Behandelter Abschnitt Jak 3,11-12
Nun haben wir im Folgenden neue Beispiele, um den Lesern die Ungereimtheit und die Ungeheuerlichkeit verletzender Reden einzuprägen, die umso schlimmer sind, als sie mit Äußerungen der Frömmigkeit und des Anstands verwechselt werden, und die zweifellos zu verurteilen sind, weil sie den Mangel an Gottesfurcht und Achtung vor den Menschen zeigen. Das Gespür des inspirierten Schreibers für das Böse entflammt zu glühend empörten Fragen, auf die er selbst in einigen prägnanten Worten die Antwort liefert.
Die Quelle sprudelt doch nicht aus derselben Öffnung das Süße und das Bittere? Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen? Auch kann Salziges nicht süßes Wasser hervorbringen (3,11.12).
Hier wie anderswo verleiht die Einfachheit der Beispiele dem Tadel noch mehr Nachdruck. Um das erste Beispiel zu nehmen: Wer hat jemals von einer Quelle gehört, die aus derselben Öffnung süßes und bitteres Wasser sprudelt? Die Natur selbst tadelt eine solch schamlose Vermischung und so widersprüchliche Aussagen bei denen, die den Herrn und den Vater preisen; der große Apostel der Heiden nahm Waffen aus demselben Zeughaus in 1. Korinther 11,14.16 für göttliche Ordnung, und in 2. Thessalonicher 3,10 auch; wie er es wiederholt an seinen vertraulichen Mitarbeiter Timotheus in seinem ersten Brief tat (1Tim 2,12-15; 4,3-5; 6,6-8). Aber nirgends haben wir aufschlussreichere Beispiele dieser Art als in dem Brief vor uns; wo das Unmögliche in der Natur dazu gebracht wird, das ethisch Ungereimte zu entlarven und zu geißeln, besonders verschärft durch das Bekenntnis der Beziehung zu Gott und durch die Erwartung der Freude an seiner Gunst. Soll die neue Natur durch das entehrt werden, was die alte universale Natur ablehnt, obwohl sie gefallen ist?
Im zweiten Fall ist die Forderung noch zwingender. Sie lautet nicht „Bringt“, sondern „Kann etwa, meine Brüder, ein Feigenbaum Oliven hervorbringen oder ein Weinstock Feigen?“ (V. 12). Und wir haben die Wiederholung von „meine Brüder“ in diesem zweiten Fall, wenn auch so bald nach seiner würdevollen, liebevollen Einführung kurz zuvor in Vers 10, um den Appell an ihr Inneres zu richten. Einer der gelehrten Männer, die sich anschicken, die Worte auszulegen, und dabei ihre Bedeutung zunichtemachen, wagt es, das Bild mit dem unseres Herrn in Matthäus 7,16-20 zu vergleichen, um seinen Diener hier zu verunglimpfen. Aber es ist nur ein weiteres Beispiel für die böswillige Unwissenheit, die so ständig dort auftritt, wo die Gelehrsamkeit nicht dem Glauben untergeordnet ist, das heißt, wo der Mensch sich anmaßt, Gott zu richten, statt aus seinem Wort Nutzen zu ziehen. Denn der Herr legte dort den Irrtum dar, von einem schlechten Baum gute Früchte zu erwarten; während sein Diener, um die krasse Ungereimtheit zu tadeln, den Herrn der Herrlichkeit anzurufen und bösen Reden nachzugeben, sie mit der natürlichen Unmöglichkeit konfrontiert, dass ein Baum irgendetwas anderes als seine eigenen richtigen Früchte hervorbringt. Beides ist schlichtweg wahr, und jedes ist vorzüglich für seinen Zweck geeignet. Der Unglaube irrt blindlings, verrät aber seine sündige Anmaßung nur denen, die Gott kennen und sich vor seinem Wort beugen.4
4 Es ist möglich, dass das erste Wort des letzten Satzes (οὔτε, weder noch) durch ein vorschnelles Missverständnis zu dem hinzugefügten οὕτως („so“) des Textes Rec. geführt hat. Dann kam der Versuch, den Satz durch die Lesart οὐδεμία πηγή (kein Brunnen) zu pointieren. Die sinaitische Unziale hat οὕτως οὐδέ. Aber sogar Tischendorf und Westcott und Hort lehnen es ab, dem zu folgen; denn sie lesen mit Alford, Lachmann, Tregelles und Wordsworth den Text, der die oben angegebene Übersetzung ergibt. Es scheint eine gewisse Seltsamkeit darin zu liegen, οὔτε statt οὐδέ zu lesen. Dies scheint aber dadurch erklärbar zu sein, dass der Schreiber den vorangehenden Satz im Kopf weiterführt. Die Einfügung der Konjunktion (καὶ, „und“) im letzten Satz steht im Gegensatz zu den wichtigsten der antiken Zeugen, sowohl MSS. als auch Versionen und verliert den Sinn des wahren Textes, der das Bild durch eine Negation variiert, die unbestreitbar ist.↩︎