Behandelter Abschnitt 1Pet 1,14-16
Eine „so große Errettung“ (Heb 2,3) verlangt ernste Entschlossenheit und Nüchternheit, erhellt durch eine vollkommene Hoffnung, die nicht zuschanden werden kann. Doch dann betont der Apostel eine Eigenschaft des neuen Lebens, das wir in Christus haben, die für den Gläubigen ebenso unverzichtbar ist, wie sie Gott gebührt. als Kinder des Gehorsams bildet euch nicht nach den vorigen Begierden in eurer Unwissenheit, sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel! Denn es steht geschrieben: „Seid heilig, denn ich bin heilig (1,14–16).
Der Christ wird als ein Kind des Gehorsams charakterisiert. Das ist weitaus kräftiger als die „gehorsamen Kinder“ der A. V., die zu Recht von den Menschen in ihrem unerneuerten Zustand als Kindern (oder eher Söhnen) des Ungehorsams spricht (Eph 2,2; Kol 3,6). Es ist die gewohnheitsmäßige Neigung der gefallenen Natur, Gott ungehorsam zu sein. Wenn wir aber durch den Geist geheiligt sind, sind wir zum kindlichen Gehorsam bereit, wie wir ihn in unserem Herrn Jesus in Vollendung sehen. Da Er sowohl unser Vorbild als auch unser Leben ist, sind wir für seinen Gehorsam lebendig abgesondert, nicht weniger als für die Besprengung mit seinem Blut. Durch den Glauben an Christus belebt, sind wir weder uns selbst überlassen wie die Heiden, noch unter das Gesetz gestellt wie die Juden, sondern sind Christus und seinem Wort als dem vollkommenen Gesetz der Freiheit unterworfen, wie es auch seine Speise war, den Willen des Vaters zu tun, der Ihn gesandt hat (Joh 4).
Hier war es umso wichtiger, dies zum Ausdruck zu bringen, als der Apostel sich an die Gläubigen aus der Beschneidung wandte. Zurückwenden ist immer eine Gefahr. Sie hätten in den Irrtum verfallen können, dass alle Weisung weg ist, weil das Gesetz weg ist; eine bloße Verneinung für diejenigen, die von der Knechtschaft des Gesetzes befreit sind. Aber Christus befreite vom Gesetz nur, um zu einem ständigen Gehorsam zu führen, der viel tiefer und umfassender ist. So lehrte der Apostel in Römer 8 die Gläubigen in Rom, ob Juden oder Heiden, dass, wenn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus (das unser Gesetz ist) von dem Gesetz der Sünde und des Todes (gegen das Israel und die Menschen vergeblich ankämpften) befreit, durch die Erlösung die gerechte Forderung des Gesetzes (τὸ δικαιωμα) in uns erfüllt wird, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist wandeln. Und dieser Wandel ist ausschließlich einer des Gehorsams. Wir sind nicht unser Eigentum, sondern mit einem Preis erkauft, und mit was für einem Preis! „Verherrlicht nun Gott in eurem Leib“ (1Kor 6,20). Wir sind die Freigelassenen des Herrn, so, als wären wir Sklaven gewesen; wir sind Christi Knechte, so, als wären wir die Freiesten der Freien gewesen. Der Christ verleugnet seinen Meister und sein Ansehen, wenn er behauptet, von seiner Autorität und seinem Wort unabhängig zu sein. Je mehr er seine Vorrechte kennt, desto größer ist seine Pflicht zum Gehorsam. Einst war er, ob Jude oder Heide, ein Sohn des Ungehorsams; jetzt ist er ein Kind des Gehorsams; und darin soll er konsequent sein: „Wenn nun der Sohn euch frei macht, werdet ihr wirklich frei sein“ (Joh 8,36). Der Apostel Johannes bestätigt und vervollständigt Paulus und Petrus nur.
Das ist also das große leitende Prinzip; und so muss es sein, wenn die Kinder Gottes nicht eine unnatürliche Unabhängigkeit, ja Eigenmächtigkeit gegenüber Gott selbst haben und damit das höchste aller Rechte untergraben sollen. Aber es ist auch von Bedeutung, sich vor alten Gewohnheiten zu hüten, die vielleicht nicht genügend bedacht werden, wenn die christliche Beziehung neu ist; denn Gewohnheiten sind geeignet, ihren bösen Einfluss wieder geltend zu machen, wenn die Wahrheit nicht mehr die frische Macht über den Gläubigen hat, die der nicht betrübte Geist aufrechterhält. Deshalb wird hier hinzugefügt: „bildet euch nicht nach den vorigen Begierden in eurer Unwissenheit“ (V. 14). Als das wahre Licht unsichtbar war, war die Unwissenheit des Herzens über Gott extrem. Hier wird kein Vergleich der Juden mit den Heiden angestellt, sondern ihr wirklicher Zustand vor Ihm aufgezeigt, als die göttliche Liebe so unbekannt war wie das Licht. Wie stark wuchsen die Begierden in dieser Unwissenheit! Sie sollten sich nun umso mehr davor hüten, sich dem anzugleichen, was Christus entehrte, da sie selbst von seinem Gott und Vater zu einer lebendigen Hoffnung gezeugt waren. Wenn Gottes Macht allein bewahrt, dann durch den Glauben, der ein einfaches und seinem Wort unterworfenes Herz voraussetzt. Diejenigen, die noch durch die Wüste gehen, müssen wachsam und selbstkritisch auf der Hut sein.
Es folgt eine weitere Überlegung, die den Blick noch mehr erhebt: „sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel!“ (V. 15). Heilig ist der, der sie aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat (1Pet 2,9). Heilig ist der, der sie durch seine Gnade berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus (1Pet 5,10). Er ist derselbe bei jedem Schritt auf dem gefährlichen Weg, auf dem sie sich befanden. Sie standen sogar jetzt in der engsten Beziehung zu ihm als Gegenstände seiner Liebe, und zwar nach einer Art, die von seinem Volk in der Vergangenheit nur vorgeschattet wurde. Damals war es eine nationale, fleischliche und zeitliche Beziehung, obwohl der individuelle Glaube zu dem Kommenden und zu besseren und dauerhaften Dingen durchdrang. Jetzt war er eindeutig persönlich und von ewiger Natur. Für das Volk, das Land und die Welt war Jesus der verworfene Christus; höhere und größere Herrlichkeiten kamen ins Blickfeld, die Gnade wurde voller und inniger. „Er ruft seine eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus. Wenn er seine eigenen Schafe alle herausgeführt hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen“ (Joh 10,3.4). Die Höchsten in der irdischen Stellung mögen Anspruch erheben oder jemand wegrufen; aber solche sind Fremde für diejenigen, die die Stimme des verworfenen Christus gehört haben. „Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen“ (Joh 10,5). Kann man sich darüber wundern? Er ist die Tür, die zu jedem Segen führt. „Wenn jemand durch mich eingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden“ (Joh 10,9). Wer außer Ihm könnte wirklich sagen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben?“ (Joh 10,10). Es ist jetzt in der Kraft seiner Auferstehung (1Pet 1,3). Wenn der, der sie berufen hat, heilig ist, wie wichtig ist es dann, dass sie denselben Charakter der Absonderung vom Bösen für sich selbst pflegen, und zwar ohne Einschränkung oder Begrenzung! „Seid auch ihr heilig in allem Wandel!“
War dies eine unerhörte Forderung von Seiten Gottes? Weit gefehlt. Wenn Er als der Herr ein Volk nach dem Fleisch regierte, konnte es auch nicht anders sein: „Denn es steht geschrieben: „Seid heilig, denn ich bin heilig“ (V. 16). Der Apostel zitiert 3. Mose 11,44 (siehe auch 3Mo 19,2; 20,7.26). Zweifellos bestand das levitische System, wie wir in Hebräer 9,10 lesen, nur aus Speisen und Getränken und verschiedenen Waschungen, Verordnungen des Fleisches, die bis zu einer Zeit der Zurechtbringung auferlegt wurden. Christus brachte in seiner Person Gnade und Wahrheit, und die Erlösung befähigt uns, entsprechend im Geist zu wandeln. Es sind nun die Kinder, nicht der Väter, sondern Gottes des Vaters, deren Stellung nicht im Fleisch, sondern in Christus ist. Die Heiligkeit entspricht dem Ort und der Beziehung.
Wenn das Prinzip an sich also unveränderlich ist, ist der Charakter der Heiligkeit dem verliehenen Segen ähnlich und steht im Verhältnis dazu. Wie es keine Grenze für die Gnade und Wahrheit gibt, die durch die Aufnahme Christi empfangen wird, so muss auch die Heiligkeit dem Heiligen entsprechen, der sich im Sohn Gottes offenbart. Gott ist Licht, und in Ihm ist gar keine Finsternis. Und Christus ist das Licht, nicht nur für die Juden, sondern für die ganze Welt. Wer Ihm nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben. Der natürliche Mensch, auch wenn er noch so intelligent ist, kann sich niemals dazu erheben; wenn er sich zum Christentum bekennt, was er vielleicht und oft tut, ist es unwirklich. „Wenn wir sagen, wir haben Gemeinschaft mit ihm, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit“. Der Gläubige allein hat die Wirklichkeit in Christus, daher kommt der Gegensatz: „Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist [und da wandelt jeder wahre Christ], so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde“ (1Joh 1,7).
Wir alle wissen, wie oft argumentiert wird, dass dies eine Bedingung ist. Wer zweifelt schon an diesem „Wenn wir wandeln“ und so weiter? Aber was die meisten, die so reden, übersehen, ist, dass es die Bedingung ist, ein Christ zu sein, nicht nur dem Namen nach, sondern in Tat und Wahrheit. Der Apostel Johannes meint damit keineswegs einige echte Gläubige im Vergleich zu anderen. Es ist der Zustand derer, die zu Gott gebracht sind. Es ist das unbestreitbare Vorrecht aller Gläubigen, die Christus nachfolgen, es sei denn, es wird behauptet, dass irgendwelche Gläubigen Ihm nicht nachfolgen. Es geht nicht darum, nach dem Licht zu wandeln, das verschiedene Grade zulässt, sondern darum, in dem Licht zu wandeln (1Joh 1,7), was für alle, die einst Finsternis waren und nun Licht im Herrn sind, gleichermaßen zutrifft. Deshalb werden sie ermahnt, als Kinder des Lichts zu wandeln. Aber Johannes drückt die notwendige Bedingung aus, die vorausgesetzt wird: Wenn wir in dem Licht wandeln, wie Gott im Licht ist (was für jeden echten Nachfolger des Herrn Jesus gilt), dann haben wir auch diese anderen Vorrechte. Denn das alles gehört nun zusammen, als Gabe der göttlichen Gnade: Wir haben Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi reinigt uns von jeder Sünde. Sie sind der ständige Genuss aller, die im Licht wandeln, wie auch aller, die Christus angehören.
So richtet sich auch in diesem Brief des Petrus die Ermahnung, heilig zu sein, an alle. Wenn alle vom Geist grundsätzlich gleich geheiligt sind, wie wir in Vers 2 gesehen haben, werden alle in Vers 15 aufgefordert, heilig zu sein, weil der Gott, der sie berufen hat, heilig ist. Hier geht es um die Heiligkeit in der Praxis, ohne die (wie Heb 12,14 ernst bestätigt) niemand den Herrn sehen wird. „Denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben“ (Röm 8,13). „Oder wisst ihr nicht, dass Ungerechte das Reich Gottes nicht erben werden?“ (1Kor 6,9). „Denn wer für sein eigenes Fleisch sät, wird von dem Fleisch Verderben ernten“ (Gal 6,8). Mehr von diesen ernsten Warnungen brauchen wir sicher nicht zu zitieren.
Es ist gut, sich vor dem Missbrauch dieses und anderer Texte zu hüten, als ob Gottes Wort der falschen Lehre der Vollkommenheit im Fleisch, die sonst als sündlose Heiligung bezeichnet wird, eine scheinbare Stütze gäbe, ob sie nun von A’Kempis und anderen Katholiken, von Jer. Taylor und W. Law, von J. Wesley und seinen Anhängern oder von der amerikanischen Schule der so genannten höheren Heiligkeit mit ihren Abwandlungen in Großbritannien gelehrt wurde, seit sie in Verruf geraten ist. Nichts kann deutlicher sein, als dass die Heilige Schrift das Volk Gottes, oder wie wir heute sagen, seine Kinder, auffordert, heilig zu sein, weil Er es ist. Es ist ein Aufruf an alle. Die falsche Schlussfolgerung ist die eines Zustandes, der durch den besonderen Glauben einiger erreicht wird. Und das hat J. W., wenn ich mich recht erinnere, dazu verleitet, falsch zu zitieren: „heilig, wie Gott heilig ist“. Was geschrieben steht, ist der Grund, den Gott vorgibt: Er verlangt von denen, die Ihm angehören, praktische Übereinstimmung mit sich selbst. Nichts kann sicherer, angemessener und notwendiger sein. Aber heilig zu sein, wie Er heilig ist, ist auf jeden Fall ein Irrtum und kann zu den anmaßendsten Gedanken, wenn nicht gar zu lästerlichem Irrtum führen.
Möglicherweise ging dem guten Mann die Aufforderung unseres Herrn in Matthäus 5,48 durch den Kopf: „Ihr sollt nun vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist.“ Aber dieser Text hat keinen wirklichen Zusammenhang mit dem Ziel, für das er formuliert ist. Denn unser Herr besteht einfach auf der Gnade gegenüber bösen Menschen, die seine Jünger nach dem Vorbild ihres himmlischen Vaters pflegen sollen, dessen Sonne über Bösen und Guten aufgehen soll und der Regen über Gerechte und Ungerechte schickt. Was hat das mit der Frage nach dem alten Menschen im Gläubigen zu tun? Es gibt eine Kraft im Geist, die uns gegen jedes Übel gegeben ist; aber diese Behauptung ist sehr verschieden von der Annahme, dass die Sünde ausgelöscht und von jedem Gläubigen auf der Erde verschwunden ist. Man sollte ihr niemals erlauben, zu wirken.