Behandelter Abschnitt Off 20,13-15
Aber dem Heiligen Geist geht es bei Johannes darum, die beiden Auferstehungen gegenüberzustellen. Deshalb wird in dem Bericht über die erste Auferstehung kein Wort darüber gesagt, dass wir vor Ihm Rechenschaft ablegen, dass jeder die Dinge, die er im Leib getan hat, ob gut oder schlecht, erhält; sondern wir werden als Richter der anderen dargestellt. So wird auch die Auferstehung des Lebens beschrieben. „Und ich sah Throne, und sie saßen darauf, und es wurde ihnen gegeben, Gericht zu halten“ (20,4). Natürlich legen sie vor dem Herrn Rechenschaft über sich selbst ab und werden entsprechend belohnt; aber der Heilige Geist hat seine eigenen weisen Gründe dafür, dass Er hier jeden Hinweis darauf unterlässt. Es ist eine Auferstehung des Lebens im Evangelium; und so ist es auch in der Offenbarung. Aber wenn wir zu den Übrigen der Toten kommen, die nichts Gutes getan haben, wenn sie auferweckt werden und vor dem Thron stehen, was für ein Gegensatz zu einer Auferstehung des Lebens! Sie haben nur Böses getan; und wenn das Buch des Lebens geöffnet wird, ist dort kein Name zu finden; denn dies ist keine Auferstehung des Lebens, sondern des Gerichts. Sie werden nach ihren Werken gerichtet werden, die in diesen anderen Büchern geschrieben stehen; aber ihre Werke rufen nach Gericht. Da ihre Werke nur und immer böse sind, werden sie nach ihnen gerichtet; und was ist das Ergebnis?
Und das Meer gab die Toten, die in ihm waren, und der Tod und der Hades gaben die Toten, die in ihnen waren, und sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Werken. Und der Tod und der Hades wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite Tod, der Feuersee. Und wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buch des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen (20,13–15).
Es mochte unter ihnen in mancher Hinsicht ein Unterschied sein: Es gab Große und Kleine. Aber darin waren sie alle gleich: Sie wurden nicht geschrieben gefunden im Buch des Lebens; und wer nicht dort geschrieben gefunden wurde, wurde in „den Feuersee geworfen“. Kein Wort wird gesagt oder angedeutet, dass sie dort geschrieben waren. Dies ist eine Auferstehung derer, die kein Teil in diesem Buch haben, und sie werden in den Feuersee geworfen. Es ist, als würde Gott sagen: Die Bücher ihrer Werke rufen nach dem Gericht; gibt es nichts zu sagen zur Verteidigung dieser elenden Menschen? Das Buch des Lebens wird also aufgeschlagen; aber sie werden dort nicht gefunden: Die letzte Hoffnung ist dahin.
Es ist die Auferstehung des Gerichts. Dort gibt es kein Leben, keine Barmherzigkeit. Diejenigen, die ihren Anteil an der Auferstehung des Lebens hatten, sind schon lange vorher auferweckt worden und kamen überhaupt nicht in das Gericht; denn es heißt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht [dasselbe Wort wie in den Versen 22.27.29], sondern er ist aus dem Tod in das Leben übergegangen“ (Joh 5,24).
Nichts kann also sicherer sein, als dass es sich hier um eine gesonderte Auferstehung handelt, die einen anderen Charakter hat und zeitlich lange auseinander liegt. Die Auferstehung des Lebens hatte schon längst stattgefunden, und nun kommt die Auferstehung des Gerichts.
Die Tiefen, die der Mensch nur unvollkommen erforschen konnte, können sich keinen Augenblick länger verbergen. Nein, auch die unsichtbare Welt, über die er keine Kontrolle hat, ist gezwungen, ihre elenden Insassen herzugeben.
Und ihre Werke verdammen sie. Kein Wort steht über sie im Buch des Lebens, und sie werden in den Feuersee geworfen. Das ist der zweite Tod, der Feuersee. Sie werden von ihrem ersten Tod auferweckt, um für immer an diesen Ort der Qual geworfen zu werden, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Die andere Schriftstelle, die oft mit großem Nachdruck als Beweis für eine allgemeine Auferstehung herangezogen wird, ist die im Buch Daniel. Was finden wir dort? In Daniel 12,1 heißt es: „Und in jener Zeit wird Michael aufstehen, der große Fürst, der für die Kinder deines Volkes steht [gemeint ist Daniels Volk, die Juden]; und es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit.“ Offensichtlich ist dies nicht das Friedensreich. „Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird.“ Das ist nicht die Zeit, in der die Versammlung erlöst wird; denn wir sind schon längst durch das Kreuz des Herrn Jesus Christus erlöst worden. Aber seit dem Kreuz Christi war das jüdische Volk nur noch im Elend: Das Kreuz war ihre Schuld. Sie schrien: „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder“ (Mt 27,25). Die Zeit ihres größten Leidens wird unmittelbar vor der Stunde ihrer Befreiung sein (Jer 30,7).
Unsere Befreiung wie auch die ihre ruht auf den Leiden eines anderen; aber was wir leiden, ist nach unserer Befreiung. Für die Juden ist es ein anderes Schicksal. Sie haben noch eine ungeheure Drangsal zu bestehen, und es wird die schlimmste sein, die sie je erlebt haben werden. Aber gleich danach kommt ihre endgültige Befreiung: „Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden“. Sie werden nicht nur als Volk erlöst werden, sondern sie werden einzeln errettet und bekehrt werden, gemäß Gottes Absicht: „jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird.“ – „Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu“ (Dan 12,2).
Dies wird gemeinhin auf die Auferstehung angewandt; aber ich bin überzeugt, dass es sich nicht auf die Auferstehung des Körpers bezieht. Es ist ein Bild, das in der Tat davon genommen wird, und das diese große Wahrheit als bekannt voraussetzt. Aber es ist dieselbe Art von Ausdruck und wird auf einen ähnlichen Gegenstand und Zweck angewandt, den ich in Jesaja 26,19 erwähnt habe, wo Israel „meine Leichen“ genannt werden, die im Staub liegen. Sie werden aufgefordert, zu erwachen und zu singen. So heißt es hier: „Und viele von denen, die im Staub der Erde schlafen, werden erwachen: diese zu ewigem Leben und jene zur Schande, zu ewigem Abscheu.“ Dies passt zu keinem Auslegungsschema, wenn es auf eine buchstäbliche leibliche Auferstehung von Guten und Bösen im gleichen Augenblick angewendet wird.
Du wirst feststellen, dass dies vor dem Friedensreich geschieht. Es ist offensichtlich vor der Zeit der Befreiung und des Segens. Es gibt eine Zeit der Drangsal, aus der Daniels Volk befreit wird, und die, die vielleicht in Vergessenheit geraten waren (die sozusagen unter den Heiden schliefen), erscheinen wieder, aber nicht alle zum gleichen Zweck, sondern einige zur Schande und einige zu ewigem Leben (vgl. auch Jes 66,20.24). Dies entspricht nicht dem Zweck derer, die den Text zitieren. Denn ihre Vorstellung ist, dass es zuerst das Friedensreich gibt, und dann die Auferstehung der Guten und Bösen. Diese Auferstehung, buchstäblich oder bildlich, ist vor dem Friedensreich, und danach ist eine Zeit größter Not, wie Israel sie noch nie gekannt hat.
Meine Überzeugung ist daher, dass Daniel 12 sich auf die Juden bezieht. Zunächst wird in Vers 1 von denen gesprochen, die befreit werden sollen, und zwar im Zusammenhang mit dem Land Israel. Dann wird gezeigt, dass viele von ihnen, die im Staub der Erde geschlafen haben, aus ihrer Erniedrigung herauskommen werden, erwachen werden, einige zum ewigen Leben und so weiter. Einige der Juden, die aus ihren Verstecken auf der ganzen Erde hervorkommen sollen, werden sich als Rebellen erweisen und entsprechend behandelt werden, während andere erfahren werden, dass der Herr mit ihnen um seines Namens willen gehandelt hat. Wir können dies mit Hesekiel 37 vergleichen, wo die trockenen Gebeine das Haus Israel darstellen. Kein ernsthafter Mensch kann an dieser Stelle zweifeln; denn der Herr selbst hat sie als Bild für die zukünftige Auferstehung Israels gedeutet. „Siehe, ich werde eure Gräber öffnen und euch aus euren Gräbern heraufkommen lassen, mein Volk“ (Hes 37,12). Und wenn in Daniel gesagt wird, dass einige das ewige Leben haben werden, sagt Hesekiel, dass der Herr seinen Geist in sie legen wird. Es ist sowohl eine geistliche als auch eine nationale Wiederherstellung. Die Stelle in Daniel bezieht sich also auf eine bildliche Auferstehung Israels, wenn einige aus ihrem moralischen Tod erwachen werden.
Wir können nun zu Kapitel 20 zurückkehren mit der verstärkten Überzeugung, dass die Lehre von einer allgemeinen Auferstehung ein völliger Irrtum ist und dass Gottes Wort eine Auferstehung der Gerechten und eine andere der Ungerechten lehrt. Das, wovon am Ende unseres Kapitels gesprochen wird, handelt ausschließlich von den bösen Toten; es ist eine Auferstehung des Gerichts.
Ich frage euch, ob ihr das Heil eurer Seelen auf eure Werke stützen könnt. Ich gebe zu, dass unsere Werke geprüft werden und dass wir dementsprechend empfangen werden; aber das ist nicht dasselbe, wie nach ihnen gerichtet zu werden. In dem einen Fall wird der Mensch angenommen, aber seine Werke werden zum Lob oder Tadel geprüft; in dem anderen Fall wird der Mensch nach den Werken gerichtet, die nicht gemischt sind, sondern ganz und gar böse und nur solche. Denn ein natürlicher oder unbekehrter Mensch hat kein Leben im Blick auf Gott; daher hat er nichts als böse Werke, nach denen er gerichtet wird. Nicht so bei dem Gläubigen. Zweifellos gibt es in ihm manchmal gemischte Werke, manchmal noch schlimmere; aber er hat einen Stand, der über alles hinausgeht, was er ist; sonst wäre eine Errettung in Gerechtigkeit und Frieden unmöglich. Er hat die neue Natur, die Gott gegeben hat und nicht weggenommen wird; er hat auch die Erlösung, die Vergebung der Sünden – beides in Christus. Seine Werke werden geprüft werden, und sie haben einen sehr wichtigen Einfluss auf die Stellung, die der Herr ihm in seinem Reich zuweisen wird. Gerettet zu werden oder verlorenzugehen ist niemals eine Frage der Belohnung, sondern der Gnade und der Macht Christi. Wenn wir von Belohnung sprechen, ist es eine Schuld, die für geleistete Arbeit fällig ist; aber wenn es um Errettung geht, wird in der Schrift nie von einer Belohnung für Werke gesprochen. Sie ist die Gnade Christi – die Frucht seiner Mühsal und seines Leidens, die Gott uns in souveräner Liebe geschenkt hat.
Und wenn wir vor Christus stehen, werden wir nicht verurteilt oder freigesprochen: Das hieße, unsere Rechtfertigung und den Wert seines eigenen Werkes zu leugnen. Alle unsere Wege werden im Licht Gottes offenbart werden, und der Herr wird uns triumphierend hindurchführen. Aber Er wird nicht über eine einzige Tat, ein einziges Wort oder einen einzigen Gedanken hinweggehen, der gegen Ihn gewesen ist. Und so wie ein Christ jetzt vor Gott seine Wege prüfen, sie beurteilen und Gott für seine treue Zucht danken kann, so wird es in einer noch helleren und gesegneteren und vollkommeneren Weise vor dem Richterstuhl Christi sein. Es wird dann nicht nur darum gehen, errettet zu werden, sondern darum, die Herrlichkeit und Güte des Herrn zu rechtfertigen.
Das ist sicher ernst; aber ist es eine Sache, die wir fürchten sollten? Wir werden in alle Ewigkeit dafür dankbar sein. Denn schon jetzt ist das Selbstgericht kein geringer Segen – vielleicht gleichwertig mit der Freude der Gnade, die dazu führt, dass wir Gott anbeten und Ihm treu im Geist dienen. Wir werden kein Wort zur Rechtfertigung irgendeines Fehlers zu sagen haben. Doch der Herr wird viel zu uns zu sagen haben. Er wird alles hervorbringen, was wir getan haben, und wir werden dementsprechend Lohn empfangen. Für Böses werden wir Verlust erleiden; für Gutes wird Er uns Lohn geben.
Aber was für ein Unterschied ist hier! Die Toten stehen jetzt vor dem Thron: Welch ein Ende! Nicht Vernichtung, sondern unvergleichlich schlimmer – Verdammnis. Sie haben kein Leben – nichts als tote Werke. Sie haben Christus abgelehnt; sie haben das Zeugnis verworfen, mit dem Gott sie geprüft hat. Und was verdienen sie mit ihren Werken? Sie werden in den Feuersee geworfen. Der Tod und der Hades werden jetzt nicht mehr gebraucht; sie werden als die Feinde Gottes und der Menschen personifiziert und als solche in der Vision auch in den Feuersee geworfen (20,14).
Wir hören hier von niemandem als nur von Ungläubigen. Nur solche kommen in der Tat ins Gericht, wie wir von dem wissen, der uns versichert, dass Gläubige nicht dorthin kommen; und keiner, mit dem Gott ins Gericht geht, ist oder kann gerechtfertigt werden. Es ist das Gericht der Toten, nachdem alle Gerechten, die in Christus entschlafen sind, auferweckt wurden, um lange vorher mit Ihm zu herrschen. Die Gläubigen, die gelebt haben, treten nicht in dieses Gericht ein, obwohl sie ohne Zweifel, wie wir, Gott Rechenschaft über alles ablegen werden.