Behandelter Abschnitt Jud 17-18
Ihr aber, Geliebte, erinnert euch an die von den Aposteln unseres Herrn Jesus Christus zuvor gesprochenen Worte, dass sie euch sagten, dass am Ende der Zeit Spötter sein werden, die nach ihren eigenen Begierden der Gottlosigkeit wandeln. Diese sind es, die sich absondern, natürliche Menschen, die den Geist nicht haben (V. 17.18).
Nun, wir haben mindestens zwei dieser Apostel. Das ist sicherlich ausreichend. Sehr wahrscheinlich lehrten die anderen Apostel genau dieselben Dinge durch mündliche Überlieferung. Aber wir haben diese Warnung vor diesen Spöttern, die außer von Judas noch von zwei anderen niedergeschrieben wurde. Der eine war der Apostel Paulus und der andere Petrus in seinen beiden Briefen. In seinem ersten Brief sagt Petrus, dass die Zeit kommt, in der das Gericht am Haus Gottes beginnt, und das Gericht über eben diese Art von Gottlosigkeit, die sich dann entfaltet; aber in seinem zweiten Brief steht noch viel mehr. Und ich denke, dass Judas noch weiter geht, und dass sein Brief nach dem zweiten Petrusbrief geschrieben wurde, und zwar aus dem Grund, dass es eine Zunahme des Bösen gibt. Petrus spricht von ungerechten Menschen, Judas spricht von Menschen, die einmal die Wahrheit zu haben schienen, und durch ihr schlechtes Leben, ihre schlechten Wege, ihren Stolz, ihre Eitelkeit oder was auch immer es war, und sie verloren. Das ist eine ganz gewöhnliche Sache. Mit gewöhnlich meine ich nicht, dass eine sehr große Anzahl auf diese Weise handelt, sondern dass es eine Sünde ist, die ab und zu ausbricht. Nun, sogar seit es die „Brüder“ gibt, hat es die schrecklichsten Fälle gegeben, in denen Menschen die ganze Wahrheit aufgegeben haben. Der größte Ungläubige der modernen Tage war einer der frühen „Brüder“. Er war ein sehr kluger Mann1 und gab sein Stipendium in Balliol (Universität Oxford) auf, um mit dem Evangelium in die östliche Welt zu gehen, unter Araber und Perser und dergleichen. Er schien dem Herrn treu ergeben zu sein. Aber schon auf dem Weg dorthin verriet er, dass er gar kein wahrer Gläubiger war. Wieso das? Indem er an der vollen, richtigen Gottheit des Herrn Jesus zweifelte. Und als er zurückkam, erkundigten sich die Brüder danach. Es hatte vor seiner Rückkehr Gerüchte darüber gegeben, aber dann war er nicht mehr da, so dass es bis zu seiner Rückkehr nicht möglich war, sich mit ihm zu beschäftigen oder ihn gründlich zu befragen, sie wollten nicht nur Gerüchte hören. Als er zurückkam, wurde er gesehen und angeschrieben, und seine Worte waren die Worte eines Ungläubigen; deshalb wurde ihm jeder Platz in unserer Gemeinschaft verweigert.
Danach ging er zu den Dissidenten, die ihn sehr herzlich aufnahmen, und er predigte in ihren Kapellen und war bei ihnen sehr angesehen, zumal er die „Brüder“ ziemlich scharf verurteilte. Zu dieser Zeit zeigte er sich noch fromm in seiner äußeren Art und Weise und las noch in der Bibel. Aber nach und nach gab er alles auf und legte darüber in einem Buch Rechenschaft ab, das er schrieb und das einen sehr anomalen Titel trug, denn es scheint, dass er wirklich nie glaubte. Er war ein Mann, der sehr beeinflussbar war, und er nahm leicht die Farbe derer an, mit denen er zusammen war. Er schätzte den Klang der Wahrheit und war von ihr angetan, und er meinte, sie zu haben, doch ich fürchte, dass er sie nie hatte. So lebte er, und so, fürchte ich, ist er gestorben. Es gab andere, die nicht so prominent waren, die ein ähnliches Ende hatten; vielleicht nicht so ausgeprägt, aber genauso traurig. Einige waren einst in Gemeinschaft und schienen eine Zeit lang sehr geehrte Personen zu sein, bevor sie wirklich bekannt wurden. Diese Art von Menschen finden wir hier.
Es waren solche Personen unter ihnen; und nicht nur die Lehrer. Petrus spricht von Lehrern, aber Judas nimmt sie genauer in Augenschein. Sie sind offensichtlich verantwortlich, auch wenn sie keine Lehrer sind. Wenn andere den Herrn entehren, die keine Lehrer sind, sind sie verantwortlich. Es gibt diesen Charakter bei Judas: Sie sind von der Wahrheit abgefallen und sind noch nicht aus der Gemeinschaft hinausgegangen. Das ist genau das, was er sagt. Da sind sie, obwohl es wahrscheinlich ist, dass niemand außer Judas, der diese Personen gesehen hat, von ihnen sprechen konnte; und Petrus sah sie dort, wo er war.
Sie schienen in Ordnung zu sein, wie es viele solche zu der Zeit gab, als die erwähnte Person in Gemeinschaft war. Viele wollten kein Wort davon glauben. Sie dachten, er sei ein sehr guter Mensch, und dass es ein Skandal sei, so über ihn zu reden. Sie sahen das nicht, bis die Sache gründlich zum Vorschein kam. Wir sind nicht alle „Auge“ im Leib (1Kor 12,16.17). Wir können einen wichtigen Platz haben. Die Hand oder der Fuß kann eine Arbeit verrichten, die das Auge nicht tun kann, und es gibt die, die weit vor anderen sehen können; und es ist wichtig, dass man sich derer bedient, die ihre besondere Fähigkeit darin bewiesen haben. Sonst sind wir geneigt, uns zu irren.
Es ist eine ungeheure Sache, zu sagen, dass wir jetzt nicht nur Lehrer und Prediger haben, die die Wahrheit verbreiten, trotz ihrer Schwachheit und ihrer Anfälligkeit, sich zu irren, sondern wir haben auch solche, die in dem, was sie geschrieben haben, absolut vor Irrtum bewahrt wurden; und diese werden uns hier als die Apostel unseres Herrn Jesus Christus vorgestellt. Sie waren Männer mit gleichen Empfindungen wie wir selbst, aber die Besonderheit im Fall dieser Apostel und Propheten ist, dass sie inmitten ihrer Schwachheit bewahrt wurden – sie waren nicht wie Christus absolut vollkommen – aber es gab die vollkommene Bewahrung vor Irrtum in dem, was sie schrieben. Und es war umso bemerkenswerter, dass dies in nur einer Generation geschah. Es war nicht wie die Nachfolge, die es in der alten Haushaltung Gottes gab. Dort haben wir Propheten, die zu allen Zeiten erweckt wurden, wo immer sie gebraucht wurden; aber die große Besonderheit für die Versammlung und für den Christen ist, dass wir nicht nur Worte haben, die für ihren Zweck vollkommen waren, und Worte, die von Gott inmitten all der Fehler Israels treu gegeben wurden, sondern jetzt haben wir in jeder Hinsicht eine vollkommene Offenbarung von Männern, die selbst unvollkommen waren, aber dennoch vom Heiligen Geist bewahrt und bevollmächtigt wurden, die Wahrheit ohne jeden Fehler zu sagen.
Nun, es gibt zwei Dinge in den Worten der Apostel: Das erste ist der Geist Gottes zur Ehre Christi; und das haben wir in allen Büchern des Neuen Testaments. Aber in der Mitte dieser Worte, und besonders in der letzten Zeit der Offenbarung dieser Worte, haben wir die ernstesten Warnungen, die in irgendeinem Teil der Bibel gegeben werden. Es war keineswegs so, dass alle diese Zeichen des Bösen hervortraten, so dass der Christ sie erkennen konnte, aber sie traten in ausreichendem Maß hervor, so dass die Apostel sie erkennen konnten.
So haben auch wir Beispiele für die praktische Anleitung in den Worten der Apostel. Sie sind die Personen, durch die wir die volle Wahrheit Gottes empfangen haben. Es gab nicht einen Irrtum, der sich jemals in die Versammlung eingeschlichen hat, der hier nicht beschrieben wird. Es gibt nicht eine gute Sache, die Gott zu offenbaren hatte, außer dem, was hier offenbart ist.
Denn wir sind nicht dazu bestimmt, Dinge zu erfinden oder zu entdecken wie die Männer der Wissenschaft. Der Grund, warum es Erfindungen in den Künsten und Entdeckungen in der Wissenschaft gibt, ist, weil alles unvollkommen ist. Aber Vollkommenheit ist das, was das Wort Gottes kennzeichnet – nicht nur relative Vollkommenheit, bezogen auf den Zustand Israels zu verschiedenen Zeiten, sondern absolute Vollkommenheit. Was brachte die absolute Vollkommenheit? Christus. Dort ist der Schlüssel zu allem, was am meisten gesegnet ist. Da ist das, was erklärt, was am allerbesten ist. Es war nach Christus, dass die ganze Wahrheit offenbart werden sollte, in ganzer Fülle und vollkommen für alles, was sein könnte, durch die Jahrhunderte hindurch, die bis zur heutigen Zeit folgen. Und dies, damit wir niemals außerhalb der Schrift nach dem Beweis für irgendeinen Irrtum suchen müssen, und dies auch für die Versorgung mit allem Guten. Alles ist im Wort enthalten; dieses Wort, das wir bekommen haben. Das Alte Testament ist voller Wert, aber dennoch ist es nur allgemein.
Unsere speziellen Anweisungen stehen im Neuen Testament, denn wir können leicht verstehen, dass es in alttestamentlichen Zeiten nicht so etwas wie Christen gab. Sie waren Gläubige, aber keine Christen. Ein Christ ist ein Mensch, der nicht nur nach den Verheißungen Ausschau hält, sondern der die Verheißungen hat, die in Christus erfüllt sind. Natürlich hatten die alttestamentlichen Gläubigen das nicht, und die Versammlung war eine absolut neue Sache. Es waren nicht nur die Verheißungen, die erfüllt wurden, sondern das Geheimnis, das bis dahin in Gott verborgen war, wurde offenbart. Es gab keinerlei Offenbarung davon im Alten Testament. Jetzt ist es offenbart, und es ist uns gegeben. Und wie? Durch diese vollkommenen Schriften des Neuen Testaments, die nichts übrigließen, was für den Glaube notwendig war. Es ist der Unglaube, der Dinge hinzufügt, und es ist noch mehr Unglaube, der davon wegnimmt. Doch für den Glauben fehlt nichts. Wir haben alles hier, und es ist nur für unseren Glauben, es zu erkennen und zu praktizieren.
Deshalb sind nun alle Dinge in einem Geschlecht zum Vorschein gekommen. Johannes, der allerletzte von allen, war der, der den Herrn von Anfang an gesehen hat. Er war nicht nur einer der Apostel, sondern einer der ersten beiden, die dem Herrn Jesus folgten und in eine lebendige Beziehung mit Ihm hier auf der Erde eintraten. Aber wir haben auch einen anderen von denen, die besonders begünstigt waren und auffallend gebraucht wurden. Obwohl Judas einen kurzen Brief geschrieben hat, enthält er doch so viel!
Nun zu dem, was wir bereits berührt haben: „Ihr aber, Geliebte, erinnert euch an die von den Aposteln unseres Herrn Jesus Christus zuvor gesprochenen Worte, dass sie euch sagten, dass am Ende der Zeit Spötter sein werden, die nach ihren eigenen Begierden der Gottlosigkeit wandeln“ (V. 17.18). Es würde nicht nur ungerechte oder gesetzlose Menschen geben, sondern eine der schlimmsten Eigenschaften des Bösen, Spötter. Warum finden wir im Alten Testament, als es sich nur um Kinder handelte, die ihrem Humor nicht widerstehen konnten – ich darf es sehr schlechten Humor und sehr schlechte Manieren nennen –, doch sie verspotteten den alten Propheten Elisa. Und sogar dieser, der Mann der Gnade, wurde ohne Zweifel von Gott dazu geführt, die Bären herbeizurufen, die sie alle zerrissen.
Hier sehen wir, dass es nicht kleine Kinder in ihrer Torheit sind (denn es heißt: „Narrheit ist gekettet an das Herz des Knaben“; Spr 22,15), sondern der Fall von Männern, die Weisheit beanspruchten; und die Art, wie sie es zeigten, geschah mit Spott: „dass am Ende der Zeit Spötter sein werden, die nach ihren eigenen Begierden der Gottlosigkeit wandeln“ – ihren eigenen Begierden entsprechend gottlosen Dingen. Das ist etwas stärker. Ihre Begierde entsprach der Gottlosigkeit. Das charakterisierte ihre Begierde. Es ist nicht nur ein unbestimmter Begriff, sondern er ist sehr prägnant: „Begierden der Gottlosigkeit.“ Das ist eine furchtbare Sache. Und woraus resultiert das? Ich will nicht sagen, dass es aus dem Christentum resultiert, aus der Wahrheit. Gott bewahre. Aber es resultiert aus der Tatsache, dass sie da waren, und dass ihre Herzen dessen überdrüssig wurden, und sie wurden Feinde der Wahrheit. Es gibt nichts Glückseligeres als einen Menschen, der Christ ist, der in Einfachheit wandelt. Es gibt nichts Schrecklicheres als einen Menschen, der Christ ist und das Christentum abwirft und ein Spötter nach den Begierden seiner eigenen Gottlosigkeit wird. Das ist es, was hier beschrieben wird. Darauf will der Schreiber uns vorbereiten. Niemand hätte das in früheren Tagen glauben können.
Diese Spötter sahen einst gerecht aus. Früher sprachen sie gerecht. Sie wurden aufgenommen, sie wurden getauft; sie erinnerten sich an den Herrn Jesus und nahmen an der Versammlung teil, kein Zweifel. Sie mögen sehr wahrscheinlich Prediger gewesen sein, aber hier war es offensichtlich, dass sie ihren eigenen Begierden der Gottlosigkeit ergeben waren, und sie waren Spötter; dementsprechend wandten sie sich deshalb mit der größten Bosheit und dem größten Hass gegen die Wahrheit, die sie einst von der Welt trennte. Sie gaben vor, gläubig zu sein, aber es ist offensichtlich, dass sie in Wirklichkeit die Gesandten Satans waren. Und die Briefe (einige der letzten in der Bibel), wie auch die Apostel unseres Herrn, legten dies fest: Diese Spötter würden in der letzten Zeit kommen. Die letzte Zeit würde also eine besonders böse Zeit sein, und es ist eine sehr ernste Sache, dass wir jetzt ganz und gar in dieser Zeit leben. Ich sage nicht, dass diese Zeit sich nicht hinziehen kann – das ist ganz und gar eine Frage des Willens Gottes. Die Verlängerung des Bösen kann genauso sein wie die Verlängerung der Ruhe. Es gibt die Ruhe für den einen, und sie kann in größerer Abkehr als je zuvor enden, oder sie kann das Mittel zur Umkehr und zur Befreiung aus diesen Bemühungen des Feindes sein.
1 Es geht um Francis William Newman; siehe dazu Edwin Cross, William Kelly – sein Leben und Werk, Hückeswagen (CSV-Verlag), S. 14.↩︎