Nachdem der Brief den, der als weise und verständig gilt, ermahnt hat, sein gutes Verhalten oder sein praktisches Leben in der Wirklichkeit der guten Werke, nicht nur in Worten, zu zeigen, nicht in abergläubischer Kritik oder Selbstüberheblichkeit, wendet er sich nun der Warnung vor der dunklen Seite zu.
Wenn ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem Herzen habt, so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit (3,14).
So ist der Mensch: Das Ich ist sein Götze, der Eigenwille sein Weg. Das Bekenntnis zu Christus tilgt es keineswegs aus, sondern macht es nur noch trauriger und widersprüchlicher, bei den Juden noch mehr als bei den Griechen. Wie wir in 1. Korinther 1,3 sehen, so lesen wir es hier. „Bitteren Neid“ im Jünger des gekreuzigten Herrn der Herrlichkeit! Ja, es war kein angenommener Fall, sondern eine Tatsache. „Wenn ihr aber“; und dies nicht in der hastigen Rede, sondern „in eurem Herzen“. So früh und überall entglitten die christlichen Bekenner der Grundlage ihres Seins und machten dem Versagen Israels Konkurrenz. So schnell vergaßen sie, dass das Christentum, obwohl es ausdrücklich „Glaube“ in Galater 3,25 heißt, im Gegensatz zum Gesetz (dem früheren Lehrmeister), von einem Leben aus Gott oder einer göttlichen Natur abhängt, an der man teilhat, wie wir in diesem Brief bemerkt haben und in jedem anderen bemerken können. Welcher Raum ist nun in diesem neuen Leben für „bitteren Streit“? Christus verurteilt es, Wurzel und Frucht. In Ihm war nichts davon, sondern Sanftmut der Weisheit und Eifer für Gott. Zuerst und zuletzt verzehrte Ihn der Eifer um das Haus seines Vaters. Wann oder wo sonst hören wir von Ihm, wie Er die Zucht in die Hand nimmt, die Gottlosen ausstößt und Verachtung über ihr gottloses Gewerbe ausgießt? Wann und wo nimmt Er, obwohl Er der Heilige und Hohe ist, seine eigene Ehre in Anspruch, wann und wo erregt Er sich über die Geringschätzung und Verachtung schuldiger Menschen?
Wenn Christus, wie Er in der Tat ist, das Leben des Christen ist, was bedeutet es dann für ihn, „bittere Streitsucht“ in seinem Herzen zu haben? Ist es nicht die Nachsicht mit einem bösen Werk des alten Menschen und die Entehrung des Meisters durch den Knecht? Das war schlimm, aber „Parteisucht“ ist schlimmer; denn es ist nicht nur der Einzelne, der die Eitelkeit einer bösen Natur befriedigt, sondern ihre Ausbreitung auf andere, die zu bereit sind, sich selbst zu erhöhen und solche herabzusetzen, die geliebt und geehrt werden sollten. Denn ist es nicht dies, wozu wir hier auf der Erde aufgerufen sind? „Nichts aus Streitsucht“, sagte der große Apostel, „oder eitlem Ruhm tuend, sondern in der Demut einer den andern höher achtend als sich selbst“ (Phil 2,3). Wir haben das Recht, sie als von Gott geliebte Heilige zu betrachten; obwohl wir durch die gleiche Gnade nicht umhinkönnen, unsere eigene Unwürdigkeit zu empfinden. Was wissen wir von ihnen, wie wir uns selbst kennen? In jeder Hinsicht sei bitterer Neid und Streitsucht fern von unserem Herzen. So bittet die Sanftmut der Weisheit, dass wir aus unserem guten Verhalten die Werke zeigen, die jetzt zu jenem ausgezeichneten Namen passen, durch den wir berufen sind.
Wenn wir aber in unserem Herzen diese unreinen Dinge haben, bitteren Neid und Streitsucht, „so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit“ (V. 14b). Die Liebe, das wissen wir, ist nicht eifersüchtig, noch freut sie sich an der Ungerechtigkeit, sondern freut sich an der Wahrheit. Aber das Rühmen, das mit Neid und Streitsucht einhergeht, ist gegen die Wahrheit; denn die Wahrheit entlarvt und verdammt es ganz und gar als fleischlichen Geist, der Feindschaft gegen Gott ist. Er war die Wahrheit, der sanftmütig und von Herzen demütig war, und fordert uns auf, sein Joch auf uns zu nehmen und von Ihm zu lernen, und wir werden Ruhe für unsere Seelen finden. Denn sein Joch ist sanft und seine Last ist leicht.
Wenn wir diese Übel, die so sehr im Widerspruch zu Christus stehen, hegen, während wir uns zu seinem Namen bekennen, was ist das anderes als Lügen gegen die Wahrheit? So scharf prangert der Brief an, was der Feind immer unter dem Deckmantel des Eifers für die Wahrheit einzuführen sucht.