Behandelter Abschnitt Off 10,5-7
Und der Engel, den ich auf dem Meer und auf der Erde stehen sah, erhob seine rechte Hand zum Himmel und schwor bei dem, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel erschuf und das, was in ihm ist, und die Erde und das, was auf ihr ist, und das Meer und das, was in ihm ist, dass keine Frist mehr sein wird, sondern in den Tagen der Stimme des siebten Engels, wenn er posaunen wird, ist auch das Geheimnis Gottes vollendet, wie er seinen Knechten, den Propheten, die gute Botschaft verkündigt hat (10,5–7).
Ich befürchte, dass die Menschen oft eine vage, wenn nicht gar falsche Vorstellung von diesen Worten haben, „dass keine Frist mehr sein wird“. Viele stellen sich vor, dass es bedeutet, dass es dann ein Ende der Zeit gibt und die Ewigkeit beginnt. Aber das ist überhaupt nicht der Sinn, und der Fall zeigt, wie wichtig es ist, Licht von Gott zu suchen. Der Sinn ist, dass Gott die Zeit nicht mehr weiterlaufen lassen würde, bevor Er in den Lauf dieser Welt eingreift. Es geht nicht darum, dass die Ewigkeit auf einmal beginnen würde, sondern dass keine Zeit mehr vergehen würde, bevor Er die Welt zum letzten Mal aufruft und eine neue Haushaltung einführt, in der Er öffentlich mit den Menschen auf der Erde handeln wird. Seit der Verwerfung und Himmelfahrt des Herrn Jesus haben die Menschen – „seine Bürger“ – eine Botschaft hinter Ihm hergeschickt, die (zumindest in ihren Herzen) sagt: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Das war die Stimme der Welt, seit Er in das ferne Land gegangen ist. Der wahre Wunsch des Menschen ist es, Christus loszuwerden; und im Allgemeinen denkt er, dass ihm das gelungen ist. Kein Wunder, dass er von seiner Wiederkunft in Macht und Herrlichkeit nichts hören will; denn die Heilige Schrift erklärt ausdrücklich, dass Christus den Menschen richten wird, und der Mensch steht nicht gern vor seinem Richter. Daher schiebt er die Warnung vor der Ankunft Christi zum Gericht über Sünde und Sünder so lange wie möglich hinaus.
Der Herr deutet hier an, dass der gegenwärtigen Verzögerung bald ein Ende gesetzt werden wird. Die ganze Zeit, in der Christus zur Rechten Gottes weilt, gibt es einen Aufschub des Gerichts. Gott empfindet tiefes Mitleid mit seinem Volk, das während der Zeit der Verwerfung Christi leiden muss; und jetzt wird Er nicht zulassen, dass ein solcher Zustand noch länger andauert, denn es gibt die offensichtlichen Zeichen und Beweise für das Kommen des Herrn, um mit seinen Feinden zu handeln.
Der mächtige Engel schwört, dass es keinen weiteren Aufschub (nicht vor der Ewigkeit, sondern) vor dem Tag des Herrn geben soll. Die Frist oder der Tag, von dem hier gesprochen wird, ist der Tag des Menschen, und wenn dieser endet, beginnt der Tag des Herrn, der in der Schrift nie mit der Ewigkeit in Verbindung steht, weil jener Tag ein Ende hat; während die Ewigkeit natürlich nie enden kann. Von allen Seiten betrachtet, ist die eigentliche Kraft dann, „dass kein Aufschub mehr sein wird“. Und man beachte die Worte des folgenden Verses: „sondern in den Tagen der Stimme des siebten Engels, wenn er posaunen wird, ist auch das Geheimnis Gottes vollendet“. Diese Worte widersprechen sofort dem Gedanken, dass die Ewigkeit sogleich folgen würde. Im Gegenteil, danach kommt das gesamte Tausendjährige Reich; danach eine kleine Zeit, und dann die Ewigkeit. Menschen werden manchmal durch ein kleines Wort daran gehindert, in die Wahrheit Gottes einzudringen, und so war es, glaube ich, auch bei dieser Stelle. Oft, wenn eine kleine Unklarheit behoben ist, verschwinden eine Menge von Schwierigkeiten.
Gott wird der gegenwärtigen Verzögerung ein Ende setzen: „das Geheimnis Gottes“ wird dann vollendet sein. Darunter verstehe ich das Geheimnis, dass Gott Satan und den Menschen gewähren lässt (d. h. das Wunder, dass das Böse gedeiht und das Gute mit Füßen getreten wird), wobei Gott zweifellos das Böse in gewissem Maß eindämmt, teils durch die menschliche Regierung, teils durch seine eigene Vorsehung. Und in der Tat ist es eine unermessliche Gnade, dass es solche Beschränkungen für das Böse in dieser Welt gibt. Denn was wäre die Welt ohne sie, wenn sogar inmitten der Vorsehung Gottes das Böse oft so triumphiert und die Frömmigkeit zu Boden geworfen wird? Dennoch gibt es einen Einfluss auf das Böse, den keine Regierung ausrotten kann, und auf das Gute, das unterdrückt wird und so verhältnismäßig wenig Einfluss hat. Das ist es, was uns so geheimnisvoll erscheint, wenn wir Gott kennen und wissen, wie sehr Er das Böse hasst. Aber das hat bald ein Ende. Gott ist im Begriff, mit allem, was Ihm zuwider ist, zu handeln und, alles einzuführen, was von früher her verheißen ist, und alles zu vergelten, was Ihm angetan ist, und Er wird dies durch seinen Sohn tun. Der, den die Menschen verachteten und verwarfen, ist genau die Person, die Gott senden wird, um aus der bestehenden Menge der Verwirrung alles in heilige Ordnung und Schönheit zu bringen. „Das Geheimnis Gottes“ darf nicht mit dem Geheimnis seines Willens in Epheser 1,9 verwechselt werden. Letzteres ist das, was Ihm immer am Herzen gelegen hat, denn es geht nicht nur um die Herrlichkeit der Versammlung, sondern um die Herrlichkeit Christi. Es ist „nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgesetzt hat in sich selbst“. Es gab niemanden, der es vorgeschlagen hat. Es war sein eigener Wille. Und was ist das Geheimnis seines Willens? „Für die Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, was in den Himmeln, und das, was auf der Erde ist, in ihm“ (V. 10). Alle diese Dinge, die Satan jetzt zerstreut hat, werden unter Christus wieder zusammengebracht werden. Barmherzigkeit und Wahrheit werden dann zusammenkommen, Gerechtigkeit und Frieden werden sich küssen. Das gilt schon jetzt für den Gläubigen, was seine eigene Versöhnung mit Gott betrifft.
Satan mag dich herausfordern: Wie kann man sie haben, wenn so viel Böses im Innern ist? Kein Wunder, dass dies das Gewissen des Menschen trifft, der an Gott zweifelt, und sogar das Gewissen dessen, der Ihm glaubt, wenn er sich selbst betrachtet. Wenn ich mich mit mir selbst beschäftige, können diese Zweifel wohl aufkommen, aber nicht, wenn ich nur auf Christus schaue. Er allein vermag mir Ruhe vor Gott zu geben. Christus allein ist es, der die Wellen und Winde zerstreuen kann. Satan hat den Menschen in jeder Hinsicht gegen Gott aufgehetzt, sogar gegen das Gute, das von Ihm kommt; aber Gott wird dem Bösen nicht erlauben, eine bestimmte Grenze zu überschreiten. Obwohl Satans Widerstand erlaubt ist, Gottes Pläne für die Gegenwart zu vereiteln, so ist doch jede der Arten, in denen er von Anfang an auf der Erde am Werk war, dazu bestimmt, am Ende zu triumphieren und gemeinsam zu siegen (Hos 2,21.23).
Da war der Mensch, der in Adam eingesetzt wurde; da war die Regierung, die in die Hände Noahs gelegt wurde; da war die Berufung Gottes, die Abraham gegeben wurde; da war die lange und geduldige Prüfung des Gesetzes; schließlich war da die Sendung seines Sohnes und seines Geistes. Alle diese Dinge waren sozusagen Ströme von Gott, die durch diese Erde flossen. Sie wurden von Anfang an vom Menschen verweigert oder verdorben, und durch die Macht des Feindes werden die Menschen genau diese Handlungen Gottes missbrauchen, um die kühnste und tödlichste Verschwörung herbeizuführen, die die Welt je gesehen hat – Satan und der Mensch zusammen gegen Gott, der all dieses Böse hervorbringen lassen und ihm dann durch das Gericht ein Ende setzen wird. Dies ist die Vollendung des Geheimnisses.
Aber das, was „das Geheimnis seines Willens“ genannt wird, ist nicht Gegenstand der Prophezeiung. Christus wird das Haupt allen Segens sein, und Er wird alle Dinge in vereintem Segen unter seinem eigenen Haupt sammeln – alles, was Satan sich ausgedacht hatte, um zu verderben. Was Gott ursprünglich schuf, war lediglich in einem Zustand der Unschuld. Aber was der Herr Jesus am Ende vollbringen wird, die Versöhnung aller Dinge, wird jenseits der Macht Satans sein, sie anzutasten. Alle werden in eins versammelt sein, auch in Christus, ihrem Haupt. Und noch etwas ist gut zu erwähnen. In diesem Geheimnis des Willens Gottes sollen wir nicht nur unter Christus gesegnet werden, sondern, um den vollen Charakter des Segens zu erhalten, werden wir mit Ihm gesegnet. Und das ist es, was wir im Epheserbrief haben: nicht, dass wir eine Art Erbe für Christus sein werden, sondern wir sind Miterben mit Ihm.
In diesem großen Geheimnis Gottes in Christus gibt es zwei Gedanken: Christus als universales Haupt und die Verbindung der Versammlung mit Ihm. Es ist nicht so, dass wir unter der Macht Christi vereint sind; aber alles, was jemals geschaffen wurde, soll unter seinem Haupt vereint werden; und – wunderbarer Gedanke! – die Versammlung soll all diese Herrlichkeit zusammen mit Ihm teilen. Und gerade dieses Werk gibt Ihm ein Recht, es zu verleihen, wem Gott will. Die Versammlung ist vereint als der Leib und die Braut dessen, der der Herr von allem ist. Sie ist die Eva des zweiten Adam. In Epheser 5 greift Paulus besonders den letzten Teil des Themas auf. Christus soll sie sich selbst als eine herrliche Versammlung darstellen, die weder Flecken noch Runzeln oder irgendetwas dergleichen hat. Das große Geheimnis, das dort zum Vorschein kommt, ist die Nähe, die Liebe, die Intimität der bräutlichen Beziehung zwischen Christus und der Versammlung.
Im Kolosserbrief wird auf dasselbe hingewiesen: „Zur Erkenntnis des Geheimnisses Gottes [und des Vaters und Christi]“ (2,2). Diese letzten Worte scheinen ohne ausreichende Autorität eingefügt worden zu sein, und wenn Personen versuchen, die Schrift zu flicken, schaden sie ihr nur. In Kolosser 1 wird von einem gewissen großen Geheimnis gesprochen (1,26). Die Bedeutung des Wortes Geheimnis ist etwas Verborgenes. Es mag jetzt nichts Verborgenes sein, aber es bedeutet eine Sache, die verborgen war. Wo es etwas gibt, das die Menschen nicht verstehen können, sind sie geneigt, es als Geheimnis zu bezeichnen. Aber in der Schrift bedeutet es eine Wahrheit, die Gott verborgen hielt, die es aber nicht mehr ist – etwas, das sie als Menschen oder Juden nicht wussten, dass Christus sie aber als Christen lehren sollte. Im nächsten Vers gibt es dazu eine weitere Aussage: „denen Gott kundtun wollte, welches der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses ist unter den Nationen, das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (1,27).
Was die Vorhersagen über Christus im Alten Testament betrifft, so ist es ein Fehler, dies oder die Tatsache selbst als Geheimnis zu bezeichnen: Es war genügend klar. Was die jüdischen Propheten verkündeten, war das Kommen eines Messias, der über sie herrschen würde und der die Erlösung damit verbinden würde, der große König zu sein. Was sie nicht verstanden, obwohl es offenbart war, war seine Erniedrigung und sein Tod. Sie stießen sich an Ihm. Wiederum ist „das Geheimnis“ ein Begriff, der nie auf den Tod und die Auferstehung Christi angewendet wurde. Das war überhaupt kein Geheimnis, sondern ist im Gegenteil sehr deutlich in Jesaja 53 und den Psalm 16,22,69,106 und vielen anderen Stellen vorhergesagt.
Aber es war ein Geheimnis, dass Gott Christus, nachdem Er von seinem Volk verworfen worden war, während der Zeit seiner Erhöhung im Himmel zum Haupt eines himmlischen Leibes machen würde, der in seiner Gnade aus allen – Juden oder Heiden – erwählen würde. Davon war im Alten Testament nicht die Rede. Es gab gewisse Dinge, die wir jetzt als entsprechende Vorbilder nehmen können, aber sie hätten niemals das geringste Licht darauf geworfen, wenn das Geheimnis nicht bekanntgemacht worden wäre. Damals gab es nichts dergleichen, und es wurde auch nicht vorhergesagt, dass Jude und Heide zusammen in einem Leib gesegnet würden. Das ist der Grund, warum es „das Geheimnis, das von Zeitaltern und von Geschlechtern her verborgen war“ genannt wird. Es war ein in Gott verborgenes Geheimnis, das die Propheten nicht verkündigten. Wenn die Juden ihren Messias haben, wird es nicht als die Hoffnung auf Herrlichkeit sein, sondern als derjenige, der selbst die Herrlichkeit bringt. Wenn die Zeit für den Segen kommt, den sie erwarten, wird es keinen Zweifel daran geben, denn alles wird offenbar werden, ob für Freunde oder Feinde; es wird auch keine Hoffnung sein, sondern die tatsächliche Vollendung der Herrlichkeit in ihrer Mitte. Aber jetzt gibt es einen außergewöhnlichen Zustand der Dinge, den Gott unter den Heiden bewirkt, während die Juden verstoßen sind. Die Heiden haben Christus jetzt nicht als den, der die Herrlichkeit sichtbar auf die Erde bringt, wie es bei den Juden nach und nach der Fall sein wird, sondern sie haben Ihn in sich als die Hoffnung der Herrlichkeit nach und nach und im Himmel.