Behandelter Abschnitt Off 7,1-3
Einleitung
Der aufmerksame Leser der Offenbarung wird bemerkt haben, dass dieses Kapitel, genau genommen, keinen Teil des Ablaufs der Ereignisse darstellt. Das heißt, es ist weder eins der Siegel noch der Posaunen, noch der Schalen. Wir haben die Siegel noch nicht beendet. In Kapitel 6 hatten wir sechs Siegel, und es gibt ein siebtes, das wir in Kapitel 8 finden. Was ist dann die Bedeutung von Kapitel 7? Es ist eine Einfügung – eine Art Klammer in diesen Ereignissen –, die sich zwischen dem sechsten und dem siebten Siegel befindet. Unter dem sechsten Siegel gibt es eine schreckliche Katastrophe unter Königen und Untertanen, hoch und niedrig, die zu den Felsen und Bergen rufen, damit sie auf sie fallen und sie vor dem Zorn des Lammes verbergen. Für sie war sein Tag gekommen.
Auf der anderen Seite, als Er das siebte Siegel öffnet (Kap. 8), herrscht im Himmel eine Stille von etwa einer halben Stunde, so dass das gesamte Kapitel 7 kein Glied in der regulären Kette der vorhergesehenen Geschichte ist. Dennoch ist diese scheinbare Unterbrechung der geschichtlichen Reihenfolge genauso geordnet wie die formal nummerierte Reihe der Gerichte, denn alles, was Gott tut, ist vollkommen: Jede Einzelheit ist mit größter Sorgfalt und Genauigkeit festgelegt. Das wird dadurch bestätigt, dass bei den sieben Posaunen die sechste Posaune in Kapitel 9 beschrieben wird. Die siebte erscheint erst in Kapitel 11,15. Dadurch bilden die Kapitel 10 und der größere Teil von Kapitel 11 eine große eingefügte Offenbarung von Ereignissen, ähnlich wie das, was wir in Kapitel 7 vor uns haben. In der Tat ist es für mich bei den Posaunen noch bemerkenswerter, denn wir stellen fest, dass es in Kapitel 9,12 heißt: „Das eine Wehe ist vorüber; siehe, es kommen noch zwei Wehe“ und so weiter. Und dann haben wir die sechste Engelsstimme und die Beschreibung der Reiter vom Euphrat. Aber erst in Kapitel 11,14 heißt es: „Das zweite Wehe ist vorüber“, was sich offensichtlich auf diese Reiter bezieht, die zuvor in Kapitel 9 erwähnt wurden. Die ganze Szene des mächtigen Engels, der vom Himmel herabkommt, des kleinen Buches, das der Seher nehmen und essen sollte, des Tempels und der Anbeter, die gezählt oder vermessen wurden, des Hofes und der Stadt, die für zweiundvierzig Monate hingegeben wurden, der zwei Zeugen, ihres Zeugnisses, ihres Todes, ihrer Auferstehung und ihrer Himmelfahrt, all das gehört zu der eindrucksvollen Zwischenhandlung.
So wie es eine Klammer zwischen dem sechsten und dem siebten Siegel gibt, gibt es eine genau entsprechende zwischen der sechsten und der siebten Posaune. Und nicht nur das, sondern wir haben eine Parallele bei den Schalen. Wenn wir uns die sechste Schale ansehen (Kap. 16,12), werden wir feststellen, dass es eine Unterbrechung zwischen ihr und der siebten gibt. Zuerst wird das Wasser des großen Flusses Euphrat ausgetrocknet, damit der Weg der Könige aus dem Osten bereitet wird, und dann haben wir ein ganz anderes Thema. „Und ich sah aus dem Mund des Drachen und aus dem Mund des Tieres und aus dem Mund des falschen Propheten drei unreine Geister kommen, wie Frösche; denn es sind Geister der Dämonen“, und dann, wieder davon verschieden: „Siehe, ich komme wie ein Dieb. Glückselig, der da wacht“. Dies ist eine kurze, aber einzigartige Klammer, die sowohl den Bericht über das Böse als auch das Kommen des Herrn zum Gericht darüber enthält. Ich beziehe mich jetzt nur darauf, um zu zeigen, dass es nichts anderes gibt, als das, was mit der erstaunlichsten Genauigkeit der Absicht in Gottes Wort niedergelegt ist, und was in diesem Buch, so kann man hinzufügen, auffallend ist.
Auf den ersten Blick mag die Offenbarung wie ein Labyrinth erscheinen, doch in Wirklichkeit ist es nicht so. Dieser Eindruck entsteht lediglich durch unwissende Eile oder durch mangelnde Fähigkeit, zu unterscheiden. Es ist nämlich so, dass die Menschen bestimmte Gefühle oder Wünsche mit in das Buch hineinbringen, anstatt in dem Wunsch zu warten, das zu erfahren, was Gott denkt und darin zu ihnen spricht. Nehmen wir den höchsten Grund des Glaubens für das Wort Gottes und behaupten wir, dass der Heilige Geist die einzige Kraft ist, um irgendeinen Teil dieses Wortes zu verstehen. Ob für einen Menschen in der Praxis, für sein Heil und seine Hoffnungen, für seine praktische Führung, entweder individuell oder gemeinschaftlich, für seine Wege in der Versammlung oder in der Welt, für seine Unterweisung in der Anbetung und dem Dienst Gottes oder sogar für seine Pflichten auf der Erde, was auch immer es sein mag, es gibt göttliches Licht für jeden Schritt des Weges. Der einzige Grund, warum wir es nicht alle sehen, ist, weil wir nicht das einfältige Auge haben, das der Glaube hervorbringt. Es ist der Glaube, der den Segen empfängt. Der Herr sagte zweien: „Euch geschehe nach eurem Glauben“ (Mt 9,29). So ergeht es auch mit Blindheit, die dem Maß des Unglaubens entspricht. Der Herr gibt immer das, womit der Glaube von sich aus rechnet; der Unglaube findet unweigerlich die Unfruchtbarkeit, die er verdient.
In diesem Kapitel war es jedoch lange eine Schwierigkeit, wie es hier die Versiegelung einer Schar von auserwählten Juden und die Vision einer unzähligen Schar von verschonten Heiden geben konnte, wenn ihr Segen erst in einem späteren Teil des Buches folgt.40 Aber in dem Moment, als ich erkannte, dass dies alles eine Klammer war und dass die tatsächliche Zeit, in der der versiegelte Überrest Israels und die geretteten Heiden an die Öffentlichkeit treten und ihren Platz auf der Bühne einnehmen, eine ganz andere Sache ist, war diese Schwierigkeit gelöst. Zu unserem Trost lässt Gott, während die Gerichte andauern, den Vorhang für einen kleinen Moment aufgehen, und wir sehen, dass sie alle sicher unter seinem Auge sind und bereit, zu gegebener Zeit offenbart zu werden. Aber wann sie öffentlich in Erscheinung treten, ist eine andere Frage. In Kapitel 14 wird von einer Gruppe von Menschen gesprochen, von 144 000, deren Mittelpunkt das Lamm ist, und diese stehen mit Ihm auf dem Berg Zion und haben seinen Namen und den Namen seines Vaters auf ihren Stirnen geschrieben. Diese Gruppe ist offensichtlich ähnlich, wenn auch nicht identisch mit den 144 000, die wir hier haben. Vielleicht können wir auch die „Nationen“ in Kapitel 21,24–26 mit der unzähligen Schar der Heiden hier vergleichen, aber nicht identifizieren.
Noch auffälliger ist die Ähnlichkeit mit den Schafen in Matthäus 25, denn diese sind nicht nur die gesegneten Heiden im Tausendjährigen Reich, sondern hatten sich in der Zeit der schmerzlichen Prüfung, die diesem Tag vorausging, bewährt. Und beachten wir, dass die Schafe in jenem Abschnitt von den Brüdern des Königs unterschieden werden, die eine noch engere Beziehung zu Ihm selbst haben – jüdische Gläubige, die, nachdem die Versammlung in den Himmel aufgenommen ist, mit dem Evangelium des Königreichs betraut werden, das in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Nationen gepredigt werden soll, bevor das Ende kommt.
In Matthäus 25,31-46 finden wir die israelitischen Brüder des Königs kurz vor dem Ende, wenn die Nationen geprüft werden, die bei seinem Erscheinen vor seinen Thron gerufen und als Gesegnete oder Verfluchte bezeichnet werden, wobei ihr Glaube oder Unglaube durch die Art und Weise bewiesen wird, wie sie sich in der Zeit ihres leidvollen Zeugnisses gegenüber den Boten des kommenden Königreichs verhalten haben. Millionen Menschen aus den Nationen werden während der friedlichen tausendjährigen Herrschaft geboren werden, für die die Freilassung Satans an ihrem Ende schrecklich sein wird, auch wenn alle als Erstgeborene von Gott verschont blieben.
In diesem Kapitel gibt es also einfach zwei auffällige Ereignisse, die sinngemäß, wenn auch nicht zeitlich, außerhalb des regulären Verlaufs der Dinge beschrieben werden. Der Geist Gottes, der die geschichtliche Ordnung der göttlichen Gerichte festgelegt hat, verlässt diese für den Moment und zeigt uns, dass Gott in der kommenden Zeit der Drangsal Barmherzigkeit übt. Israel wird sich in schrecklichen Umständen befinden: Jerusalem wird „von der Hand des Herrn Zweifaches empfangen für alle ihre Sünden“ (Jes 40,2). Wie sie in ihrem Hass gegen den Herrn besonders stark gewesen war, so wird Er seine Rache zweifach über die schuldige Stadt ausgießen. Wir haben Gerichte gefunden, die zuerst mit vergleichsweise gewöhnlichen Ereignissen begannen, wie dem Auszug eines großen Eroberers, Blutvergießen, Hungersnot, Gottes wütende Plage (der Tod bezieht sich auf den Körper und Hades auf die Seele). Dann ein erbarmungsloser Ausbruch der Verfolgung des Volkes Gottes; danach geschah eine universelle und schreckliche Erschütterung vor den Augen des Sehers, die den Himmel, die Erde und das Meer betrifft, die größte Beunruhigung und Verwirrung unter den Menschen, die denken, dass der Tag des Zorns des Lammes gekommen sei. Aber dieser Tag war damals noch nicht gekommen. Wenn Er kommt, wird der Herr das Gericht in Person über die Toten und die Lebenden vollstrecken. Aber jetzt ist es eine Panik, die die Menschen dazu bringt, den Tag des Gerichts zu fürchten. Und die Könige der Erde und die Edlen und die Obersten und die Reichen und die Mächtigen und alle, die Knechte und die Freien, waren in der größten Bestürzung.
Aber hier finden wir, dass der Herr innehält und uns für eine Weile beiseitenimmt, um uns zu zeigen, was seine Barmherzigkeit tun wird:
Nach diesem sah ich vier Engel auf den vier Ecken der Erde stehen, die die vier Winde der Erde festhielten, damit kein Wind wehe auf der Erde noch auf dem Meer, noch über irgendeinen Baum. Und ich sah einen anderen Engel von Sonnenaufgang heraufsteigen, der das Siegel des lebendigen Gottes hatte; und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen es gegeben worden war, die Erde und das Meer zu beschädigen, und sagte: Beschädigt nicht die Erde noch das Meer, noch die Bäume, bis wir die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen versiegelt haben (7,1‒3).
Die Winde werden hier für den Moment zurückgehalten. Einige haben sich vorgestellt, dass der versiegelnde Engel Christus ist, zum Teil deshalb, weil man annimmt, dass Er den Heiligen Geist der Verheißung vermittelt, das Siegel der Erlösung. Für mich ist das alles mehr als zweifelhaft. Erst in der Serie der Posaunen nimmt unser Herr die Form und den Titel eines Engels an. Ob wir nun die Siegel betrachten oder die Einfügung zwischen den beiden letzten, Er wird immer, wo der Bezug sicher ist, als das Lamm bezeichnet. Auch steigt dieser Engel von Sonnenaufgang herauf. Ich kann eine solches Heraufsteigen ohne weiteres auf Engel anwenden, die dem Sohn des Menschen untertan sind und auf- und absteigen, um sein Wohlgefallen zu tun. Aber wenn der Herr in Engelsgestalt erscheint, dient Er entweder als Hoherpriester mit dem goldenen Räuchergefäß, oder Er kommt herab mit unmissverständlichen Zeichen und der Verkündigung seiner Herrschaft und Macht. In der vorliegenden Begebenheit wird nichts gesagt, was eindeutig seine eigene Herrlichkeit offenbart.
Es ist viel über die Formulierung „bis wir ... versiegelt haben“ gesagt worden, als ob sie mit der Anspielung auf die Personen in der Gottheit, wie in 1. Mose 1,26, übereinstimmen würde. Ich bin überrascht, dass der Rest des Satzes nicht als unvereinbar mit einer solchen Bedeutung angesehen wurde. Würden Vater, Sohn und Heiliger Geist (was in diesem Fall der Sinn wäre) sagen: „bis wir die Knechte unseres Gottes ... versiegelt haben?“ Der Gedanke scheint mir unbegründet zu sein. Und sogar wenn man sich unseren Herrn ausschließlich so vorstellen könnte, scheint es auch nicht mit seiner Würde vereinbar zu sein. Er lehrt seine Jünger, „unser Vater“ zu sagen, aber Er sagt es nicht mit ihnen. Wenn Er sie mit sich selbst als der Auferstandene in Verbindung bringt, ist es sogar dann „mein Vater und euer Vater, mein Gott und euer Gott“ – niemals „unser Gott“.
Die Bedeutung ist also, dass Gott, bevor die verschiedenen Gerichte über die Schöpfung ausgegossen werden, sich ein bestimmtes Volk für sich selbst angeeignet haben wird. Sie werden mit dem Siegel des lebendigen Gottes versiegelt, das heißt, ihnen wird ein Charakter aufgeprägt, der sie für Gott absondert. Kain hatte ein ganz anderes Zeichen, das ihm vom Herrn gegeben wurde; es sollte ihn vor dem Gericht der Menschen schützen. Auch hier kann es sich um Schutz handeln. Auf jeden Fall werden sie an der Stirn versiegelt, was natürlich kein physisches Zeichen bedeutet, sondern dass Gott sie für sich selbst absondert, und ich nehme an, auch öffentlich. Wer sind die Versiegelten? Ein bestimmter Überrest aus seinem alten Volk.
So werden die Engel gesehen, wie sie das Gericht zurückhalten, das über die ganze Schöpfung kommen wird, und wir haben hier das Siegel Gottes auf eine bestimmte auserwählte Anzahl aus Israel. Er wird eine auserwählte Schar aus diesem Volk haben, aber es wird eine persönliche und individuelle Auserwählung sein – nicht nur eine nationale wie in der Vergangenheit. Als David versuchte, das Volk zu zählen, war das eine anmaßende Sünde, aber hier ist es die Gnade Gottes, der sich eine Vollständigkeit der Stämme Israels für sich bereitet. Die Zahl 144 000 ist eine reguläre und vollständige Zahl, wenn auch eine geheimnisvolle, wie ich annehme, im Hinblick auf Gottes Gebrauch der begünstigten Nation hier auf der Erde.
40 Nicht viele meiner Leser werden geneigter sein als ich, die Art und Weise zu akzeptieren, wie Mr. Elliott das Auftreten der Siegel- und Palmenvisionen zu dieser besonderen Zeit erklärt. Augustinus, der berühmte Bischof von Hippo, blühte zu dem Zeitpunkt auf, auf den er das sechste Siegel oder vielmehr dessen Folgen bezieht! Herr E. hat aus seinen reichhaltigen Schriften alles herausgesucht, was diese weit hergeholte Idee verstärken könnte; und sicherlich wäre es seltsam, wenn er in einem so großen Feld nicht eine Fülle für seine Hand finden würde. Aber wenn er den Leser bittet, „innezuhalten und mit sich selbst zu überlegen, ob er sich möglicherweise zwei symbolische Bilder vorstellen kann, die die lehrhaften Offenbarungen, die Augustinus gemacht wurden, genauer symbolisieren würden, als die, die in der genau entsprechenden Epoche in den Patmos-Visionen dem repräsentativen Mann Johannes gezeigt wurden“, muss ich antworten, dass ich denke, dass es um die Vision der heiligen Stadt Jerusalem geht, die nach der Versiegelung und anstelle der Palmträger eingefügt worden wäre, hätte Herr E. noch lauter das Lob einer so wunderbaren Vorahnung von Augustins großem Werk De Civitate Dei gesungen. Möge der aufrichtige Leser urteilen.↩︎