Behandelter Abschnitt Off 7,9-12
Nach diesem sah ich: Und siehe, eine große Volksmenge, die niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen, und sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, bekleidet mit weißen Gewändern, und Palmen waren in ihren Händen. Und sie rufen mit lauter Stimme und sagen: Das Heil sei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm! Und alle Engel standen um den Thron her und um die Ältesten und die vier lebendigen Wesen, und sie fielen vor dem Thron auf ihre Angesichter und beteten Gott an und sagten: Amen! Die Segnung und die Herrlichkeit und die Weisheit und die Danksagung und die Ehre und die Macht und die Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen (7,9–12).
Und nicht nur dieses: Gott wird auch eine Schar von Heiden erretten, und hier erscheint keine Zählung. Dies ist ein höchst erfrischender Gedanke wegen seiner Unbeschränktheit. Denn obwohl Gott aus ihnen jetzt ein Volk zu seinem Namen sammelt, ist es doch eine betrübliche und niederdrückende Überlegung, wenn wir an die Scharen denken, die in der Finsternis versunken sind, an die Tausende von Menschen in den heidnischen Ländern, an eine Handvoll – ja, vielleicht nur einen – unter ihnen, die hier und dort die Erkenntnis Gottes haben. Aber ist es nicht bemerkenswert, dass, wenn Gott uns die zunehmende Bosheit sowohl der Juden als auch der Heiden zeigt, und wenn seine Gerichte im Begriff stehen, zuzuschlagen, wir doch diese Schar Israels finden, die mit der größten Sorgfalt gezählt wird, und dass Gott die armen Heiden nicht vergisst? Sie werden zwar nicht auf der gleichen hohen Stufe wie die Juden stehen, doch Gott wird sie trotzdem wunderbar segnen. Aber der Prophet, der gerade die versiegelte Erwählung Israels kannte und ihre Zahl gehört hatte, muss sich an einen der Ältesten wenden, um zu erfahren, wer die unzählbare Schar ist. Sie waren für Johannes eine neue unbekannte Volksmenge unter denen, die gesegnet werden. Wenn sie an ihren Stirnen versiegelt waren, ist es dann verständlich, dass diese gleich danach so fremd erscheinen?
Die Volksmenge, von der hier die Rede ist, unterscheidet sich von der Versammlung, ja, steht sogar im Gegensatz zu ihr. So können wir sie eindeutig bestimmen. Die Ältesten stellen die himmlischen Gläubigen als die Häupter der Priesterschaft dar. Nun könnte Gott zwei verschiedene Symbole verwenden, um ein und dieselben Schar zu bezeichnen, so wie zum Beispiel die klugen Jungfrauen und die guten und treuen Knechte in Matthäus 25 aufeinanderfolgende Vertreter der himmlischen Gläubigen sind. Aber hier haben wir die heidnische Volksmenge und die Ältesten als unterschiedliche Gruppen in derselben Szene. Erneut tun die Ältesten die eine Sache und die Schar eine andere. Beachten wir vor allem, dass die Art und Weise, in der Gott von dieser Volksmenge spricht, sie sowohl von der Versammlung Gottes als auch von den alttestamentlichen Gläubigen völlig trennt.
Von dieser Volksmenge heißt es: „Dies sind die, die aus der großen Drangsal kommen“ (V. 14). Man könnte natürlich verstehen, dass bildlich die ganze Haushaltung eine Zeit der Drangsal oder sogar der großen Drangsal genannt werden könnte. Aber hier heißt es nicht nur: „Diese sind es, die aus großer Drangsal gekommen sind“, sondern „aus der großen Drangsal“. Es ist nicht möglich, „die große Drangsal“ auf die gesamte Zeit zwischen dem ersten und zweiten Kommen Christi auszudehnen. Sogar die vagen protestantischen Ausleger sprechen von einer besonderen Drangsal, aber wenden es, wie es bei ihnen natürlich ist, auf die heftigen Verfolgungen des Papsttums an: „die große vorhergesagte Drangsal des kommenden Abfalles und Antichrists.“ Der Ausdruck bedeutet eine besondere Zeit der Drangsal, und wir entnehmen einer anderen Stelle, dass sie noch kommen wird; und es ist genau diese Zeit, die den zentralen Teil der Offenbarung bildet und hauptsächlich behandelt wird.
Im Brief an Thyatira heißt es: „Siehe, ich werfe sie in ein Bett und die, die Ehebruch mit ihr treiben, in große Drangsal, wenn sie nicht Buße tun von ihren Werken“ (2,22). Dürfen wir nicht urteilen, dass die Androhung dieser großen Drangsal sich jetzt erfüllen soll. Der Schauplatz der Versammlung ist abgeschlossen, die große Drangsal kommt immer näher, und diejenigen, die sich zum Christentum bekannt hatten, aber in den Götzendienst zurückgefallen waren, würden mit anderen in diese Drangsal geworfen werden. Was Gott uns hier also zeigt, ist eine Volksmenge von geretteten Heiden: nicht die Juden, denn diese hatten wir gerade zuvor; und nicht die Christen, denn diese werden dann im Himmel sein. Diese bilden eine Gruppe aus den Heiden, die nach der Entrückung der Versammlung berufen wird. Sie werden in der Zeit der großen Drangsal da sein, werden aber durch sie hindurch bewahrt werden.
Wir finden die große Drangsal an mehreren Stellen des Wortes Gottes erwähnt. Bei Jeremia wird sie im Zusammenhang mit den Juden genannt: „Wehe, denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine die Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr gerettet werden“ (Jer 30,7). Es wird eine Zeit übergroßer Angst sein, die mit dem Tag des Herrn endet, und Jakob soll daraus errettet werden; so hat man dort Juden in der Not und Juden, die daraus errettet werden.
Aber bei Daniel ist es noch deutlicher Der Engel spricht von Daniels eigenem Volk, den Juden: „und in jener Zeit ... wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird“ (Dan 12,1). Das ist „die Zeit der Drangsal für Jakob! Doch er wird aus ihr gerettet werden.“ Das ist offensichtlich das klare Gegenstück zu den Worten Jeremias; und es rechtfertigt die Schlussfolgerung, dass es eine zukünftige Zeit geben wird, eine „Zeit der Drangsal …, wie sie nie gewesen ist“ – der unmittelbare Vorläufer der Befreiung für Jakobs Volk, von der in diesen Prophezeiungen gesprochen wird.
In Matthäus 24 weist der Herr selbst darauf hin: „denn dann wird eine große Drangsal sein, wie sie seit Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nicht wieder werden wird“ (V. 21). Da haben wir wieder die gleiche Zeit. Der Herr zitiert genau die eben zitierte Stelle aus Daniel 12. Es ist ganz klar, dass Er nur von Juden spricht, weil man annimmt, dass sie mit dem Tempel verbunden sind, und ihnen wird gesagt, dass sie beten sollen, dass ihre Flucht nicht am Sabbat stattfindet, weil sie an dem Tag nicht über eine Sabbat-Tagesreise hinausgehen können, noch im Winter. In beiden Fällen wäre ihre Flucht behindert, sei es von Seiten Gottes, sei es durch die Umstände der jeweiligen Jahreszeit. Dasselbe wird bei Markus erwähnt, aber Lukas scheint allgemeiner zu sprechen.
Welche Gruppen werden also an der Drangsal teilhaben? Zunächst eine jüdische, von der in den Propheten und den Evangelien die Rede ist, die der Fürsorge Gottes teilhaftig werden. Gott wird mit einem Überrest Israels liebevoll umgehen und sie aus ihrer Drangsal erlösen. Dann hören wir ab Kapitel 7,9 von einer großen Volksmenge aus den Heiden. Aber keine der beiden Parteien ist die Versammlung.
Niemals hat Gott so mit dem Juden und dem Heiden gehandelt und gleichzeitig die Versammlung gebildet; denn dann hätte Gott mindestens zwei, wenn nicht drei Gruppen – nicht nur verschiedene, sondern entgegengesetzte Gruppen – der besonderen Zuneigung auf der Erde zur gleichen Zeit, mit ganz unterschiedlichen Handlungsweisen und Zielen.
Nehmen wir an, es gäbe zwei Personen, die der Herr zu sich bringen wollte. Hätte Er es mit dem Juden zu tun, hätte Er einen irdischen Tempel, ein Priestertum und eine Anbetung anerkannt. Der Herr Jesus anerkannte die Juden als solche, als Er auf der Erde war, und in einer noch erhabenen Weise wird Er das an dem zukünftigen Tag tun. Aber solange der Herr mit der Bildung der Versammlung beschäftigt ist, hat die jüdische Ordnung keinerlei Anspruch mehr. Nehmen wir also an, Gott würde die Juden als Juden segnen und gleichzeitig die Versammlung auf der Erde bilden. Wenn sich zwei Personen bekehren würden, könnte die eine sagen: Ich muss immer noch meinen Priester haben und in den Tempel gehen; die andere würde ausrufen: Es gibt keinen Priester außer Christus, und der Tempel ist im Himmel. Sehen wir die Verwirrung, die entstehen würde, wenn Gott hier auf der Erde ein irdisches und ein himmlisches Volk gleichzeitig besäße?
In dieser Zeit der Drangsal, in der der Herr Juden (oder den gottesfürchtigen Überrest) bis zu einem gewissen Grad anerkennen wird, wird die Versammlung nicht gleichzeitig anwesend sein. Solche, die Er befreien wird, werden auserwählte Juden und auserwählte Heiden sein, die sich voneinander unterscheiden, und nicht die Versammlung Gottes, in der beide vereint sind und alle Unterscheidungen verschwinden. Wir haben einen direkten Beweis für die Entrückung der Versammlung in Kapitel 4 und 5 gesehen. Hier gibt es einen indirekten Beweis, denn wir haben Juden, die versiegelt wurden, und Heiden, die gerettet wurden, und die Heiden werden ausdrücklich von den Ältesten oder himmlischen Gläubigen unterschieden. Die Versiegelung der Juden schloss die Erwählung aus allen zwölf Stämmen Israels ein, es sei denn, es gab ein besonderes Kennzeichen des Bösen wie bei Dan. Doch in dem Moment, in dem wir die Juden finden, haben wir Gott, der auch, wenn auch getrennt, auf die Nationen schaut. Denn nachdem Er einmal die Heiden mit seiner Barmherzigkeit heimgesucht hat, wird Er das nie wieder rückgängig machen. Wenn Er also hier von der Barmherzigkeit gegenüber einem Teil Israels spricht, so ist damit auch die Rettung einer Volksmenge aus jeder Nation und jedem Geschlecht und Volk und jeder Sprache gemeint.
Wir sahen, dass, wenn die schuldigen christlichen Bekenner in ihrer Sünde mit Isebel weitergingen, sie aufgegeben würden und durch große Drangsal gehen würden. Hier sehen wir, dass die große Drangsal gekommen ist; und nicht nur Israeliten versiegelt werden, sondern eine Volksmenge aus den Heiden daraus befreit wird. Das Alte Testament spricht nicht von Heiden, die von dort befreit werden, sondern von Juden. In der Zwischenzeit hat Gott das Heil zu den Nationen gesandt. Daher ist in der neutestamentlichen Prophezeiung die Erlösung der Heiden genauso wichtig wie die Erlösung der Juden im Alten Testament. Gott zeigt, dass Er in den letzten Tagen eine große Volksmenge von Heiden erlösen wird. Doch wird das in diesen Ländern so sein, in denen das Licht des Evangeliums geschienen hat und verachtet wurde? „... darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“ (2Thes 2,10-12).
Gott wird die begnadigen, die sich dieses Zeugnisses nicht erfreut haben, die außerhalb befindlichen Völker, denen Christus nicht richtig vorgestellt wurde. Die Versammlung hat in dem, was Gott von uns erwartet, völlig versagt. Er rief die Versammlung auf, das Kreuz auf sich zu nehmen und Christus nachzufolgen, doch die Versammlung hat in der Praxis das Kreuz aufgegeben und ist der Welt nachgefolgt. All das hat die Heiden verhärtet, die feststellen, dass die Versammlung nicht die Früchte hervorbringt, die der Gnade und Wahrheit entsprechen, die wir in Christus gefunden zu haben bekennen. Aber Gott, in seiner Fülle der Barmherzigkeit, wird sich zu denen außerhalb wenden. So glaube ich, dass gerade die Länder, die sich als Zentrum, von dem das Licht ausgeht, aufgestellt haben, dann im antichristlichen Götzendienst sein werden, während die, die in der Finsternis sein werden, ins Licht kommen werden. Es wird wieder die Geschichte des Galiläas der Nationen sein, als Jerusalem den Sohn Gottes leider verachtete und verlor. Wie lange wird das so bleiben!
Hier sehen wir das Ergebnis des Segens. Es wird diese unzählige Volksmenge aus allen Nationen und Stämmen und Völkern und Sprachen sein, die vor dem Thron43 und vor dem Lamm stehen. Sie haben die Gewänder der Gerechtigkeit,44 und die Palmen in ihren Händen die Palmen des Sieges. Sie singen allerdings nicht das neue Lied. Da findet sich nicht der hohe und jubelnde Ton von Kapitel 5, keine Fürbitte für andere, nein, kein Wort davon, dass sie zu Königen und Priestern Gottes gemacht sind. Sie rufen mit lauter Stimme: „Das Heil sei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm!“ (V. 10). Sie sind gerettete Personen, aber die Beschreibung beschränkt sich auf den Titel, den Er auf dem Thron und dem Lamm einnimmt. Gott sitzt jetzt nicht auf dem Thron, der hier beschrieben wird, zumindest offenbart Er sich nicht so, während die Versammlung auf der Erde ist. Er wird nach und nach seinen Platz dort einnehmen, als jemand, der Gerichte ausspricht. Es scheint vor allem darum zu gehen, dass Gott ‒ obwohl es eine Zeit des vorbereitenden Zorns und des gerichtlichen Handelns ist ‒ doch ein Zeichen der Barmherzigkeit gibt, sogar gegenüber den Heiden.
43 Die Vision, die Johannes von ihnen hat, bedeutet nicht, dass sie im Himmel sein werden und nicht auf der Erde, wenn das Reich Gottes kommt. „... vor dem Thron und vor dem Lamm“ ist eher moralisch als örtlich zu verstehen (vgl. Off 12,1; 14,3). Es drückt lediglich aus, wo der Prophet sie in den Gedanken Gottes sieht. Die Beschreibung, mit der das Kapitel schließt, vermittelt die Vorstellung von Menschen, die von bitterem Leid befreit und für immer beschützt sind. Zweifellos wird dies ein unaussprechlicher Trost für sie sein. Doch nichts, was sie sagen, reicht an die Höhe der Freude und Einsicht heran, die bei den Ältesten zu sehen sind, noch wird etwas von ihnen gesagt, das sie auf die gleiche Stufe mit diesen stellt. Sie werden nie mit Kronen dargestellt, noch sitzen sie auf Thronen wie die vierundzwanzig Ältesten. Sie stehen in einer Beziehung zu Gott, wenn er nicht mehr als auf einem Thron der Gnade sitzend angesehen wird, wie wir Ihn jetzt kennen, sondern als auf einem Thron, von dem das Gericht ausgeht. Alles stimmt mit der Zwischenzeit der einleitenden Regierung überein, die dem tausendjährigen Friedensreich vorausgeht.↩︎
44 Man hat versucht, den Gegensatz zwischen diesen Heiden in Offenbarung 7 und unserer eigenen Stellung in Offenbarung 1,5.6 herauszuarbeiten, indem man sich auf die unterschiedlichen Aussagen stützt, dass sie ihre Gewänder gewaschen haben und dass Er uns gewaschen hat. Aber solche Vergleiche führen oft zu schwerwiegenden Missverständnissen, wie es auch hier der Fall ist. Ich möchte daher ausdrücklich meine eigene Überzeugung äußern (der sich der erwähnte Autor zweifellos herzlich anschließen würde), dass die Errettung aller Erlösten zu allen Zeiten vom Werk Christi abhängt und dass der Geist der einzige wirksame Vermittler all dessen für jeden Einzelnen ist. Die eigentliche Frage ist die nach den verschiedenen Handlungen Gottes und seinen souveränen Anordnungen unter den Erlösten. Meiner Meinung nach ist die Heilige Schrift in Bezug auf all dies völlig klar, wenn die Menschen nur ihre vorgefassten Meinungen aufgeben und auf die Antwort Gottes warten würden.↩︎