommt hier vor uns ‒ „Ausspruch über Tyrus“. Diese Stadt ist das Vorbild der kommerziellen Herrlichkeit der Welt; wohlhabend, korrupt und selbstbewusst, die aber nach einer langen Belagerung durch Nebukadnezar eingenommen wird, wenn auch nicht zerstört. So historisch ist die Zerstörung, die nicht nur hier, sondern auch in Hesekiel 26‒28 angekündigt wird. Tyrus und die Tyrer bildeten das Zentrum des Handels der alten Welt, das Zentrum aller Waren und des Luxus jener Tage, die Verbindung zwischen dem Westen und dem Osten durch „die Tarsis-Schiffe“. Sein Untergang konnte daher nicht anders, als die Bewohner der Erde schmerzlich und allgemein zu treffen; und das umso mehr, als die Handelskonkurrenten weniger waren als heute. Doch wie würde sich in unseren Tagen der Sturz des stolzesten Sitzes des modernen Handels nicht bis an die Enden der Erde bemerkbar machen? Wir wissen von anderer Stelle, dass die Belagerung für eine ganz ungewöhnliche Zeitspanne, nämlich dreizehn Jahre, verlängert wurde; in der Tat brauchen wir nicht über den prophetischen Bericht in Hesekiel20 hinauszugehen, um zu erfahren, wie schwer die Aufgabe für den chaldäischen Eroberer war; aber umso größer war die moralische Wirkung ihres Untergangs. So blieben Tyrus und Sidon die sprichwörtliche und eindringlichste Warnung vor dem göttlichen Gericht, wie man aus der Erwähnung unseres Herrn entnehmen kann.
Ausspruch über Tyrus. Heult, ihr Tarsis-Schiffe! Denn Tyrus ist verwüstet, ist ohne Haus, ohne Eingehenden. Vom Land der Kittäer her ist es ihnen kundgeworden (23,1).
20 Sacharja 9,3.4 spielt, wie es scheint, eher auf den mazedonischen Führer an, der die Küstenstädte Phöniziens und Israels im Norden und Süden so rücksichtslos verwüstete. Das ist zumindest der historische Anlass, denn der Heilige Geist hat hier wie überall die abschließenden Konflikte im Auge und den zukünftigen Sieg Israels unter dem Messias. Manche meinen, Jesaja 23 beziehe sich auf die Belagerung von Tyrus durch Salmaneser, doch das scheint bis zum letzten Grad unwahrscheinlich, da die Stadt bald darauf in einem üppigen und mächtigen Zustand gesehen wird. Andere leugnen sogar ihre Einnahme durch Nebukadnezar; aber Hesekiel 29,18 lehrt nicht, dass er sie nicht einnahm, sondern dass die Ergebnisse nicht für die Zeit und Mühe entschädigten, mit der die Schiffe von Tyrus die Schätze anderswohin gebracht hatten.↩︎