Behandelter Abschnitt Heb 11,1-3
Der Schluss von Hebräer 10 führt ganz natürlich zu der reichen Entfaltung der Kraft des Glaubens, die in einer wirklich bemerkenswerten Reihenfolge beschrieben wird. Sie kam hier umso mehr zur rechten Zeit, als es durch ihr Versagen zu einem Abfall gekommen war; und ihr Wert für das Wohlgefallen Gottes wie auch für das Heil des Menschen ist offensichtlich und unbestreitbar, wie soeben dargelegt wurde. Der Jude war besonders gefährdet, seine Tugend zu übersehen, da er von einem Ritual umgeben war, das täglich an seine Augen appellierte; und der christliche Jude musste sich vor seiner alten Gewohnheit hüten und musste lernen, dass das große Unterscheidungsprinzip des Segens heute wie damals im Glauben liegt. Hat er die Vergangenheit geschätzt? Der Glaube zeichnete alle aus, die Gott von Anfang bis Ende ehrte; nicht das Gesetz, sondern der Glaube. „Dein Glaube hat dich geheilt [o. gerettet]“ (Mt 9,22; Mk 10,52), sagt der Herr, während das Gesetz nur ein Dienst des Todes und der Verdammnis ist.
Zweifellos liegt die Quelle allen Segens für den sündigen Menschen in der Gnade Gottes, die Er durch seinen Sohn und den Heiligen Geist wirkt; so zeigt dieser Brief, dass der Grund von allem in der herrlichen Person Jesu, unseres Herrn, und in seinem wirksamen Erlösungswerk liegt. Dennoch ist es der Glaube, durch den wir den Segen empfangen; und der Glaube ist niemals ohne Buße zu Gott als seine Begleitung, niemals ohne Liebe als seine Frucht, mit Werken und Wegen, die geeignet und untrennbar mit der Fürsorge des Weingärtners verbunden sind. Aus Gottes Willen, aber durch den Glauben sind wir durch das Wort gezeugt worden; durch den Glauben sind wir gerechtfertigt worden; durch den Glauben hatten und haben wir Zugang zu dieser Gnade, der wahren Gnade Gottes, in der wir stehen; durch den Glauben sind wir alle Söhne Gottes, wie wir durch den Glauben die Verheißung des Geistes empfangen haben; aus Gnade sind wir durch den Glauben gerettet worden, wie der Gläubige allein das ewige Leben in dem Sohn Gottes hat und sich der Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes rühmt. Das ist bei weitem nicht alles, was die Schrift dem Glauben zuschreibt, aber wie unermesslich ist die Glückseligkeit, die auch hier angedeutet wird!
Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht. Denn in diesem haben die Alten Zeugnis erlangt. Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist (11,1–3).
Damit ist festgelegt, was jeder einsichtige Gläubige aus Erfahrung weiß, nämlich dass der Glaube das, was er erhofft, verwirklicht, dass er der Seele die Dinge zeigt, die sie nicht sieht. Das ist kein neuer Grundsatz, aber er leuchtet wie alles moralisch Edle im Christentum. Alle, derer die Welt nicht würdig war, alle, die Gott ehrten und über das Gegenwärtige und Sichtbare hinausblickten, waren von ihm geprägt. Das Alte Testament wie das Neue Testament ist voll von seinem Segen, und das Fehlen desselben öffnet die Tür zu allem Verderben. So wie es uns gegenwärtiges Vertrauen in die Zukunft gibt, auf die wir hoffen, so zeigt es uns auch, was wir nicht sehen: Wir schauen nach dem Wort und im Geist Gottes auf das, was wir nicht sehen und was ewig ist. Es gibt nicht nur Gewissheit, sondern auch gegenwärtige Freude.
Einige haben sich selbst eine Schwierigkeit bereitet, indem sie fälschlicherweise annahmen, dass wir hier eine Definition des Glaubens haben. Dies ist eindeutig nicht das Thema, sondern eher eine Beschreibung seiner Kraft, Reichweite und Wirkung. Der Glaube im Sinn der Schrift an sich ist einfach der Glaube an Gott, die Annahme seines Wortes, weil Er es sagt, nicht aufgrund sichtbarer Beweise oder aufgrund von Überlegungen, sondern aufgrund der Autorität Gottes. Unter dem Evangelium bedeutet der Glaube nun wegen seiner allumfassenden Bedeutung, das Zeugnis Gottes zu empfangen, das er über seinen Sohn bezeugt hat (1Joh 5,9), und dem zu glauben (nicht genau „an“, sondern), der den Sohn gesandt hat (Joh 5,24); oder, wie es in Johannes 3,32 ausgedrückt wird, wer sein Zeugnis empfängt, besiegelt, dass Gott wahrhaftig ist, während der, der Gott nicht glaubt, die schreckliche Schuld auf sich lädt, Ihn zum Lügner zu machen (1Joh 5,10).
Bevor die strahlende Reihe der Gläubigen vorgestellt wird, wird die große Wahrheit der Schöpfung als eine Frage des Glaubens dargelegt. Und so ist es wirklich. Bei den Heiden war alles so verworren wie das Chaos, das sie im Allgemeinen mit der Gottheit verbanden. Doch die Tatsache war einst bekannt, wurde aber verdorben und ging verloren, trotz des Zeugnisses der unsichtbaren Macht Gottes und der göttliche Ursprung in den Dingen, die geschaffen wurden. Es scheint eine notwendige Schlussfolgerung zu sein, dass es einen allmächtigen Schöpfer geben muss; doch wer hat sie klar gezogen? Nichts anderes als die Heilige Schrift offenbart es einfach, angemessen und feierlich; und der Glaube empfing es von alters her wie heute. Und es ist umso notwendiger, sie zu beherzigen, als der Lauf dieses bösen Zeitalters stark auf die Finsternis heidnischen Denkens zusteuert und die Menschen ihre Bibel in der Wissenschaft finden, die keine einzige Wahrheit Gottes kennt und zu selbstzufrieden ist, um zu Jesu Füßen zu sitzen und sein Wort zu hören. Doch sogar der stolzeste und feindseligste dieser modernen Philosophen ist gezwungen zuzugeben, dass sie nur Phänomene erforschen können und absolut unwissend sind über die ursprüngliche Kraft, die sie hervorgebracht hat. Nur der Verstand kann nicht anders als zugeben, dass es eine solche gegeben haben muss. Es ist immer noch ein „unbekannter Gott“, obwohl sie kaum so freimütig wie die Athener sind, einen Altar zu errichten und ihre Unwissenheit zu kundzutun. Doch es gibt keine Entschuldigung mehr, wenn nicht nur die Schrift gelesen wird, sondern der Sohn Gottes selbst den besten Beweis für die Wahrheit gegeben hat.
Die inspirierte Aussage wird die genaueste Prüfung belohnen. Durch den Glauben begreifen wir, dass die Welten durch Gottes Wort erschaffen wurden und dass das, was wir sehen, nicht aus dem Sichtbarem entstanden ist. Dies lässt reichlich Raum für alle Veränderungen, die nach der ursprünglichen Erschaffung der Erde nachweislich stattgefunden haben, und behauptet gleichzeitig, dass das, was gesehen wird, nicht aus dem, was sichtbar ist, entstanden ist. Dass alles aus dem Nichts geschaffen wurde, würde kein Christ sagen; aber dass Gott, wo nichts war, alles aus seinem eigenen Willen und Wort schuf, ist die ebenso einfache wie tiefe Wahrheit; und alle anderen Hypothesen sind ebenso unklug wie unangebracht und unwahr. Die Evolution mag Gott nicht offen leugnen, aber sie beraubt ihn bestenfalls seines persönlichen Handelns und seiner Anteilnahme an der Weisheit, Macht und Güte seines Willens in jedem Teil; und ihre Tendenz ist offensichtlich, Ihn ganz auszuschließen, im Widerspruch zu seinem Wort, das sein tiefes und direktes Interesse am Ganzen bezeugt.
Es ist nur natürlich, dass die Wissenschaft sich dessen rühmt, was sie über die materiellen Phänomene, die sie beherrschenden Gesetze und die sich daraus ergebenden Ergebnisse entdeckt hat und lehren kann. Die Wissenschaft ist auch nicht zu tadeln, weil sie von ihrem Wesen her nicht zur moralischen Wahrheit und noch weniger zur Erkenntnis Gottes aufsteigen kann. Nur diejenigen, die für sie sprechen, sind außer Rand und Band, wenn sie es wagen zu leugnen, dass etwas Höheres und viel Bedeutsameres auf eine Weise gelernt werden kann, die unvergleichlich sicherer ist als jede menschliche Lehre. Sie haben völlig unrecht und sind sogar unlogisch, wenn sie behaupten, es gäbe nichts zu wissen jenseits der leeren Wand, wo alle Wissenschaft notwendigerweise aufhört, unfähig, weiterzuführen oder weiterzugehen. Der gründlichste, der gröbste Materialist muss zugeben und tut es auch, dass die Wissenschaft keine Auskunft über den Ursprung von allem geben kann, oder, wie sie sagen, „über den Ursprung der ständigen Ursachen selbst“.13 Die Wissenschaft, sagt ein anderer dieser Weisen, „ist völlig machtlos, in das Geheimnis einzudringen, das dahinter liegt“. Aber wenn die Wissenschaft nicht entdecken kann, kann Gott offenbaren. Und die Bibel beginnt mit seiner Offenbarung in einfachen, klaren und seiner würdigen Worten. Gott möchte nicht, dass sein Volk in Unkenntnis über den Ursprung aller Dinge durch seine Macht und Güte und Weisheit ist. Er hat sie in eine Beziehung zu sich selbst gerufen, unwürdig wie sie sind, bis der einzig Würdige sie zu sich selbst in Gnade und Wahrheit bringt, damit sie dann in seinem Licht wandeln.
In der Zwischenzeit, während Israels Unglauben, hat die Gnade „etwas Besseres“ im Christentum mit seiner himmlischen Verbindung bereitgestellt, an dem wir, die wir jetzt glauben, während Christus in der Höhe ist, unser gesegnetes Teil haben. Und dieser Brief trägt seinen Teil zu diesem Ziel bei.
Wir können nur bemerken, wie leicht selbst Kommentatoren abschweifen, die sich nicht völlig den Worten der Schrift unterwerfen. So führt einer, der sich mit Recht gegen diejenigen wendet, die nicht nur den gesicherten Tatsachen der Geologie, sondern den wechselnden und unsicheren Hypothesen ihrer Lehrer vertrauen, an: „In sechs Tagen schuf Gott“ und so weiter. Aber das ist falsch. Die Bibel spricht niemals so. Siehe 2. Mose 20,11: „Denn in sechs Tagen hat der Herr den Himmel und die Erde gemacht, das Meer und alles, was in ihnen ist“ und so weiter. Dies ist das ausdrückliche Zeugnis des Heiligen Geistes. Die eigentliche Schöpfung (1Mo 1,1) fand vor den sechs Tagen statt, als zweifellos bestimmte Gegenstände für die adamitische Erde geschaffen wurden. Wieder andere irren, indem sie die ursprüngliche Schöpfung mit dem leeren und verworrenen Zustand verwechseln, in dem uns (nicht der Himmel, sondern) die Erde in 1. Mose 1,2 gezeigt wird; wo die Redewendung wie auch andere Schriften (Jes 45,18) die Annahme zurückweisen, dass Gott ursprünglich ein Chaos geschaffen hat: Das ist eine dem Heidentum natürliche Vorstellung. „Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde“. Der in Vers 2 beschriebene Zerfall war ein späterer Zustand, der im Gegensatz zur ursprünglichen Ordnung und zum endgültigen Zustand stand, der für den Menschen beschrieben wurde.
13 Mill’s Logic, achte Auflage, 398–400.↩︎