William Kelly
Kommentar von William Kelly (übersetzt mit DeepL)
Off 13,11Kommentar zu Offenbarung 13,11
Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen: Und es hatte zwei Hörner gleich einem Lamm, und es redete wie ein Drache (13,11).
Das Heraufsteigen des zweiten Tieres unterscheidet sich stark von dem Tier, das wir bereits vor uns hatten. Zuerst war da das Tier aus dem Meer; jetzt lesen wir: „Und ich sah ein anderes Tier aus der Erde heraufsteigen“. Wir haben in der ganzen Offenbarung gesehen, dass die Erde das Symbol für etwas politisch Stabiles und eine gewisse Ordnung ist – der richtige Schauplatz für das Zeugnis und die Wege Gottes und für eine beständige menschliche Regierung. Seine Vorrechte können missbraucht werden; es kann in einen Zustand schrecklicher moralischer Finsternis verfallen; denn gerade dort, wo es irgendeinen Segen von oben gibt, besteht die Gefahr der Verderbnis und Abtrünnigkeit. Das Meer hingegen ist ein loser, ungeordneter Zustand der Welt. Auch chronologisch könnte dies darauf hinweisen, dass der Aufstieg des zweiten Tieres auf das des ersten folgt. Wenn sich das siebenköpfige Ungeheuer erhebt, ist alles in Aufruhr; doch wenn und wo das zweite Tier auftaucht, sind die Dinge in gewisser Weise gefestigt. Es wird nun vom Land gesprochen – nicht mehr vom Wasser, dem Spielball aller Winde. Aber die Person, von der es heißt, dass sie aus der Erde heraufsteigt, ist nicht nur ein Individuum. Es ist eine politische und unterdrückende Macht, die ohne Gewissen gegenüber Gott handelt – ein Tier.68 Es mag sein, und ich bezweifle nicht, dass es ein bestimmtes Individuum ist, das die Macht ausübt, wie beim ersten Tier. Aber Tier als Symbol bedeutet nicht ein Individuum als solches, sondern eine imperiale Macht, manchmal mit aufrührerischen Vasallen, die sich selbst unterworfen haben.
Außerdem war dieses Tier offensichtlich von einer außergewöhnlichen Art; denn es ist durch eine Nachahmung Christi gekennzeichnet. Es hat „zwei Hörner gleich einem Lamm“. Der Herr wird, wie wir bemerkt haben, in der Offenbarung oft als das „Lamm“ bezeichnet. Während Er auf dem Thron Gottes sitzt und als der große Leidende beschrieben wird, der aktiv mit dem leidenden Volk Gottes mitfühlt. Dann wird Er als Lamm gesehen. Aber wenn die Gläubigen ihr eigentliches Los der irdischen Verwerfung verlassen und es aufgeben, hört der Herr auf, so symbolisiert zu werden. Er scheint sich ihrer zu schämen und zieht sich in die Ferne zurück und wird als ein Engel und nicht mehr als ein Lamm gesehen. Das Außergewöhnliche, was wir hier sehen, ist, dass dieses Tier vorgibt, wie Christus zu sein. Es hat zwei Hörner wie ein Lamm. Es gibt sozusagen vor, wie Christus zu sein, was die Amtsgewalt angeht. Während das Horn als Symbol für einen König verwendet wird, kann es auch einfach Macht bedeuten. Es wurde so verwendet, als man von David sprach, „das Horn seines Gesalbten“ und so weiter; aber noch klarer wird diese Bedeutung, wenn wir den Herrn Jesus betrachten, der in diesem Buch als jemand mit sieben Hörnern und sieben Augen gesehen wird. Es ist klar, dass die sieben Hörner dort nicht sieben Könige sein können; so dass die Hörner, je nach Zusammenhang, entweder Könige bedeuten oder einfach Macht sein können. Bei dem ersten Tier wird uns gesagt, dass sie Könige bedeuten; aber an sich müssen sie das nicht sein, und hier scheinen sie nicht mehr als Macht zu bedeuten. Es ist nicht die Vollkommenheit der Macht, wie sie im Lamm gesehen wird, sondern nur die entsprechende Anmaßung: Es hatte zwei Hörner. Es hat dem Geist Gottes gefallen, uns in Kapitel 17 dieses Buches zu zeigen, dass die zehn Hörner des ersten Tieres zehn Könige sind (Kap. 17,12).
So weit ist also alles klar, was dieses zweite Tier betrifft. Es ist eine korporative Macht, die heranwächst, als alles gebildet und geordnet war, und folglich nach dem Erscheinen des ersten Tieres entsteht. Mehr als das: Es maßt sich die Macht Christi an (es hat zwei Hörner wie ein Lamm); aber seine Rede verrät es – es redet wie ein Drache. Aus der Fülle des Herzens, wissen wir, redet der Mund (Mt 12,34). Wie auch immer er äußerlich aussehen mag, wenn er die wahren Gefühle seines Herzens äußert, ist es die Stimme des Drachens. Das liegt auch in dem Ausdruck drakonische Stimme. Sie ist die große aktive Macht des Bösen in der Endzeit. Das ist ein Unterschied zwischen diesen Tieren. Das erste Tier ist das, das zur Schau gestellt wird: Es fängt die profane Welt durch die Darstellung von Macht und Herrlichkeit. Das zweite Tier ist das energischere der beiden. Es ist das, das weitestgehend den Platz Christi einnimmt – es ist ein falscher Christus, oder besser gesagt, es ist der Antichrist – das heißt der Ausdruck Satans in seiner direkten Opposition zu Christus. Als Satan gesehen wurde (Kap. 12), der darauf wartete, das männliche Kind zu verschlingen, sobald es geboren war, wird er nicht als Schlange gesehen, sondern als Drache. Und hier, um seine letzten Pläne zur Reife zu bringen, spricht dieses Tier als Drache.
Es mag jedoch interessant sein, einige der Schriftstellen zu betrachten, die sich auf das zweite Tier beziehen, denn es herrscht oft eine große Verwirrung darüber; und das ist nicht verwunderlich, denn diese beiden Tiere sind in der Endzeit so eng miteinander verbunden, dass es schwierig ist, zu bestimmen, welches von ihnen der Antichrist ist. Das Wort „Antichrist“ findet sich nur in den Briefen des Johannes. Und dort müssen wir nachsehen, wenn wir sehen wollen, was dieser Name bedeutet. In 1. Johannes 2 schreibt der Heilige Geist diesbezüglich an die Kinder der Familie Gottes. Denn es ist keineswegs ein wahrer Grundsatz, dass die Jungen in Christus ihn nur zum Heil für sich kennen sollen. Ich nehme an, dass der Grund, warum er ihnen so schrieb, der war, dass sie in besonderer Gefahr durch die Schlingen und Täuschungen des Feindes standen; und der Herr, während Er bewahrt, will nicht, dass wir blind bleiben. Christliche Führung ist nicht uneinsichtig. Es ist nicht der Blinde, der den Blinden führt, und auch nicht der Sehende, der den Blinden führt; sondern es ist der Sehende, der den Sehenden führt. Gott gibt Hilfe und Unterweisung; aber der Heilige Geist gibt sich besondere Mühe zu zeigen, dass Er sich nicht an die Unwissenheit der Gläubigen richtet, sondern an ihr Wissen um die Wahrheit. „Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen geworden; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist“ (1Joh 2,18). Hier erfahren wir mit Gewissheit, was von und in der Zeit des Apostels Johannes an wirkte, was sich seither immer mehr ausbreitet und bis in die heutige Zeit eine furchtbare Ernte bringt, auch wenn die entsprechende Frucht, der Antichrist, noch nicht ganz reif ist: „So sind auch jetzt viele Antichristen geworden; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist“. Das war der Beweis – nicht das Gute, wie die Menschen denken, sondern das abgrundtiefe Böse des sich ausbreitenden Antichrists. „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, so würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber damit sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind“ (2,19). Was für eine ernste Sache!
Die Personen, die den Geist des Antichrists an den Tag legten, waren Personen, die sich einst zum Namen Christi bekannt hatten. In der Tat konnte es keinen Antichrist geben, wenn es nicht zuvor ein Bekenntnis zu Christus gegeben hatte. Es muss notwendigerweise etwas Wahrheit geben; denn Satan kann nichts erfinden. Er kann nachahmen; er kann Gottes Wahrheit verderben und sie für seine eigenen Zwecke benutzen und sie in neue und böse Formen gießen, um dem, was eindeutiger Irrtum ist, den Anschein von Wahrheit zu geben: Denn keine Lüge ist aus der Wahrheit (V. 21). So wird der große Antichrist kommen. Doch schon damals gab es viele Antichristen. Diese Personen hielten sich, schmerzlich zu sagen, einmal in der Familie Gottes auf. Dort waren sie, äußerlich an der Stelle von Kindern Gottes, aber natürlich nicht in Wirklichkeit. Dann sind sie „von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns“. Dann schreibt er: „Wer ist der Lügner, wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist?“ (V. 22a). Aber er geht noch weiter. Zu leugnen, dass Jesus der Christus ist, ist das erste Merkmal. Aber es gibt noch größere Abscheulichkeiten: „Dieser ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet“ (V. 22b). Es sind zwei Zustände, von denen hier die Rede ist.
Erstens ist da die Leugnung, dass Jesus der Messias ist, der letzte Grad jener Ungläubigkeit, die jeder ungläubige Jude zeigt, der Christus von jenem Tag an bis heute verwirft. Aber das Schreckliche ist, dass sie bei denen zu finden ist, die einst ihren Platz im Bekenntnis zu Jesus als dem Christus eingenommen hatten. Von dem, der schließlich der Anführer im Aufgeben und Abschwören sein wird, heißt es, dass er ein Lügner ist. Aber mehr als das. Er ist nicht nur ein Lügner, sondern ein Antichrist, „der den Vater und den Sohn leugnet“. Jesus war der Messias, und noch viel mehr: Der Vater hat sich in Ihm gezeigt. Wenn ich den Messias als Bezugsperson ansehe, sehe ich dort nicht unbedingt und vollständig den Vater. In Ihm ist die Wahrheit des Reiches Gottes; in Ihm die Entfaltung seiner Macht und Treue zu seinem Volk.
Doch es gibt etwas, das weitaus gesegneter ist als das Königreich; denn wenn ich an den Vater denke, erhebe ich mich nicht nur in die Region der göttlichen Macht, sondern in die der höchsten, heiligsten, innigsten Zuneigung. Es ist offensichtlich, dass das, was wir jetzt in der Gegenwart Gottes wissen, eine unendlich nähere Sache ist als die Herrlichkeit, die Er nach und nach geben oder zeigen wird. Das wird anderen sagen, was Er für uns empfindet, und beweist die Liebe, in die wir jetzt hineingebracht werden. Wir warten nicht auf das Reich Gottes, um dies zu erfahren; sondern durch den Heiligen Geist nähern wir uns Gott schon jetzt in der höchst gesegneten Weise, in der Er sich hier offenbart. Wenn wir im Himmel sind, werden wir natürlich eine ungetrübtere Erkenntnis seiner Liebe haben, einen Genuss, der niemals durch das Wirken eines fleischlichen Verstandes oder durch weltliche Einflüsse unterbrochen wird. Jedes Hindernis wird beseitigt sein – alle Götzen werden verschwinden; denn jede gegenwärtige Sache, die anstelle von Christus zu einem Gegenstand für den Verstand wird, ist wirklich ein Götze. Wir werden aus all dem heraus und darüber hinaus sein, wenn wir vom Herrn aufgenommen werden. Aber die Liebe des Vaters ist jetzt genauso wahr und vollkommen, und wir sind durch den Heiligen Geist bevorrechtigt, sie zu genießen. Wir werden die Liebe dann völliger verstehen, aber die Liebe selbst ist auch jetzt noch dieselbe. Es ist also die Ablehnung nicht nur des Herrn Jesus als Messias, sondern auch seiner göttlichen Herrlichkeit als Sohn, die den Antichrist herbeiführt.
Die völlige Liebe des Vaters ist in Christus bewiesen, bezeugt durch den Heiligen Geist. Das schließt nicht nur die jüdische Offenbarung ein, sondern auch die christliche; und es setzt auch voraus, dass der Messias nicht nur gekommen und verworfen worden ist, sondern dass Er auch seine ganze göttliche und himmlische Herrlichkeit hervorgebracht hat. Denn dass Er der Sohn des Vaters ist, hat nichts mit der Erde zu tun. Seine ewige Sohnschaft ist offensichtlich eine Wahrheit, die seine messianischen Rechte und seine Stellung völlig übersteigt. Sie wäre genauso wahr gewesen, wenn es keine irdischen Dinge oder Handlungen in der Vorsehung gegeben hätte. Es war seine ewige Beziehung und Herrlichkeit; und deshalb ist es der Vater, den der Heilige Geist vorstellt, wenn Er uns in unseren vollen Platz der Glückseligkeit bringen will. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung“. Wo? Hier? Überhaupt nicht. „In den himmlischen Örtern in Christus, wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt“ (Eph 1,3.4). Der Ort unserer Segnungen ist also völlig außerhalb und über der ganzen Szene der unteren Schöpfung. Und wenn ein Mensch das gänzlich ablehnt und verachtet, seine Herrlichkeit aufgibt, die er einst besaß, was ist er dann? Ein Antichrist. Was er im Kleinen tut, wird der Antichrist in einem größeren Maß tun.
Ich beziehe mich auf die Briefe des Johannes, denn dort wird der Antichrist erwähnt, nicht als ein Tier wie in der Offenbarung, sondern als das Ende und Haupt derer, die einst äußerlich in der Familie Gottes waren, aus ihr herausgegangen sind und die gesegnete Wahrheit über den Vater und den Sohn, die sie scheinbar empfangen haben, verlassen und verleugnen. Wer den Vater und den Sohn leugnet, der ist ein Antichrist. Auf der anderen Seite lesen wir: „Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht“ (1Joh 2,23). Gott legt immer größten Wert auf die Darstellung seines Sohnes. Wenn man den Sohn leugnet, ist alles weg; wohingegen „wer den Sohn bekennt, hat auch den Vater“. Wenn ich den Sohn Gottes besitze und mein Herz in Ihm Genüge findet, kenne ich den Vater. „Wer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9).
Dann, nachdem er sie ermahnt hat, das in ihnen bleibt, was sie von Anfang an gehört hatten, damit sie im Sohn und im Vater bleiben, schließt Johannes die Sache so ab: „Dies habe ich euch im Hinblick auf die geschrieben, die euch verführen“ (1Joh 2,26). Es war ein Übel, das von Anfang an am Werk war. Und welche Barmherzigkeit liegt sogar darin! Da das Böse existierte und sich irgendwann offenbaren musste, ließ Gott zu, dass es damals ausbrach, um sein eigenes, offenbartes Urteil darüber zu sprechen. Wir hätten es nie gewagt, so starke Dinge über die zu sagen, die wir sogar als Freunde oder als sogenannte Brüder gekannt hatten. Nennt sie Lügner! Wie schockierend und verwerflich, würden die Menschen sagen! Aber in dem Augenblick, in dem sich irgendwelche Menschen gegen die volle Offenbarung des Sohnes Gottes stellen (oder vielmehr leugnen), kennt der Heilige Geist kein Pardon; und ich glaube, das sollten wir auch nicht. Wenn das Herz nicht darauf vorbereitet ist, wird man noch etwas anderes finden, das damit einhergeht. Wo ungebrochene Eigenliebe, Empfindlichkeit und Hartnäckigkeit in Bezug auf das, was uns selbst betrifft, herrscht, da ist auch wenig Sorgfalt für den Herrn Jesus. Man kann nicht zwei Hauptzuneigungen haben. Wenn das Herz allein auf Christus ausgerichtet ist, erhebt Er uns über persönliche Empfindungen; aber wo die Sorge des Herzens auf uns selbst gerichtet ist, wird man nicht viel Hingabe an Ihn finden, noch Eifersucht auf seinen Namen.
In 1. Johannes 4 bezieht sich der Apostel auf den Geist des Bösen: „und jeder Geist, der nicht Jesus Christus im Fleisch gekommen bekennt, ist nicht aus Gott; und dies ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er komme, und jetzt ist er schon in der Welt“ (V. 3). Warum führt der Heilige Geist ihn hier ein? Es sind viele falsche Propheten, wie im ersten Vers gesagt wurde, in die Welt hinausgegangen; und so glaube ich, dass es jetzt solche gibt. Aber es ist eine höchst schwierige Sache, das in der Zeit, in der wir leben, zu erkennen. Wir können es in vergangenen Zeiten erkennen; aber die große Schwierigkeit ist das Erkennen dessen, was jetzt geschieht. Wir befinden uns in denselben Umständen, in denen die Gläubigen damals waren. Denn so sicher wie der Heilige Geist weiterhin wirkt, so sicher wird die nicht leicht erkennbare Macht Satans da sein, um sich zu widersetzen. „Und jeder Geist, der nicht Jesus Christus im Fleisch gekommen bekennt“ und so weiter. Das ist die Macht oder das Prinzip des Antichrists, „von dem ihr gehört habt, dass er komme, und jetzt ist er schon in der Welt“. Es ist noch nicht der voll entwickelte Antichrist, sondern dessen Geist, der unter den Menschen wirkt, so wie auch der Heilige Geist gewirkt hat. Der früheste Wirkungskreis liegt nicht in der profanen Welt; er muss bei denen beginnen, die sich einst zum Namen Christi bekannt haben. Satan konnte eine solche Rebellion gegen Gott nicht schmieden, wohl aber unter denen, die bekennen, die Wahrheit zu glauben.
Wiederum gibt es einen Hinweis darauf im zweiten Brief des Johannes, wo es heißt: „Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht Jesus Christus im Fleisch kommend bekennen; dies ist der Verführer und der Antichrist“ (V. 7). Es geht nicht mehr nur um die Rechtfertigung durch den Glauben oder um das Gesetz, sondern um eine noch viel ernstere Sache. Es ist Satan, der nicht nur das Werk Christi angreift und versucht, Menschen dazu zu bringen, etwas hinzuzufügen und so von seiner Herrlichkeit wegzunehmen, sondern der die Person des Sohnes herabsetzt und leugnet. So wichtig das Werk Christi für uns ist, die Person Christi ist das Zentrum und das Wesen aller Wahrheit und Herrlichkeit. In Gegenwart eines solchen Themas möchte ich nicht diskutieren, sondern anbeten. Der Grund, warum Menschen sich mehr um das Werk Christi kümmern, ist, weil sie mit Recht empfinden, dass sie ohne es nicht gerettet werden können; aber wenn wir erst einmal Frieden des Gewissens haben, wird die Person Christi zum wertvollsten Gegenstand unseres Herzens. Er ist Gottes Wonne; und was Ihm am kostbarsten ist, werden wir als das gesegnetste und segensreichste für uns empfinden. Es ist nicht nur derjenige, der Jesus Christus, der im Fleisch gekommen ist, leugnet, sondern der, der Jesus Christus, der im Fleisch gekommen ist, nicht bekennt: Das ist ein Verführer und ein Antichrist. Der Heilige Geist wird, wenn wir so sagen dürfen, mutiger in seinen Aussagen. Senkt er die Messlatte, weil Satan offenbar an Boden gewinnt und immer dreister gegen Christus auftritt? Und sollen wir sagen: „Wir dürfen jetzt nicht so genau sein, weil es so viel Böses gibt“, und „es gibt keine Hoffnung, weil die Kirche in Trümmern liegt?“ Im Gegenteil, der Geist, der für die neueste Zeit Vorsorge trifft, verwendet eine stärkere Sprache als je zuvor. Er sagt: „Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht“ (V. 10). Wir sollen ihm nichts zu sagen haben.
Er sollte nicht nur nicht in die Versammlung, das Haus des lebendigen Gottes, aufgenommen werden, sondern nicht einmal in das Haus eines Christen. Er darf keine Billigung und keinen Platz unter den Gläubigen haben; denn das Haus des Christen sollte eine Festung für den Namen des Herrn sein, ein Spiegelbild dessen, was der Herr liebt und hervorbringt – wo Er gehört und geehrt wird. Sogar der gewöhnliche Gruß soll verweigert werden. Und sei es nur an die Frau, an die er schreibt – eine, die nicht berufen ist, zu lehren oder zu herrschen. Aber wenn es um Christus geht, ist es vergeblich, sich darauf zu berufen, dass sie eine Frau ist, als Entschuldigung für Nachlässigkeit. Sie will Christus; sie verdankt Christus alles; und wenn sie eine Frau ist, ist sie dann nicht verpflichtet, Christus zur ersten Frage, zu ihrem Gegenstand zu machen? Wenn also eine Person mit Christus in Berührung kommt, egal wer oder was sie sein mag, verlangt ihre Treue zu Christus nach einer schnellen Entscheidung. Das wird sofort zum leitenden Motiv für den Glauben und zu ihrer einzigen großen Verantwortung. Ob es sich um Personen handelt, die den Geist des Antichrists haben oder um den großen Antichrist selbst, der kommen wird, der Gegensatz zu Christus ist da; und das entscheidet alles für ein aufrichtiges Herz.
In der Offenbarung wird der Antichrist nicht nur als Verführer, sondern als Tier beschrieben, als eine irdische Macht, die ein Untertanenreich – ein imperiales System – hat, und nicht als ein rein geistiger bösartiger Einfluss, wie in den Briefen des Johannes. Wenn wir uns ein wenig mit einigen der jüdischen Propheten beschäftigen, werden wir mehr über ihn finden. Ich beziehe mich dabei besonders auf Daniel 11. Zum Ende des Kapitels lesen wir diese Worte: „Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln, und er wird sich erheben und sich groß machen über jeden Gott, und gegen den Gott der Götter wird er Erstaunliches reden“ V. 36). Wer kann leugnen, dass es im Land Judäa eine sich selbst erhebende Persönlichkeit gibt? Das ist sehr deutlich; denn danach heißt es weiter: „Und an dessen statt wird er den Gott der Festungen ehren: Den Gott, den seine Väter nicht gekannt haben, wird er ehren mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien. Und er wird gegen die starken Festungen so verfahren mit dem fremden Gott … und er wird ihm Herrschaft verleihen über die Vielen und das Land austeilen zum Lohn“ (V. 38.39). Nun, ich denke, dass der Heilige Geist, wann immer Er auf diese Weise von einem Land spricht, als dem Land, bezieht er sich auf das Land Israel. Er spricht davon, dass es das Land des Herrn ist. Dies wird ein oder zwei Verse später bestätigt: „Und er [der König des Nordens] wird ins Land der Zierde eindringen, und viele Länder werden zu Fall kommen“ (V. 41). So soll ein großer Gegner aus dem Norden gegen den König „anstürmen mit Wagen und mit Reitern“ (V. 40). Das herrliche Land, von dem hier die Rede ist, ist also ganz offensichtlich genau das Land, das „der König“ an seine Günstlinge verteilt hatte. Kurz gesagt, er ist ein König im Land Judäa, und es wird ausdrücklich gesagt, dass die beschriebene Zeit, Politik und Konflikte „zur Zeit des Endes“ stattfinden werden. Dann „wird der König des Südens mit ihm [dem König in Judäa] zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen“ und so weiter.
Wenn das so ist, werden in diesen Versen mehrere Punkte geklärt. Zunächst einmal wird ein König auftreten, der im Land Israel nach seinem eigenen Willen handelt. Aber während man die moralischen Merkmale finden kann, die ihn mit dem Antichrist des Johannes verbinden, wird er hier als eine irdische Macht angesehen und somit mit einem der Tiere der Offenbarung verbunden. Aber mehr als das, er wird sich selbst über jeden Gott erheben und groß machen. Dies war ein neues Merkmal. Die römischen Kaiser wurden im Leben und nach dem Tod als göttlich verehrt, aber niemals über jeden Gott. Aber „der König“ wird sich selbst über alles erheben; und das in einem Land, das vor allem dem Herrn gehörte, und inmitten eines Volkes, das Gott zum Zeugnis gegen jeden Götzendienst berufen hatte; und doch beansprucht dieser Mann eine neue und höchst kühne Anbetung, als der Allerhöchste in Gottes Land und Tempel (vgl. 2Thes 2). Denn so böse wie Israel von alters her war und sich „mit Götzen unter jedem grünen Baum“ abgab, so haben wir hier den bis dahin unbekannten Anblick eines Menschen, der sich selbst als den höchsten Gott darstellt. Und doch hat er selbst einen Gegenstand der Anbetung: Denn der Mensch muss ein Götzenbild haben, das ihn versklavt, wenn er nicht wahrhaft erhaben ist, wie er es nur sein kann, wenn er sich vor dem wahren Gott niederwirft. In Wirklichkeit ist er am erhabensten, wenn er Gott am meisten unterworfen ist. Denn der Mensch kann, anders als Gott, nicht in und für sich selbst genügen ohne einen anderen. Er muss entweder seine Augen zu dem wahren Gott erheben oder sie auf einen falschen erniedrigen. Sogar derjenige, der versucht, sich alles zu unterwerfen, als obersten Gegenstand der Anbetung, wird selbst etwas haben, dem er unterworfen ist.
Und so finden wir (V. 37), dass er zwar den Gott seiner Väter nicht achtet (was bestätigt, dass er ein Jude ist), auch nicht die Sehnsucht der Frauen (was sich wahrscheinlich auf den Messias bezieht), noch irgendeinen Gott achtet, denn er wird sich selbst über alles erheben; dennoch zeigt uns der Geist Gottes diesen scheinbaren Selbstwiderspruch. „Und an dessen statt wird er den Gott der Festungen ehren“ (V. 38). Alle anderen sollen ihn ehren, aber er hat diesen falschen Gott, den er selbst „mit Gold und mit Silber und mit Edelsteinen und mit Kleinodien“ ehrt. So wird er mit einem fremden Gott handeln, den er anerkennen und verehren wird. „Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen ... Und er wird in das Land der Zierde eindringen“ (V. 40.41).
Hier haben wir nun eindeutig Israel. Die Könige des Südens und des Nordens werden mit Bezug auf das Land Judäa so genannt. Der König des Nordens, von dem beschrieben wird, dass er mit dieser großen Streitmacht gegen ihn kommt, ist der in den Propheten so bekannte Feind, während der König des Südens der damalige Herrscher Ägyptens ist.
Diese beiden Mächte treten gegen den König an, der, wie ich annehme, der Antichrist der Schrift ist. Der Heilige Geist beschreibt hier nicht seinen Aufstieg. Es war nicht nötig zu sagen, wer er war, aber er wird ziemlich abrupt eingeführt. Wenn man also Vers 35 untersucht, sieht man deutlich, dass er von einigen spricht, die Verständnis hatten, und sich auf das bezieht, was in der Zeit der Makkabäer geschah, als ein berühmter und höchst bösartiger Fürst, Antiochus Epiphanes, die Juden verfolgte, von denen viele ihm damals auf bemerkenswerte Weise widerstanden. Es mag viel Natur und Weltgeist in ihren Gefühlen und Handlungen gewesen sein; dennoch widerstanden sie allen Versuchen, sie von dem Herrn zu Götzen abzubringen. Einige von ihnen fielen, und dies geschah, um andere zu prüfen und „damit sie geläutert und gereinigt und weiß gemacht werden bis zur Zeit des Endes; denn es verzögert sich noch bis zur bestimmten Zeit“ (V. 35).
Das ist genau der Rahmen, in den der Geist Gottes die vergangene Geschichte fallen lässt. Er gibt uns zuerst den Kampf zwischen Antiochus und seinen Widersachern, gefolgt von den Heldentaten und den Leiden derer, die in Israel Verständnis hatten. Die Geschichte Israels ist dann in der Schwebe, und wir werden sogleich zur „Zeit des Endes“ geführt. Zwischen diesen beiden Punkten gibt es eine Unterbrechung ihrer Geschichte.
Was ist das Nächste? „Und der König wird nach seinem Gutdünken handeln“. Wir erfahren hier nichts über seine Herkunft oder seinen Werdegang; wir hören nichts darüber, woher er kommt; wir haben nur diese eigentümliche Formulierung der König, als ob dies Andeutung genug wäre, wer gemeint war. Es ist auch nicht die einzige Stelle in der Schrift, wo von dem König die Rede ist. Schauen wir uns den Schluss von Jesaja 30 an, und wir werden den König dort in einer nicht weniger eigenartigen Weise eingeführt finden. Ich glaube, dass der Grund dafür ist, dass die Juden, während sie nach Christus Ausschau hielten, auch nach dem Antichrist Ausschau hielten, einem großen Fürsten, der die Frommen unter ihnen in ihrer letzten Bedrängnis niedertreten würde. Das war in der Prophezeiung klar und wurde von ihnen so verstanden.
In diesem Kapitel 30 beschreibt der Geist Gottes zwei Feinde Israels. Zunächst heißt es: „Denn vor der Stimme des Herrn wird Assur zerschmettert werden, wenn er mit dem Stock schlägt“ (V. 31). Das ist der König des Nordens, der in Daniel vorkommt, im frühen Propheten vielleicht durch Sanherib verkörpert, der der Assyrer jener Tage war, aber natürlich nur ein Vorgeschmack auf den großen nördlichen Feind am Ende.
Dann heißt es weiter: „Und es wird geschehen, jeder Streich der verhängten Rute, die der Herr auf ihn herabfahren lässt, ergeht unter Tamburin und Lautenspiel; und mit geschwungenem Arm wird er gegen ihn kämpfen“ (V. 32). Obwohl es also so viel Kummer und Prüfung geben wird, wird es auch Freude geben: Es wird mit Tamburin und Lautenspiel sein. „Denn längst ist eine Gräuelstätte zugerichtet; auch für den König ist sie bereitet. Tief, weit hat er sie gemacht, ihr Holzstoß hat Feuer und Holz in Menge; wie ein Schwefelstrom setzt der Hauch des Herrn ihn in Brand“ (V. 33). Ich glaube, das ist der Kern der Aussage: „auch für den König“. Wenn diese Aussage richtig ist, haben wir also in der Schlussszene das Gericht Gottes über diese beiden großen Feinde Israels – den Assyrer und den König, der hier ohne ein Wort der Vorbereitung vorgestellt wird.
In Jesaja 57 erscheint dasselbe. Ich beziehe mich darauf, zumal einige argumentieren könnten, dass in Jesaja 30 „der Assyrer“ und „der König“ identisch sind. Aber in Jesaja 57 wäre es unmöglich, dies zu behaupten. Der Prophet hat gerade das entsetzliche moralische Übel der letzten Tage unter den Juden beschrieben. Dann sagt er plötzlich: „Und du zogst mit Öl zum König“ (V. 9). Daraus geht klar hervor, dass der König ein besonderer Widersacher Gottes ist, der die Juden nicht von außen angreift wie der Assyrer, sondern sich im Inneren als König über das Volk Gottes hervortut. Es war nicht nötig zu definieren, welcher König das war, denn es war eine vertraute Vorstellung für Israel, so dass der Heilige Geist ihn ohne ein Wort der Einführung vorstellen konnte. Sie wussten, dass der schreckliche König kommen würde – der letzte große Feind Gottes und der Juden im Land.
Der Assyrer ist ein Feind Gottes und auch Israels, aber nicht im Land; denn er kämpft gegen den König, der dort regiert. Der letzte eigenwillige König ist das Ziel des Angriffs des letzten mächtigen Assyrers. So ungeheuerlich böse beide auch sein mögen, sie stimmen in ihrer Bosheit keineswegs überein. Sie stehen sich gegenseitig im Weg. Es kann nie einen dauerhaften Frieden zwischen ihnen geben, und genau das zeigt uns Daniel 11. Vers 41 ist keineswegs eine Beschreibung des Königs. Er scheint aus den Augen verloren zu sein, und es folgt der Bericht über den stolzen König von Assyrien. Der Heilige Geist drängt bis zum Ende der Karriere des Assyrers vor und verlässt die des Königs.
Wenn wir nun das Neue Testament betrachten, werden wir einige neue Merkmale über diesen König finden. In 2. Thessalonicher 269 haben wir den ausführlichsten Bericht über ihn, den die Briefe des Apostels Paulus bieten. In Vers 3 heißt es: „Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen; denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens.“ Es gibt zuerst den Abfall, das ist der besondere Abfall. Der Mensch der Sünde ist eine andere und danach folgende Sache. Der Glaubensabfall bereitet den Weg für die Offenbarung des Menschen der Sünde. So ist die Französische Revolution eher dem Abfall zuzurechnen als der Katholizismus, der zwar Wahrheiten bekennt, aber alle aus ihrem rechten Platz verdrängt. Es wird eine weitere und schrecklichere Entwicklung des Glaubensabfalls geben, obwohl dies sie veranschaulicht. Aber es wird noch mehr kommen – der Mensch der Sünde. Wer ist er? Der Herr Jesus Christus war der Mensch der Gerechtigkeit. Das ist der Gegenspieler; „der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist“ (V. 4). Genau die gleiche Art von moralischen Merkmalen, die wir bei Daniel über den König finden, haben wir bei diesem Menschen der Sünde. Er setzt sich in den Tempel Gottes und stellt sich selbst dar, dass er Gott sei.
Hier haben wir einen weiteren Punkt. Er ist offensichtlich jemand, der in Jerusalem regiert. Er sitzt „im Tempel Gottes“. Ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der buchstäbliche und bekannte Tempel dort gemeint ist.70 Wenn aber jemand das Prinzip dieser Schriftstelle auf jemanden anwenden möchte, der den Ort der Kirche verdirbt und sie zu einem Motor und einer Sphäre macht, um sich selbst darin zu erhöhen, so habe ich nichts dagegen einzuwenden. Ich wage zu sagen, dass es legitimerweise so angewendet werden kann – zumindest teilweise; aber ich denke, dass damit eine Person gemeint ist, die sich selbst die Ehre anmaßt, die nur dem wahren Gott gebührt. „Erinnert ihr euch nicht“, sagt der Apostel, „dass ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? Und jetzt wisst ihr, was zurückhält, damit er zu seiner Zeit offenbart wird. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam“ (2Thes 2,5-7). Es gibt nur einen, der zurückhält. Wenn dieses Hindernis beseitigt ist, wird der Gesetzlose sofort hervortreten, und zu gegebener Zeit wird sein Gericht kommen, wenn der Herr erscheint.
So wie der Apostel Johannes sagt: „Auch jetzt sind viele Antichristen geworden“ (1Joh 2,18), so war hier das Geheimnis der Ungerechtigkeit bereits wirksam: Nur hielt jemand die volle Offenbarung zurück: „Nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist“. Ich zweifle nicht im Geringsten daran, dass der Zurückhaltende die Kraft des Geistes Gottes ist, die nicht nur in der Versammlung wohnt, sondern auch in der Welt wirkt, wie die sieben Geister Gottes, die über die ganze Erde gesandt sind. Wenn es einfach der Heilige Geist wäre, der in der Versammlung wohnt, würde in dem Moment, in dem die Versammlung weggenommen wird, der Mensch der Sünde offenbart werden. Aber es scheint, dass der Gesetzlose nicht sofort nach der Entrückung der Gläubigen zu seiner vollen Größe und Entfaltung kommen wird. Es wird eine Pause geben und ein Zeugnis, das Gott geben wird. Wenn dieses Zeugnis verschwindet oder durch Gewalt niedergeschlagen wird, wird der Mensch der Sünde völlig offenbart. Das scheint die Stunde zu sein, in der der Heilige Geist aufhört, sich zurückzuhalten. Er bewirkt, dass die Menschen dann genau das zeigen, was sie sind. Dann kommt ihre ganze Bosheit zum Vorschein. Wenn der Heilige Geist die Erde nicht mehr beherrscht, kann Satan für einen kurzen Moment seine schlimmsten Pläne reifen lassen.
Dies, denke ich, ist die Zeit, und so ihr Charakter, wenn der, der zurückhält oder das Hindernis aus dem Weg geräumt werden wird. Die ersten Christen beteten viele Jahre lang für den Fortbestand des Römischen Reiches, weil sie dachten, dass es erlöschen würde; war es weg, so erwarteten sie, dass der Gesetzlose sogleich offenbart würde. Und da seine teuflische Form mit Sicherheit nach einem vorherigen Bestehen und Aussterben entstehen wird, lag ein gewisses Maß an Wahrheit in dieser Annahme. Aber das Römische Reich ist schon lange untergegangen, und doch ist der Mensch der Sünde in seiner vollen Entwicklung immer noch nicht offenbart worden. Das Wiedererscheinen des Reiches, nicht sein Aussterben, ist die kritische Epoche; und das wird davon abhängen, dass der Heilige Geist aufhört, zurückzuhalten. Wenn dies geschieht, kommt all das Böse des Menschen und Satans ohne Maß und Einschränkung zum Vorschein. „Nur ist jetzt der da, der zuhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft“ (2Thes 2,7.8).
68 Mr. Elliott ist der Ansicht, dass das lammähnliche Tier mit den zwei Hörnern den päpstlichen Klerus, weltlich und regulär, darstellt, der unter dem Papst als westlichem Patriarchen vereint ist und ihn in seinem erhabenen Charakter als Stellvertreter Christi oder Antichrist unterstützt. Matthäus 7,15, meint er, schließe die Möglichkeit eines Irrtums bei dieser Interpretation des Symbols der antichristlichen klerikalen Körperschaft fast aus. Aber bedeutet ein „Tier“ in der prophetischen Bildersprache nicht immer eine politische Körperschaft oder eine zivile Macht, niemals (und schon gar nicht an anderer Stelle) eine wie auch immer organisierte priesterliche Klasse? Sollte ein solches Element bei der Auslegung des Kapitels ausgelassen werden?↩︎
69 Ich nutze die Gelegenheit, meine Überzeugung darzulegen, die, wie ich weiß, auch Herr Birks teilt, dass der Verfasser des Verses völlig zu Recht „durch das Kommen [oder die Gegenwart] unseres Herrn Jesus Christus“ und nicht „in Bezug auf“ sagt. So steht es im Äthiopischen wahrscheinlich, im Arabischen, Gotischen, Syrischen und in der Vulgata. Herr Elliott und die Kommentatoren, denen er folgt, haben die wichtigsten Elemente für die Entscheidung über die wahre Bedeutung übersehen. Es handelt sich nicht nur um ὑπέρ, sondern um ὑπέρ mit einem Verb des Flehens, das regelmäßig den Sinn „um derentwillen“ oder „durch“ ergibt (Matthiae’s Gr. Gram. Bd. ii. § 582; Jelf, Bd. ii. § 630).
P. Ellicott vermeidet den Irrtum von Herrn Elliott, der bezweifelt, dass ὑπέρ jemals den von ihm so genannten „adjurativen Sinn“ hat; er gibt zwar zu, dass es „grammatikalisch haltbar“ ist, behauptet aber, dass es keineswegs „exegetisch wahrscheinlich“ ist und dass es im Neuen Testament keinen Präzedenzfall gibt. Letzteres ist aber ein unvernünftiger Einwand; denn soweit ich weiß, gibt es im Neuen Testament kein anderes Beispiel für ἐρωτὰω oder ein gleichwertiges Wort mit dieser Präposition (außer 2. Korinther 5,20, das Wahl als = per auffasst, Mr. Green als „im Namen von“, was hier nicht zutrifft; ich halte das aber für zweifelhaft); und deshalb müssen wir uns bei solchen Konstruktionen nach seiner gewöhnlichen Kraft richten. Wir haben aber häufig ἐπ. mit περί da, was einen ganz anderen Sinn hat.
Wiederum ist die eigentliche Quelle der Schwierigkeit dem exegetischen Fehler geschuldet, dass die Gegenwart des Herrn dasselbe ist wie sein Tag. Es wäre höchst unnatürlich, wie Dekan Alford argumentiert, dass der Apostel sie durch das beschwören würde, worüber er sie gerade lehren wollte. Aber der Apostel tut nichts dergleichen; im Gegenteil, er beschwört sie durch „das Kommen“ Christi mit all seinen aufmunternden Hinweisen und seiner leuchtenden Hoffnung – die Versammlung der Heiligen zu ihrem Herrn –, dass sie sich nicht durch die Schrecken des „Tages“ erschüttern lassen sollten, von dem die Irrlehrer vorgaben, er sei tatsächlich gegenwärtig. Sowohl der Dekan von Canterbury als auch der Bischof von Bristol stimmen mit mir überein, dass ενέστηκεν „schon gekommen“ bedeutet, nicht nur „im Begriff“, wie es in der englischen Bibel sehr fehlerhaft dargestellt wird. Paulus hatte die Thessalonicher schon im ersten Brief über ihre Hoffnung belehrt, wie er auch in seinem mündlichen Dienst über den Menschen der Sünde und das Hindernis, das tatsächlich gegen seine Offenbarung wirkte, gesprochen hatte. Jetzt stellt er diese Wahrheiten in ihre Reihenfolge und beschwört sie durch das Kommen Christi, als ein bekanntes Motiv, wegen dessen sie sich nicht durch den falschen Alarm bewegen lassen sollten, dass dieser bekannte und gefürchtete Tag des Unheils gekommen sei. Es ist die Gegenwart (παρουσία) des Herrn, die die Gläubigen versammelt, um Ihm oben zu begegnen; es ist die Epiphanie (Erscheinung) oder das Hervortreten seiner Gegenwart, die den Gesetzlosen unten vernichtet – ein offensichtlich späteres Ereignis, trotz Bengel, wie aus dem Vergleich mit Offenbarung 19 zweifelsfrei hervorgeht. Die Gläubigen sind bereits bei Christus und folgen Ihm aus dem Himmel zum Gericht über das Tier und den falschen Propheten und ihre Anhänger. Das Dokument, auf das sich die Irrlehrer stützten, war ein angeblicher Brief des Apostels, nicht der erste Brief an die Thessalonicher, wie manche fälschlicherweise behaupten; und das Gefühl, das sie zu erregen suchten, war nicht die Hoffnung auf das Kommen Christi, sondern die Angst vor seinem Tag. Die Kritik und die Lehre der Horae Apoc. sind diesbezüglich unbegründet.
Andere sind nicht besser. Schleusner, der zitiert wird, schreibt oberflächlich; und die Worte des Hesychius (Bd. i. col. 1233, ed. Alberti) rechtfertigen nicht die Schlussfolgerung, dass dasselbe Wort in derselben Zeitform entweder Gegenwart oder Zukunft bedeutet; denn προκείμενον scheint nur eine Fortsetzung von πάροντα zu sein, nicht eine andere Bedeutungsvielfalt. Das Verb wird allgemein für das verwendet, was vorgestreckt liegt, wie (Fleisch) bereitgelegt, die Frage in der Hand, Dinge, die schon beschlossen und vereinbart sind. Mir ist nicht bekannt, dass es jemals eindeutig die Zukunft bedeutete. Aber so nachdrücklich ist das Gegenteil von ἐνεστώς, dass die Grammatiker es bekanntlich als den richtigen Begriff für die Gegenwart (χρόνος ἐνεστώς) gewählt haben. Die neueste (sechste) Ausgabe von Liddell und Scotts Lexikon zeigt, dass ihre Aussage diesbezüglich modifiziert ist; denn in der Tat bedeutet keines der drei von klassischen Autoren angeführten Beispiele (Ar. Nub. 779, Isaeus, 88. 40, Dem. 896. 49) notwendigerweise „bevorstehend“, lat. imminens. Dr. Scott selbst hat mir gegenüber eingeräumt, dass sie alle, wie ich glaube, „gegenwärtig“ bedeuten können und so mit der regulären Kraft des Wortes überall sonst, sowohl im Septum (einschließlich der Apokryphen) als auch im Neuen Testament, harmonieren, anstatt zu widersprechen. So bedeutet die Stelle in den Wolken „während ein Prozess noch anhängig war“, das heißt tatsächlich im Gang, nicht bevorstehend oder zukünftig. Wiederum scheint Herr E. die Kraft des Isaeus über den Nachlass des Hagnias nicht getroffen zu haben; und hier ziehe ich es, obwohl ich keinerlei Zweifel habe, aus offensichtlichen Gründen vor, aus der berühmten Version von Sir W. Jones, S. 139 (London, 1779), zu zitieren „Außerdem ist das Erbe von Hagnias für mich noch nicht gut gesichert, da einige Klagen gegen die Zeugen wegen Meineids es für mich notwendig machen werden, ein zweites Urteil zu erwirken.“ Dies ist etwas ganz anderes als ein „drohender Prozess“ und bestätigt die allgemeine Regel, anstatt eine Ausnahme zu sein, für die wir Rechenschaft ablegen müssen. In dem Demurrer in Bezug auf Apaturius, der dritten angeblichen Ausnahme, hatten die Prozesse bereits begonnen, als sie zum Schiedsgericht kamen.
Das Argument auf πάρεστιν (Joh 11,28-30) ist also für Herrn E. ungültig und stärkt eher das, wogegen er argumentiert. Denn unser Herr hatte den Ort, an dem Er sich befand, als die Nachricht von der Krankheit des Lazarus eintraf, tatsächlich verlassen, die beträchtliche dazwischenliegende Strecke zurückgelegt und befand sich gerade außerhalb des Dorfes. Πάρεστιν ist dort streng genommen wahr und modifiziert in keiner Weise ἐνέστηκεν in unserem Text. Wenn die Irrlehrer in Thessalonich lehrten, dass der Herr die rechte Hand Gottes verlassen und die Gerichte „jenes Tages“ begonnen habe, ohne dass die Gläubigen in Thessalonich oder anderswo schon entrückt worden wären, wäre das eine ziemliche Parallele zum Fall von Johannes 11. Das Wort behält also auch hier und überall seinen charakteristischen Sinn.↩︎
70 Die Anspielung ist offensichtlich und unbestreitbar auf Daniel 11, das die Juden und ihr Land im Blick hat, nicht die Versammlung. Dies halte ich für völlig bestätigt durch Matthäus 24,15, das sich sicherlich auf eine Sache und Zeit nach der Verwerfung Christi durch die Juden und seine Verwerfung von ihnen bezieht, aber sich meiner Meinung nach ebenso deutlich auf eine Zeit bezieht, in der Er wieder einen gottesfürchtigen Überrest haben wird, inmitten einer ungläubigen Geschlechts, das von einem falschen König unter römischem Einfluss regiert wird. Wenn der Tempel unter solchen Umständen „heilige Stätte“ genannt werden kann, warum kann er dann nicht auch „Tempel Gottes“ genannt werden? Die Schlussfolgerung aus dem, was das Haus Gottes jetzt ist, während die Versammlung hier verweilt, ist ziemlich hanebüchen. Vergleiche auch „die heilige Stadt“ in Matthäus 27,53. Gottes Absicht wird nicht widerrufen, trotz Israels Schuld.↩︎