Der Älteste dem geliebten Gajus, den ich liebe in der Wahrheit. Geliebter, ich wünsche, dass es dir in allem wohl geht und du gesund bist, wie es deiner Seele wohl geht. Denn ich habe mich sehr gefreut, als Brüder kamen und Zeugnis ablegten von deinem Festhalten an der Wahrheit, wie du in der Wahrheit wandelst. Ich habe keine größere Freude als dies, dass ich höre, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln. Geliebter, treu tust du, was irgend du an den Brüdern, und zwar an fremden, tust (die von deiner Liebe Zeugnis abgelegt haben vor der Versammlung), und du wirst gut daran tun, wenn du sie auf eine Gottes würdige Weise geleitest. Denn für den Namen sind sie ausgegangen und nehmen nichts von denen aus den Nationen. Wir nun sind schuldig, solche aufzunehmen, damit wir Mitarbeiter der Wahrheit werden. Ich schrieb etwas an die Versammlung, aber Diotrephes, der gern unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht an. Deshalb, wenn ich komme, will ich an seine Werke erinnern, die er tut, indem er mit bösen Worten gegen uns schwatzt; und sich hiermit nicht begnügend, nimmt er die Brüder nicht an und wehrt auch denen, die es wollen, und stößt sie aus der Versammlung. Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute. Wer Gutes tut, ist aus Gott; wer Böses tut, hat Gott nicht gesehen. Dem Demetrius ist Zeugnis gegeben worden von allen und von der Wahrheit selbst; aber auch wir geben Zeugnis, und du weißt, dass unser Zeugnis wahr ist. Ich hätte dir vieles zu schreiben, aber ich will dir nicht mit Tinte und Feder schreiben, sondern ich hoffe, dich bald zu sehen, und wir wollen mündlich miteinander reden. Friede sei dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde mit Namen (V. 1‒15).
Es ist schwer, sich einen Brief vorzustellen, der stärkere Gegensätze mit dem zweiten Brief des Johannes aufweist als der, mit dem wir uns jetzt beschäftigen. Dennoch haben sie eine gemeinsame Wurzel, und die Frucht, die sie hervorbringt, nimmt nur wegen der unterschiedlichen Bedürfnisse der Christen eine so unterschiedliche Färbung an. In Christus gibt es keine wirkliche Unstimmigkeit, sondern eine völlige Anpassungsfähigkeit an alle unsere Bedürfnisse. Dennoch unterscheiden sich ihre Ziele auffallend. Der zweite Brief vermittelt die ernsteste Warnung. Was ihm sowohl eine besondere Bedeutung als auch eine allgemeine Anwendung verleiht, ist die Tatsache, dass er nicht einmal an einen Ältesten oder Aufseher gerichtet ist, auch nicht an Männer wie Timotheus und Titus, die in einem gewissen Rahmen und aus einem besonderen Grund den Apostel in einem Ausmaß vertraten, das über diese örtlichen Aufgaben hinausging, sondern an eine nicht namentlich genannte christliche Frau. Eine auserwählte Frau und sogar ihre Kinder werden alle umarmt und aufgefordert, die ihnen auferlegte Pflicht zu erfüllen. Dabei handelte es sich natürlich nicht um eine öffentliche oder kirchlichen Handlung, sondern um die individuelle Treue zu Christus, die so strikt war, dass es ihnen verboten war, den Irrlehrer ins Haus aufzunehmen oder ihn auch nur auf die übliche Art zu grüßen, da er ein Antichrist war.
Der dritte Brief ist das Erweisen der stärksten christlichen Zuneigung, da der Schreiber an einen christlichen Mann richtet, der bereits für seine Liebe bekannt war, besonders in der Fürsorge für die, die im Werk des Herrn tätig waren. Sein Herz empfing und begleitete sie in ihrem Dienst, um das Werk und sich selbst nach allem, was in seiner Macht stand, zu fördern. Deshalb ist das Schlüsselwort des dritten Briefes empfangen, wie das Schlüsselwort des zweiten nicht empfangen ist. Das mag dem natürlichen Menschen willkürlich und widersprüchlich erscheinen. Aber was bedeutet das schon? „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit“ (1Kor 2,14). Hier dagegen ist die Richtung völlig entgegengesetzt: Es gibt wirklich eine völlige Harmonie; und was die Harmonie ausmacht, ist Christus. Es gab und gibt Gläubige, die sich mit der Wahrheit Christi hier auf der Erde identifizieren; und das Wort im dritten Brief lautet: nehmt sie auf. Es genügt, dass sie die Lehre des Christus bringen, immer vorausgesetzt, dass ihr Wandel mit Christus übereinstimmt. Es stellt sich nicht die Frage nach der Stellung im Amt. Die Versammlung hatte sich damals noch nicht das Recht herausgenommen, in die Rechte ihres Hauptes einzugreifen. Das freie Wirken des Heiligen Geistes, auf dem die Apostel in den frühesten Tagen bestanden, wurde noch geehrt. Das Maß und der Charakter der Gabe konnte in jenen Tagen, als es noch keine Abgrenzung von Versammlungen gab, sehr unterschiedlich sein. Ein Prediger mochte zu einfach sein, um die Bedeutung Christi in jedem Teil der Bibel zu sehen, ein anderer mochte bereit und aufgeweckt sein. Wieder andere mögen zu Sentimentalität und Gefühl neigen, obwohl sie nicht wirklich christlich sind, genauso wenig wie zur Sucht nach Dialektik oder Gelehrsamkeit. Glaube und Liebe sind sehr verschiedene Dinge, und diese waren es, die in ihrem selbstverleugnenden und mühevollen Dienst wirkten, den Gajus um des Herrn willen schätzte.
Der erste Brief erhebt sich durch den Heiligen Geist über das Persönliche und verbindet in Glaube und Liebe alle Gläubigen im Blick auf die Person Christi und in der Gemeinschaft mit dem Vater und seinem Sohn, dem Herrn Jesus. Kein Brief nimmt die gesamte Familie Gottes gründlicher und umfassender auf; keine hat weniger mit einer bestimmten Zeit oder einem bestimmten Ort zu tun. Aber der zweite Brief ist an eine auserwählte Frau und ihre Kinder gerichtet, wie der dritte an den geliebten Gajus: so weit in scharfem Kontrast zum ersten Brief, und doch sind sowohl der zweite als auch der dritte nur besondere Anwendungen derselben Wahrheit und Liebe in Christus, die im ersten bekanntgemacht wurde.
Im dritten Brief ist es Weite des Herzens, die Gott geformt hat. „den ich liebe in der Wahrheit“ ist hier wie in allem der bestimmende Ton. Gajus weigert sich, sich schmeicheln oder einschüchtern zu lassen im Blick auf das, was Christus zusteht. Autorität, tatsächlich oder vermeintlich, war am Werk, um Wahrheit und Liebe zu kritisieren. In der Versammlung, in der Gajus war, erhob sich, wie es scheint, jemand mit engem Herzen, der die Führung nicht nach der Schrift, sondern auf seine eigene Weise suchte. Viele sind ihm gefolgt; es mangelt nicht an Nachahmung darin. Die Apostel und Propheten haben ihr Werk getan und sind gegangen und haben ihr unanfechtbares inspiriertes Zeugnis hinterlassen. Aber an eigenwilligen Menschen mangelt es zu keiner Zeit.
Uns wird daher eine unschätzbare Unterweisung gegeben, was wir von solchen Menschen halten und wie wir uns ihnen gegenüber verhalten sollen. Es ist eine der notwendigen Lektionen dieses Briefes, nicht auf sie zu achten, sondern selbst den Weg Christi zu gehen. Der Herr unterlässt es nicht, auf seine Weise an liebloses Wirken und schwatzhafte Worte zu erinnern und die selbstsüchtige Leere, die die apostolische Autorität herabsetzt, sich dem aktiven Zeugnis des Evangeliums widersetzt und diejenigen, die sich gegen solche Wege wehren, unter falschen Vorwänden aus der Versammlung hinauswirft, mit gebührendem Tadel deutlich zu machen. Wir tun gut daran, uns nicht zu sehr mit Fehlverhalten zu beschäftigen und uns nicht von dem wahren Weg der Hingabe an Christus ablenken zu lassen; auch sollten wir uns nicht vor den großen Worten fürchten, die bei Männern üblich sind, die, anstatt Christus zu folgen, sich selbst und ihre Partei zu erhöhen suchen. Die Hingabe an Christus ist der einzig wahre Weg der Befreiung von sich selbst. Es gibt die stolze Art, einen Diotrephes zu verachten, ohne auch nur Mitleid mit ihm zu haben; doch Christus ist nicht mit einem solchen Empfindungen, sondern warnt ihn.
Das große Prinzip, ob für die Versammlung oder den Christen, ist Gehorsam, besonders wenn wenig Kraft vorhanden ist. Die Unterwerfung unter das Wort ist vom Herrn; und gibt es etwas Demütigeres und auch Festeres als das? Es gibt gleichermaßen Mut und Demut, mit völliger Abhängigkeit von dem, an den wir glauben, dessen Ohren aufmerksam sind, und der sein eigenes Wort rechtfertigen wird. Das Prinzip ist unerlässlich, aber es ist nicht alles. Das Prinzip allein hat noch nie einen Gläubigen demütig oder liebevoll gemacht. Es wird oft in einer trockenen, harten und gesetzlichen Weise aufgegriffen. Aber wir können niemals auf einen lebendigen Christus verzichten; und Er ist für alle, die auf Ihn warten, zugänglich und handelt, wie wertvoll die Wahrheit auch sein mag, und Gott berechtigt uns, alle Quellen in der Liebe Christi zu finden, da wir in seiner Hand und der seines Vaters sind.
Der Älteste dem geliebten Gajus, den ich liebe in der Wahrheit (V. 1).
Hier schüttet er sein Herz aus, wie er es gegenüber der Frau nicht tut. Es liegt göttliche Weisheit in der Sprache der Heiligen Schrift. Zu oft haben salbungsvolle Ausdrücke zu Torheit, wenn nicht zu Sünde geführt. Die auserwählte Frau (2Joh) erinnert uns an Gott, zu Gajus konnte die Zuneigung auf die einfachste Weise wirken. So wurde er zu dem richtigen Wort geführt: auserwählt. Wenn Gott die Frau auserwählt hat, dann hat er sie auserwählt, sich nicht zu ergeben, sondern dem Teufel zu widerstehen, der dann fliehen würde. Die Art und Weise, in der diese Frau versucht wurde, war für sie sehr schwierig. Eine Frau schreckt instinktiv davor zurück, etwas zu tun, was nicht fraulich erscheint. Wie schockierend, sich zu weigern, einen Gentleman unter ihrem Dach zu empfangen, der vielleicht ein alter Bekannter ist. Ihm nicht einmal einen gewöhnlichen Gruß zu entbieten! Dies scheint allen, die unseren Herrn nicht lieben, in der Tat anstößig zu sein; und doch ist es genau das, was der Geist Gottes befiehlt. Wie könnte es anders sein, wenn Christus grundlegend angegriffen wird; wir aufgerufen sind, seine guten Soldaten zu sein.
Eine auserwählte Frau ist verpflichtet, Christus zu ehren wie alle, für die Er gestorben und auferstanden ist. Kein Christ kann von dieser Pflicht entbunden werden. Jedenfalls ist es das, was dem Geist Gottes in früheren Tagen gut erschien. Die Frage ist: Was tut und lehrt jemand jetzt? Er konnte das Werkzeug ihrer Bekehrung oder das ihrer Kinder gewesen sein, und es würde ihr – einer Frau – schwerfallen, diesen Mann abzulehnen. Aber die Umstände haben sich geändert, jetzt, wo er ein Feind Christi ist und kein wahrer Prediger Christi. Vielleicht war der Mann insgeheim ein Gegner. Denn wir müssen bedenken, dass diese Betrüger sich selbst betrügen, auch von Satan dazu verleitet, sich für bessere Freunde Christi zu halten als für echte Christen, und ihre Lehre für die richtige Linie der Wahrheit, für etwas höchst Schönes und auch Neues.
Aber im dritten Brief ist es eine ganz andere Pflicht. Hätten wir nur den zweiten Brief, so stünden wir in Gefahr, starr, hart und misstrauisch zu werden. Aber der dritte Brief ermahnt uns, wen wir aufnehmen sollen, und das mit ganzem Herzen. Wenn gefährliche Männer umhergehen und sich anzuschließen suchen, dürfen wir wahre Männer nicht vergessen, die es ernst meinen, die Wahrheit Christi zu verbreiten. Die auserwählte Frau musste sich vor bösen Männern hüten, wie überzeugend sie auch sein mochten; der Bruder ist aufgerufen, in herzlicher Liebe zu den Guten und Wahren auszuharren. Manchmal ist ein solcher Bruder wegen einer ein- oder zweimaligen Enttäuschung aufgewühlt. Er hasst es, hereingelegt zu werden; und ein solcher Fall bringt ihn ins Straucheln, so dass er entschlossen ist, dass es nicht wieder vorkommen soll.