Dieses Kapitel schießt die Episode ab, die die Posaunen von den Schalen trennt. Wir hörten, wie die Ereignisse unter der letzten Posaune angekündigt wurden; aber die Einzelheiten und die Mittel ihrer tatsächlichen Vollendung wurden uns nicht offenbart. Es gab Lieder im Himmel, die ihre Ergebnisse feierten; aber von der unmittelbaren Wirkung der letzten Posaune auf der Erde wurde nur allgemein gesprochen; und dies bis hin zum Ende von allem, einschließlich des endgültigen Gerichts der Toten.73
Dann wendet sich der Heilige Geist, wie wir gesehen haben, in Kapitel 12 und 13 ab, um uns die Quelle, den Charakter und die führenden Werkzeuge des letzten Ausbruchs des Bösen zu zeigen, über den die Schalen ausgegossen werden sollten, nach denen der Herr in persönlicher Rache handeln wird. Wir kommen, nehmen wir an, in einer umfassenden Geschichte zu einem Bericht über eine Schlacht, die das Schicksal der Welt zu jeder Zeit entscheidet. Der Autor hält inne, um den vorherigen Zustand der Parteien und die Ursachen, die zur Krise führten, zu beschreiben. Genau so wird uns hier sozusagen der Ernst der Vergeltung unter den Schalen gezeigt. So zeigen uns Kapitel 12 und 13, ganz zu schweigen von Kapitel 14, was zu einer solch furchtbaren Ausgießung des Zorns Gottes führte. Obwohl sie also wie eine Unterbrechung erscheinen mögen, waren sie notwendig, um uns die Schrecklichkeit des Bösen, mit dem der Herr zu tun hatte, angemessen einzuprägen. Wir haben in Kapitel 12 gesehen, dass Satan die mächtige und feinsinnige Quelle hinter der Szene war, die Christus und sein Volk von Anfang an hasste und bekämpfte. Dann gab es den Krieg im Himmel zwischen Michael und dem Drachen mit ihren jeweiligen Engeln; und schließlich wurde das Verhalten Satans, als er auf die Erde hinabgeworfen wurde, beschrieben und erklärt.
Erneut zeigt uns Kapitel 13, dass, so wie Gott sich den Menschen nicht nur in steinernen Tafeln, sondern in der Person seines Sohnes offenbart hat, damit die Menschen die göttliche Gnade so sehen, wie keine steinerne Tafel sie zeigen könnte (sondern eher das Gegenteil), und damit sie sie in ihren eigenen vertrauten Tönen hören können, so findet Satan eine für seine Zwecke geeignete Politik, indem er die Menschen auf der Erde gebraucht und sie zum Werkzeug und Ausdruck seines Willens macht. Daher handelt er durch die beiden Tiere, die zwei große Systeme oder ihre Führer darstellen, die während der kurzen Zeit des großen Zorns unseres Widersachers auf der Erde am Werk sein werden. Die Gewalt der Welt und ihr Stolz und ihre Lästerung werden durch das Tier, das aus dem Meer aufsteigt, dargestellt. Das Tier aus der Erde ist ebenso geeignet, die Menschen zu umgarnen, die eine Religion begehren, die Gott ausschließt und sich dem Menschen und der Welt anbiedert, wie das andere sie durch seine Macht einschüchtert oder sie durch seine Aufforderungen an ihren Ehrgeiz und ihre Liebe zur äußeren Schau verführt.
Aber dann stellt sich die Frage: Wenn Satan selbst und seine Instrumente so beschäftigt sind, was macht Gott dann? Ist Er die ganze Zeit untätig? Gleichgültig konnte Er nicht sein. Kapitel 14 scheint die Antwort auf diese Frage zu sein. Das Verderben von allem, was Gott dem Menschen gegeben hat, und von allem, was Satan sich ausdenken kann, wird dann in wenigen kurzen Monaten und Jahren zu einem furchtbaren Ergebnis kommen. So schrecklich das alles auch ist, und obwohl Gott die Welt scheinbar aufgegeben haben wird, um zu sehen, was Satan und die Menschen zusammen daraus machen werden, so wird Gott doch auch dann und dort wirken. Und erstens ist es jetzt nicht der Himmel, noch die Erde, noch das Meer: Keines davon ist der Grund oder Schauplatz dessen, was uns in den ersten Versen dieses Kapitels vor Augen geführt wird. Es wird ein neuer Punkt eingeführt, der vorher nicht erwähnt wurde, aber ein sehr wichtiger Punkt ist und voller Bedeutung.
Und ich sah: Und siehe, das Lamm stand auf dem Berg Zion und mit ihm 144 000, die seinen Namen und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben trugen (14,1).
Halten wir nun einen Moment inne und fragen uns, welche Vorstellungen der Heilige Geist mit dem Berg Zion vermittelt oder verbindet. Die Offenbarung setzt überall eine Bekanntschaft mit den anderen Teilen des Wortes Gottes voraus, von 1. Mose bis hin zum Ende des Neuen Testaments. Es wäre schwierig, irgendeinen Teil der Schrift zu finden, der nicht benötigt wird, um zu einem vollständigen Verständnis dieser wunderbaren Prophezeiung zu kommen.
Nehmen wir die vorliegende Anspielung auf Zion als Beispiel. Wenn ich nicht weiß, was Gott anderswo durch den Berg Zion lehrt, wie soll ich dann verstehen, was mit dieser Anfangsvision von Kapitel 14 gemeint ist? Die erste Gelegenheit, bei der Zion ins Blickfeld gerät, ist in der Geschichte Davids, als er König über ganz Israel wurde (2Sam 5). Und wie war der Zustand des Volkes damals? Israel hatte zuvor einen König nach ihrem eigenen Herzen gewählt; einen, der sie widerspiegelte, der an ihrer Spitze gehen und ihre Schlachten schlagen konnte. „Nun setze einen König über uns ein, dass er uns richte, gleich allen Nationen“ (1Sam 8,3). Saul war ihre Wahl, David der Auserwählte Gottes. Nicht, dass David nicht die Barmherzigkeit und Vergebung Gottes gebraucht hätte; denn in der Tat ist er nach Gottes Gunst an ihm tief gefallen. Es steht jedoch außer Frage, dass David in bemerkenswerter Weise in die Gedanken Gottes einging und entsprechend handelte. Er sündigte, das ist wahr, aber wer empfand und bekannte seine Sünde gründlicher als er? Wer rechtfertigte Gott mehr und nicht sich selbst? Andererseits hat Gott seine Sünde auch nicht auf die leichte Schulter genommen, weil er sich an David erfreute. Die Tat war geheim, aber sie wurde auf dem Dach seines Hauses bekanntgemacht. Er hatte seinen treuen Knecht verraten und das Haus seines Knechtes geschändet. Und was für eine Geschichte des Kummers zeigte sein eigenes Haus danach für viele lange Jahre! (2Sam 12).
Es geschah damals unter David, als Israel in Verwirrung war, als die Priester sie verderbt hatten und der König keine Befreiung bewirkt hatte, als alle sich gegen Gott auflehnten und ständig den Angriffen und der Tyrannei ihrer philisterhaften Nachbarn ausgesetzt waren. Alles war in Trümmern; das Heiligtum, in welchem Zustand war es! Das Zelt der Zusammenkunft und die Lade Gottes waren voneinander getrennt. So bot sich in jeder Hinsicht, ob heilig oder politisch, ob groß oder klein, ob öffentlich oder privat, ein äußerst düsteres Bild. Und da begann Gott, durch seinen Geist kräftig im Volk zu wirken. Zurecht litten sie unter dem Gesetz, das sie am Sinai empfangen hatten. Zwar gab es inmitten von allem auch Barmherzigkeit und Treue von Seiten Gottes; aber dennoch nahm das Böse schnell zu, und in Israel gab es keine Hoffnung und keine Hilfe. Und was dann? Gott ruft David Schritt für Schritt heraus, und Zion nimmt einen ganz besonderen Platz in seiner Geschichte ein. Dort wurde Davids Stadt gebaut, der Sitz seines Königtums. Man mag jetzt in der Welt nicht viel daran denken, aber in gewissem Sinn hängt der ganze Segen dieser Welt als solcher über diesem kleinen Fleck; und niemals wird es Ruhe oder Herrlichkeit für die Erde geben, bis die Stadt, die ein Halt in der abwärts gerichteten Entwicklung Israels war und ein Ruheort für den Glauben sein sollte, nach und nach von Gott eingenommen wird. In den Psalmen und den Propheten taucht sie immer wieder auf, der Geist Christi führt die Herzen der Gläubigen immer wieder dazu, das volle Ergebnis vorwegzunehmen, das das frühe Vorbild gleichsam im Keim versprach.
In Hebräer 12 bezieht sich der Heilige Geist darauf, wenn auch vielleicht auf eine andere Weise. Der große Gedanke ist immer noch das Eingreifen des Volkes Gottes. Der Abschnitt stellt die Position Israels der des Christen gegenüber. Und nachdem Er die Vision des Sinai beschrieben hat, mit seiner Dunkelheit und Finsternis und dem Sturm – alles sehr schrecklich sogar für den Vermittler, fährt Er fort: „sondern ihr seid gekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebendigen Gottes, dem himmlischen Jerusalem“ (Heb 12,22). Hier sehen wir genau dasselbe große und kostbare Prinzip. Israel war zum Sinai gekommen, und das war der Berg, der ihren ganzen Fortgang von Anfang bis Ende charakterisierte. Und was war das Ergebnis? Wie es mit Dunkelheit und Ferne begann, so endete es mit Elend und Tod. So wie sie waren und der Sinai war, konnten sie nicht anders, als vor Gott zurückzuschrecken; denn dort war Gott in seiner Majestät des Gerichts – nicht in der Liebe, die herabkommt und sich der Last annimmt, um sie wegzunehmen. Das konnte auf dem Sinai nicht sein; denn dort war es ein gerechter Gott nur in der Gegenwart von Sündern; und deshalb konnte Er nur überwältigen und alle mit Schrecken und der Vorahnung des Gerichts erfüllen. Es müssen Grenzen um den Berg abgesteckt werden. Wenn auch nur ein unbewusstes Tier ihn berührte, war der Tod die Strafe; und das war der Sinai. „Sondern ihr seid gekommen“, sagt der Geist, „zum Berg Zion“, dem „Berg“ des Eingreifens Gottes in Gnaden, wie der Sinai der Berg der Verantwortung des Menschen war; und was konnte am Sinai die Wirkung für den Sünder sein? Nur, dass sein Gewissen mit dem Schrecken des Todes bedrängt wurde. Der Israelit war so gut wie ein toter Mann, als er dort stand, da er bereits ein Sünder war; und der Tod würde ebenso sicher vollzogen werden, nachdem er den brennenden Berg verlassen hatte. Der Apostel zeigt den christlichen Grund der Gnade, das genaue Gegenteil davon, dass der Mensch vor einem Gott zittert, der in gerechter Weise fordert, was das Fleisch nicht tun kann. Jetzt ist es Gott, der herabgestiegen ist – es ist Gott, der sein Werk der Liebe vollbracht hat. Als Zion zum ersten Mal namentlich erschien, war es, als Israel – Volk, Priester, König – völlig versagt hatte. Dann griff Gott ungefragt ein, setzte den König seiner Wahl in Zion ein und erhob Ihn und seinen Sohn zu einer solchen Höhe der Herrlichkeit, wie es sie nie wieder in Israel gab oder geben wird, bis der wahre David kommt und seine königliche Herrlichkeit auf Zion errichtet, die nie mehr entfernt werden soll.
Das Prinzip, um das es bei Zion geht, ist also das Wirken Gottes für sein Volk auf dem Weg der Gnade, als unter dem Gesetz alles verloren war. Das gibt dem Berg Zion in Kapitel 14 seine wahre Kraft. Es ist das gnädige Eingreifen Gottes zugunsten derer, die bei dem heiligen Leidenden – dem Lamm – sitzen. Gott handelt für seinen Sohn, indem Er seine Herrlichkeit auf der Erde betont und im Herzen einen Überrest um Ihn sammelt, der nicht nur als Diener Gottes versiegelt ist (wie eine ähnliche Schar aus den zwölf Stämmen Israels in Kapitel 7), sondern in Verbindung mit dem Lamm in Zion gebracht wird, das heißt mit den königlichen Absichten Gottes in der Gnade. Diese scheinen mir Leidende aus Juda zu sein, die durch die unvergleichliche Drangsal gehen, von der nicht gesagt wird, dass der andere Überrest es tut. Das ist es, was gemeint ist, wenn sie mit dem Lamm auf dem Berg Zion stehen. Dort hat Johannes sie gesehen. Natürlich meine ich nicht, dass sie tatsächlich auf dem Berg Zion sein werden, oder dass sie notwendigerweise verstehen werden, was dieses Symbol bedeutet.
73 Daher geht es zu weit, und zwar nicht nur ohne Beweis, sondern ungenau, zu sagen, dass die Schalen die Entwicklung der siebten Posaune sind. Es hat kein Gewicht, zu behaupten, dass die Posaunen die Entwicklung des letzten Siegels sind. Das bezweifle ich nicht, denn unter diesem Siegel gibt es absolut nichts, außer einem halbstündigen Schweigen im Himmel, und dann werden die Posaunen den sieben Engeln gegeben und so weiter. Aber am Ende von Kapitel 11 gibt es nichts Vergleichbares. Denn dazwischen liegen die Kapitel 12‒14, von denen die letzte die Vision einer Gerichtsszene durch den Sohn des Menschen enthält, die unzweifelhaft nach den Schalen kommt. Was ist noch phantastischer als die opistho-graphische Theorie (Horae Apocalypticae, Bd. i. S. 99; iii. S. 4), das heißt die Vorstellung, dass die Schrift außen und innen auf die zweifache Serie von Visionen antwortet, von denen die eine, die sich auf hauptsächlich weltliche Dinge bezieht, in Kapitel 11 endet, und die andere, die sich hauptsächlich auf kirchliche Dinge bezieht, danach beginnt? Gewiss, weder Hesekiel 3,9.10 noch Sacharja 5,1‒3 sprechen dafür, sondern eher für das Gegenteil.↩︎