Behandelter Abschnitt Jos 9,1-2
In den Kriegen des Herrn ging es nicht immer um eine feindliche Macht. Das ist in der Tat nicht das größte Übel, dem das Volk Gottes in dieser Welt begegnen muss. Das gleiche Prinzip, das damals für Israel galt, gilt heute für uns Christen. Die List des Bösen ist viel mehr zu fürchten als seine Macht; und Satan als Schlange wirkt viel schlimmer zum Schaden des Namens des Herrn unter seinem Volk als dann, wenn Er als brüllender Löwe kommt. Zweifellos ist es ein bedrückender Gedanke, wie sehr der Widersacher die Welt zum Schaden des Volkes Gottes und zur Entehrung Gottes gebrauchen kann und es auch tut. Doch die Gnade steht immer über dem Bösen, und durch ihre volle Offenbarung in Christus haben wir jetzt einen neuen Maßstab, um über Gut und Böse zu urteilen, insbesondere für den Christen. So kann er sagen, dass alles, was die bloße Feindschaft der Welt, vom Satan angezettelt, anrichtet, nicht schaden kann; denn er ist nicht wie ein Jude zur Erhaltung des Lebens in dieser Welt oder zu irgendwelchen Umständen der Bequemlichkeit und Ruhe berufen, sondern im Gegenteil: Wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; und wer sein Leben um meinetwillen verlieren will, der wird es finden (Mt 16,25).
Die Verwerfung Christi hat für den christlichen Glauben alles hier auf der Erde verändert, und der Besitz Christi für den Himmel hat uns alles klar gemacht, vorausgesetzt, es gäbe hier den Verlust von irgendetwas, selbst des Lebens; denn was ist schon etwas in der Gegenwart des ewigen Lebens? Und Christus ist dieses Leben in der Kraft der Auferstehung. Wenn wir Ihn also als unser Leben haben, haben wir es mit einer feindseligen Welt zu tun, die Satan gegen uns aufbringt; doch indem die Welt gegen die Gläubigen aufgehetzt wird, lernen wir nur die Stärke unseres Segens; denn angenommen, die hasserfüllte Welt fügt uns ihre Schläge oder Schmähungen zu und raubt uns dieses oder jenes, das (wie es scheint) für den Lebensunterhalt notwendig ist, sicherlich für so etwas wie ein Maß an Komfort in dieser Welt, was dann? Wenn die Wirkung all dessen, was Satan tun kann, ist, dazu führt, dass wir Gott danken, was gewinnt er dann? Der Herr sei gelobt. Nehmen wir wiederum an, er würde den Hass der Welt einsetzen, um uns einzusperren oder zu töten, dann werden wir dem Herrn nicht weniger danken, sondern ihn vielmehr dafür loben, dass Er uns für würdig erachtet, diese Dinge um seines Namens willen zu erleiden (Phil 1,29).
Es geht also nur darum, nach dem Willen des Herrn vorzugehen. Gerade im Verhältnis zur bösartigen Schärfe der Schläge Satans gibt der Herr mehr Gnade. So dienen die Leiden in der Welt, die Prüfungen, die Verfolgungen, alle ausnahmslos zum Wohl der Gläubigen, die alles annehmen; und wir haben das Recht dazu, so wie Christus es immer tat. Es spielte keine Rolle, wer die Person oder was die Sache war; es konnten Herodes oder Pilatus als Instrumente sein. Der Herr, jetzt als der gesegnete Zeuge für Gott hier auf der Erde betrachtet, nahm sie immer von Gott an: „Den Kelch, den mir mein Vater gegeben hat, soll ich ihn nicht trinken? (Joh 18,11).
Kein Zweifel, es lag etwas dahinter, was, wenn möglich, tiefer war als die äußere Tatsache der Verwerfung. Für die Sühnung der Sünde muss Gott gemäß seiner unveränderlichen Natur in Gerechtigkeit handeln, und nicht nur als Vater. Aber was auch immer kommen mochte, die Wirkung auf unseren Herrn Jesus war, dass Er Gott rechtfertigte, auch wenn es bei der Sühnung der Sünde keinen spürbaren Genuss und keinen Ausdruck der Gemeinschaft geben konnte. Es ist unmöglich, dass der ewige Sohn, der vollkommene Diener, das göttliche Gericht willkommen heißen oder ihm gegenüber gleichgültig sein konnte, als Er für uns zur Sünde gemacht wurde, was Er notwendigerweise sein musste, wenn wir durch sein Wegtragen der Sünde von Schuld und Verderben befreit werden sollten. Daher finden wir den Herrn Jesus damals, als Er von Gott verlassen wurde, nicht in der Gemeinschaft, nicht in Zweifeln oder Ängsten, wie manche gotteslästerlich gesagt haben, sondern in der Erkenntnis, was es war, als Gott Ihn für uns zur Sünde machte. Alles andere wäre in einem solchen Augenblick moralisch unmöglich und unpassend gewesen; aber selbst dann hatte Er ein unerschütterliches Vertrauen auf Gott, rechnete mit Ihm, empfand die Realität seiner eigenen Stellung, drang in alle Tiefen seiner Seele ein – und diese Tiefen waren unergründlich –, in all das, was Gottes moralische Natur verlangen musste, wenn es um die Frage der Sünde ging, wenn auch mit Christus selbst, seinem Einziggeborenen, der für uns zur Sühnung litt.
Wir sprechen hier vom Kreuz Christi im Hinblick auf die Sühnung. Dies ist zweifellos die einzige Ausnahme. Es gehört zu Christus in der Sühnung, und zu keinem anderen als zu Christus da und dort; und aus Ihm kam nicht nur sein Lob für immer, sondern unseres mit dem seinen, in unserer Mitte. Abgesehen von dem, was so notwendigerweise allein dasteht, wo Danksagung völlig unangebracht und unpassend, um nicht zu sagen ein Hohn gewesen wäre – abgesehen von dieser einen gewaltigen Tatsache, die sich dem Vergleich mit allen anderen verweigert, wegen ihrer Natur, und wo Versagen nicht sein konnte, weil Er damals wie immer absolut vollkommen war, hören wir Ihn jemals seinen Vater preisen? Jesus verherrlichte in allen Dingen seinen Vater; und im letzten Leiden leuchtete seine Vollkommenheit am meisten von allem; nicht weil Er damals einen Deut vollkommener war als zu irgendeiner anderen Zeit, sondern weil es nie zuvor seine Sache war, so zu leiden, und es nie wieder sein konnte.
Betrachte den Herrn zu irgendeinem anderen Zeitpunkt als dem seiner Leiden für die Sünden, und egal, was über Ihn kam, die Wirkung war Dankbarkeit. Betrachte Ihn allmählich, ja, ganz und gar verworfen; betrachte Ihn am meisten verachtet, wo Er am meisten bekannt war, wo Er solche Werke getan hatte, wo Er solche Worte gesprochen hatte wie nie zuvor. Gründlich empfand Er alles, und Er konnte über diese Orte ein Wehe aussprechen. Es konnte nicht anders sein; denn sie hatten das gnädige und reiche Zeugnis des Messias abgelehnt (Mt 11). Aber Er wendet sich gleichzeitig an Gott mit den Worten: „Ich danke dir, Vater“. So sehen wir in Ihm immer den Sieg. Auch wir sind berechtigt, danach zu suchen. Nur sollten wir bedenken, dass es schwerer ist, vor der List des Teufels zu stehen, wie wir jetzt aufgerufen sind, als vor seiner für uns schon gebrochenen Macht.
So stellt es sich hier dar. Wir haben gesehen, dass der Herr, als sich die volle Macht des Feindes nach der Überquerung des Jordans zeigte, seinem Volk den herrlichsten Sieg schenkte, den dieses Buch beschreibt. Ach, dass es so sein sollte, dass die erste Gelegenheit heller sein sollte als die letzte! Sollte es so sein? Bei Jesus war es ganz anders. Sein Weg war ein leuchtender Weg. Doch das Hellste von allem war das Licht, das erstrahlte, als es im Tod zu erlöschen schien, nur um wieder aufzuerstehen, um jetzt durch den Glauben genossen zu werden, um dann im Reich Gottes und in der Ewigkeit entfaltet zu werden.
In diesem Fall finden wir Israel mehr als geprüft. Es war von der Macht Satans schwer zurückgeschlagen worden, und das, weil das Volk es wagte, ohne die Führung und den Schutz des Herrn zu handeln. Nachdem sie bereits bewiesen hatten, dass der Herr bei ihnen war, taten sie das, wozu wir geneigt sind. Sie nahmen an, dass der Herr ihnen folgen müsse, anstatt dass sie auf Ihn warteten und Ihm folgten. Es war eine menschliche Schlussfolgerung, und die ist in göttlichen Dingen nie sicher. Sie hielten es für selbstverständlich, dass der Herr sie in das Land gebracht hatte, und dass ihnen nichts anderes übrigblieb, als weiterzuziehen. Was war das? Eine Vergesslichkeit des Feindes und ihrer selbst? Mehr als das – eine Vergesslichkeit gegenüber Gott. Würde es zu Männern des Glaubens passen, in der Wüste auf den Herrn zu verzichten, ganz zu schweigen davon, gegen den Feind in Kanaan zu kämpfen? Sicherlich nicht, wenn wir das Gefühl hätten, es mit jemandem zu tun zu haben, der uns liebt; mit jemandem, ohne den wir nichts sind; mit jemandem, der, nachdem er verherrlicht wurde, uns berufen und gerettet hat, um in uns verherrlicht zu werden. Wir brauchen Ihn unbedingt; aber darüber hinaus ist es der ernste Wunsch unseres Herzens, auch wenn wir manchmal dazu neigen, es zu vergessen.
So war es mit Israel und sogar mit Josua bei dieser Gelegenheit. Nachdem sie bei Jericho gesiegt hatten, kann man den traurigen Fehler in der Sache von Ai gut verstehen. Aber war der Gewinn nun verloren, als durch das Eingreifen der gnädigen Macht des Herrn das Unheil wiedergutgemacht wurde? Der Herr hatte Israel in die Schranken gewiesen, sie erzogen, das Vertrauen in ihre eigene Kraft gebrochen. Er hatte sie spüren lassen, dass es für Israel nichts anderes gab, als sich Ihm zu unterwerfen. Sie dürfen nicht wie die Heiden denken, dass es darum geht, Stärke gegen Stärke aufzubringen. Solche Gedanken lassen Gott außen vor und sind ganz und gar unpassend für die, die dazu berufen sind, im Bewusstsein seiner Gegenwart zu wandeln.
Dies war eine äußerst heilsame Lektion. Aber es gab noch mehr zu lernen; und nun mussten sie auf eine neue Art erprobt werden.
Und es geschah, als alle Könige es hörten, die diesseits des Jordan waren, auf dem Gebirge und in der Niederung und an der ganzen Küste des großen Meeres gegen den Libanon hin, die Hethiter und die Amoriter, die Kanaaniter, die Perisiter, die Hewiter und die Jebusiter – da versammelten sie sich allesamt, um einmütig gegen Josua und gegen Israel zu kämpfen (9,1.2).
Höchstwahrscheinlich wurden diese Stämme durch die Prüfung vor Ai ermutigt. Der Fall Jerichos hatte sie erschreckt; aber sie lernten durch das, was bei Ai geschah, dass Israel nicht unbedingt unbesiegbar war. Soweit hatten sie recht. Sie hatten gelernt, dass Israel geschlagen werden konnte, und zwar auf schmachvolle Weise. Sie hatten gelernt, dass dort eine viel kleinere Streitmacht genügte, um das wunderbare Heer Israels aufzuhalten, das sie zuvor mit Bestürzung erfüllt und ihre Herzen allein beim Gedanken an ihre Annäherung zum Zerschmelzen gebracht hatte. Sie scheinen sich jedoch beraten zu haben und waren der Meinung, dass sie mit vereinten Kräften das Volk, das eine Weile in Ai geblieben war, besiegen könnten. Sogar diese kleine Stadt mit ihren schwachen Ressourcen hatte es allein geschafft, den Vormarsch Israels zu verzögern, und wurde erst danach, als sie zu zuversichtlich und unvorsichtig waren, durch eine List eingenommen.
Offensichtlich hatten die Kanaaniter keine Ahnung von der Lektion, die Gott seinem Volk erteilte. Das braucht uns nicht zu wundern, denn das Volk Gottes selbst hatte sie nicht gründlich gelernt. Sie hatten davon profitiert, aber es hatte sie nicht so sehr von der Notwendigkeit der Führung Gottes überzeugt, der einen Sache, die den Sieg herbeiführte, aber dass jetzt, angesichts all dieser gegen sie aufgestellten Nationen – Perisiter, Hewiter, Jebusiter, Kanaaniter und so weiter –, als die Bewohner von Gibeon hervortraten und ein Bündnis mit ihnen anboten, schien dies vielen eine wünschenswerte und willkommene Hilfe zu sein. Israel hatte dann einige Freunde, die ihnen gegen den Feind beistehen würden. Es ist wahr, dass ein gewisses Unbehagen zu spüren war.