Behandelter Abschnitt 1Sam 21
Wir beginnen nun einen Teil der Geschichte Davids, der sich deutlich von dem unterscheidet, was wir bisher hatten, und der mit den Bemühungen Jonathans endete, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen und Saul wenigstens öffentlich an ihn zu binden. Jonathan selbst war davon überzeugt, dass dies vergeblich war. Und während er in die Stadt geht, hält David sich mehr und mehr in der Wüste auf, am Platz des Pilgers und des Fremden, ja des Ausgestoßenen – zunehmend die Zielscheibe der Eifersucht und des Hasses des Königs Saul. Dies ist es, was ihn auf einen Weg führt, auf dem seine Geschichte immer deutlicher zu einem Vorbild wird. Hier hat der Geist Christi vor allem die Aufgabe, das Leben unseres Herrn Jesus als von den Menschen Verworfener vorzubilden; und jetzt gab es auch Anlässe für jene wunderbaren Kompositionen, die Psalmen, oder zumindest für sehr viele von ihnen, in denen dieser Geist die Empfindungen, Wege und die irdische Herrlichkeit Christi vorwegnimmt.
Die gegenwärtige Gelegenheit erinnert jedoch an eine Beobachtung, die oft auf die Umstände anwendbar ist, die jene Ausbrüche des Herzens in der Prüfung hervorriefen. Wer kann sich mit Recht des Menschen rühmen? Keiner, der nur das versteht, was die große Kluft zwischen David und Christus deutlich macht. Und das dürfen wir umso mehr bemerken (obwohl es bei mehr als einer Gelegenheit ganz besonders sein kann), als dies die Anfangsszene ist. Wir werden sie fast bis zum Schluss finden. Wenn Gott seine Macht ausüben und David an die Spitze Israels setzen wollte, würde Er es sowohl David als auch jedem anderen, der ein Ohr hat, zu hören, sehr deutlich machen, dass es aus seiner reinen Gnade geschah. Der Mensch hatte es in keiner Weise verdient. Die Zeit war noch nicht gekommen für jemanden, dessen Wege der Ausdruck Gottes selbst waren – dessen Wege dem Vater bei jedem Schritt Ehre brachten. David war geliebt, und große Dinge standen ihm bevor; doch er war nur ein Mensch, und ein sündiger Mensch. Die Gnade konnte ihn zu einem Vorbild machen, aber er war nur ein Vorbild.
Bei dieser auffallenden Gelegenheit, bei der sich die Gnade in entscheidender Weise durchsetzt (und der Herr Jesus selbst bezieht sich darauf und zieht die Parallele zwischen der Stellung Davids und seiner eigenen, als Er in Israel immer mehr verworfen wurde), ist es unmöglich zu übersehen, dass David uns mit einer Geschichte im Mund vorgestellt wird, die alles andere als wahr war. Aber der Priester wurde von den Umständen mit großer Besorgnis getroffen; denn auch er hatte wenig Verständnis für die Gedanken Gottes. Er war beunruhigt über David. Er ahnte, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber Gott bewegt sich über allen Wolken; und das ist der einzige gerechte Grund für Vertrauen.
Ob wir also David oder den Priester betrachten, es gab keinen Grund, sich zu rühmen. Dennoch gab es gerade in diesen Umständen das, was Christus zu einem ewigem Gewinn macht. Sehr wahrscheinlich wären wir an dieser Geschichte ohne Erbauung vorbeigegangen; wir hätten in ihr vielleicht nichts gesehen, was uns an einem dunklen Tag hätte leiten können. Aber Jesus ist das Licht, und in seinem Licht allein können wir das Licht sehen. Und so zieht Er für uns aus dem kostbaren Wort Gottes diese erstaunliche Tatsache (denn es ist wirklich so), dass die Verwerfung des Geliebten Gottes inmitten Gottes eigenem Volk das entweiht, was am meisten geheiligt war. Wie könnte irgendetwas, das David brauchte, in den Augen Gottes noch als heilig angesehen werden, wenn David, der Gesalbte des Herrn, verworfen war?
Deshalb war das Brot der Priester für seine Bedürfnisse nicht mehr als gewöhnliches Brot. Hatte er einen Mangel? Aus diesem Vorrat musste er genauso versorgt werden wie aus jedem anderen. Die zeremoniellen Beschränkungen des Gesetzes sind alle gut genug, wo die Dinge wirklich dem Gesetz entsprechen. Doch was ist mit dem, der der zentrale Gegenstand ist, auf den sich alle seine Verordnungen richten, wenn er um Gottes willen ausgestoßen wird und Er und die Seinen so in Not sind? Würde Gott diese Formen gegen den Mann seines eigenen Herzens aufrechterhalten? Unmöglich! Und darum gibt ihm der Priester das geheiligte Brot; denn es gab dort kein Brot außer dem Schaubrot, das vor dem Herrn weggenommen wurde, das die Speise der Priester war.
Aber hier, wie überall, wie unaussprechlich erhaben ist der Herr Jesus, „heilig, unschuldig, unbefleckt“ (Heb 7,25.26)! Wir finden in seiner Geschichte, dass die Beschränkungen des Gesetzes und seine Vorschriften ihre Kraft verlieren, wenn Er verworfen auf dem Weg zum Kreuz ist. Das wird im Fall des samaritanischen Aussätzigen schön herausgestellt; nicht, dass man strenggenommen annehmen könnte, dass er unter dem Gesetz stand wie ein Jude, sondern dass sein Fall die Überlegenheit der Person des Herrn Jesus und der Kraft Gottes, die durch Ihn wirkte, deutlich machte. Es wurde damals gegen alle solche Forderungen bewiesen, während ein Jude warten musste, bis das Kreuz es für ihn bewies. Der Samariter, unwissend wie er war, war umso offener, die Herrlichkeit des Herrn Jesus zu sehen; und er lernte sie zuerst kennen, wie wir alle es müssen, wenn wir sie richtig kennenlernen, durch seine elende Not, die in göttlicher Gnade gestillt wurde.
Dort sollten wir beginnen. Wir sind bloße Theoretiker, wenn wir es nicht tun, und es ist gefährlich für uns, wo das Gewissen, das zu seinen Bedürfnissen vor Gott erwacht ist, nicht der Dreh- und Angelpunkt des ersten Zugangs zu Gott ist. Aber sollen wir dann immer dort an der Tür stehenbleiben? Gewiss nicht. Eine Tür ist dazu da, um durch sie einzutreten, und es ist sowohl unmöglich als auch falsch, den Gott aller Gnade auf die Versorgung unserer ersten Bedürfnisse als Sünder zu beschränken, auch wenn sie für uns wesentlich sind. Mögen diese Vorräte auch noch so reich und gesegnet sein, wir dürfen Gott selbst in Christus erkennen und genießen. Das war es, was der Herr Jesus zumindest im Wesentlichen zeigte, der Glaube, der zu Ihm zurückkam, anstatt zu den Priestern weiterzugehen. Während Er also die, die unter dem Gesetz waren, für den Augenblick an ihrem Platz ließ, behauptete Er im Prinzip, wo es möglich war und als Antwort auf den Glauben, eben jene Gnade, die nachher vollkommen leuchten sollte, als das Kreuz sie für alle zur Gerechtigkeit gemacht hatte.
Danach öffnet sich eine weitere Szene: David, der nun das einst geheiligte Brot für sich und seine Männer empfangen hat, bittet um mehr – um alles, was er wollte. Er konnte darin kühn sein, denn alles, was er wollte, war zur Ehre Gottes. Beim Schwert Goliaths ging es nicht so sehr um eine persönliche Erinnerung, sondern er hatte weder Waffen noch Kriegsgerät dabei. Die Antwort des Priesters lautete: „Das Schwert Goliath, des Philisters, den du im Terebinthental erschlagen hast, siehe, es ist in ein Oberkleid gewickelt hinter dem Ephod; wenn du es dir nehmen willst, so nimm es, denn es ist kein anderes hier außer diesem“ (V. 10b). Ein seltsamer Ort, mögen wir denken, um es zu finden; aber in Wahrheit ist es nicht so. Wie David sagte: „Seinesgleichen gibt es nicht; gib es mir!“ (V. 10c). Es war das Zeichen eines großen Tages für Israel, einer großen Niederlage für den Philister; aber es war das Schwert, das zum Tod führte, um den Sieg zu erringen. War es die Kraft oder das Geschick Davids, das im wahrsten Sinn des Wortes das Mittel zum Sieg wurde? War es nicht sein Glaube, der überwunden hat, wie er allein jetzt die Welt überwindet? Um auf diese Weise zu siegen, muss die Waffe, die aus dem Tod genommen wurde, durch den Geist in der Kraft des Lebens in Christus geschwungen werden. Sonst ist sie nutzlos, wie Goliath bewies.
Doch auf einen Tag der Ehre kann sogleich ein Tag der Schande folgen, und niemand ist von der Notwendigkeit der Abhängigkeit von Gott und seiner Führung ausgenommen. Wie demütigend ist es, zu sehen, wie David „an diesem Tag“ aus Angst vor Saul zu Achis, dem König von Gat, flieht! Sogar die Erinnerung an Gottes frühen Einsatz Davids, der hier von den Lippen der Philister in Erinnerung gerufen wird, erweckt nicht das Vertrauen in Ihn, sondern umso mehr Furcht vor Achis. „Und er verstellte seinen Verstand vor ihren Augen und tat unsinnig unter ihren Händen, und er kritzelte an die Flügel des Tores und ließ seinen Speichel auf seinen Bart herabfließen. Da sprach Achis zu seinen Knechten: Siehe, ihr seht einen wahnsinnigen Mann; warum bringt ihr ihn zu mir? Fehlt es mir an Wahnsinnigen, dass ihr diesen hergebracht habt, um sich bei mir wahnsinnig zu gebärden? Sollte der in mein Haus kommen?“ (V. 14–16). Aber die Gnade weiß, wie sie den niedrigen Zustand des Gläubigen zu ihren Gunsten wenden kann, wie wir im Folgenden lernen können.