Behandelter Abschnitt Heb 10,19-25
Es ist auch interessant zu beobachten, wie sorgfältig die Schrift den Fehler vermeidet, anzunehmen, der neue Bund würde unsere Stellung ausdrücken. Sein Blut ist vergossen; seine geistliche Glückseligkeit gehört uns, die wir glauben. Aber seine strenge und volle Bedeutung wartet auf das Haus Israel und das Haus Juda an einem zukünftigen Tag, wie wir in Hebräer 8 gesehen haben. Dann werden alle seine Bedingungen erfüllt sein; nicht nur das, was das Herz und der Verstand brauchen, mit voller Vergebung seines Prinzips, obwohl die Juden sich noch nicht vor dem Messias gebeugt haben. Doch wie sein Werk getan und angenommen ist, so bezeugt der Geist die völlige Vergebung der Sünden in seinem Namen: Gott wird ihrer nicht mehr gedenken für die, die glauben. Und wo dieser Erlass ist, da gibt es kein Opfer mehr für die Sünde. Das ist das Christentum im Gegensatz zum Judentum. Es gründet sich auf das Opfer Christi, das die Sünden der Gläubigen so vollständig weggenommen hat, dass kein Opfer mehr für sie nötig ist.
Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, auf dem neuen und lebendigen Weg, den er uns eingeweiht hat durch den Vorhang hin, das ist sein Fleisch, und einen großen Priester haben über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser. Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten (denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat); und lasst uns aufeinander Acht haben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag näher kommen seht (10,19–25).
Aber das Werk Christi ist noch viel mehr wert. Es verschafft uns den gegenwärtigen Eingang in das Heiligtum. Das, was unsere Sünden weggenommen hat, hat den Vorhang zerrissen; und die, die glauben, sind eingeladen und dürfen schon jetzt in das Allerheiligste eintreten. Es wäre eine bloße und schamlose Anmaßung, dort hineinzugehen, unter dem Vorwand unserer Liebe oder Heiligkeit, einer neuen Natur oder gar einer göttlichen Ordnung. Hier wird es ruhig für die Christen in Anspruch genommen, die auf das Deutlichste ermahnt werden, sich im Glauben der Gegenwart Gottes zu nähern, ohne Zweifel und ohne eine Wolke, jetzt, da ihre Sünden weg sind. Die Freimütigkeit, dorthin einzugehen, verdanken sie dem Blut Jesu. Nur der Unglaube hindert sie daran. Es ist ein neuer und lebendiger Weg, den Er für uns durch den Vorhang, das heißt durch sein Fleisch, eingeweiht hat. Wir ehren Ihn, indem wir diesen Weg in dem vollen Vertrauen darauf gehen, dass es Gott wohlgefällt.
Und nicht nur das: Wir haben einen großen Priester über das Haus Gottes (V. 21). Sein ist der Anspruch. Er ist der Sohn über das Haus Gottes, was sogar Mose nicht war, sondern er war nur ein Diener darin; und sein Haus sind wir, wenn wir an unserer Freimütigkeit festhalten, anstatt zu zweifeln oder sie aufzugeben. Im Himmel selbst erscheint Christus nun vor dem Angesicht Gottes für uns, die wir durch sein Opfer kein Gewissen von Sünden mehr haben, da Er dort der Beweis ist, dass wir unversehrt vollendet sind. Er ist droben, um uns trotz unserer Schwachheit und Gefährdung hier zu erhalten, durch die Reinigung seines Blutes und die Nähe, die es denen verleiht, die glauben.
Deshalb wird uns gesagt, dass wir „mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens“ hinzutreten sollen (V. 22). Niemals könnten wir ein solches Vorrecht verdienen. Seine Herrlichkeit und sein Werk allein berechtigen uns dazu, aber sie tun es vollständig; und wir ehren Ihn und würdigen die Gnade Gottes, indem wir nicht mit Furcht oder Zögern, sondern mit aufrichtigem Herzen und in voller Gewissheit des Glaubens zu Ihm kommen. Gott selbst hat durch seinen Sohn und im Geist gewirkt, damit wir auch hier voll und ganz gesegnet werden und bereits diesen Zugang zu Ihm im Heiligtum genießen können. Welch eine Demütigung, die die Tradition jeder Person der Gottheit, der Gnade und der Wahrheit, die durch Jesus Christus gekommen ist, antut, wenn sie die Menschen in das Grauen und die Ferne des Judentums zurückzieht! Denn keine Demut ist so echt wie die des Glaubens, die sich selbst als so unwürdig ansieht, dass sie nur Verdammung verdient, und sich in ewiger Dankbarkeit vor Gott und dem Lamm verneigt, von dem der Heilige Geist uns lehrt, dass es all unserer Gedanken und Zuneigung, unserer Anbetung und unseres Dienstes wert ist.
Die verwendeten Bilder sind den levitischen Einrichtungen entnommen, drücken aber einen festen Zustand aus, der weit über das hinausgeht, was damals sein konnte: „die Herzen besprengt und so gereinigt vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (V. 22). Die Söhne Aarons wurden für den priesterlichen Dienst äußerlich gewaschen und besprengt. Anderswo finden wir Bestimmungen für das Versagen, wie in Johannes 13 und 1. Johannes 2,1; hier haben wir nur den wesentlichen Grund, der bestehen bleibt, wie es in Johannes 13,10 durch „gewaschen“ oder „gebadet“ ausgedrückt wird. Es war umso notwendiger, darauf zu bestehen, als es sich um einen Brief für solche handelte, die als Juden immer an das Scheitern und die Vorsorge dafür gewöhnt waren und denen der neue und lebendige Weg mit seinen ewigen und vollsten Segnungen unbekannt war. Und jetzt müssen die Gläubigen in der Christenheit von den jüdischen Elementen entwöhnt werden, denen sie so lange verhaftet waren. Sogar Christen brauchen im Allgemeinen die Wahrheit des Evangeliums, um sie von menschlichen Gedanken und Wegen zu befreien. Wenn sie in der Gnade gefestigt sind, beanspruchen andere Bedürfnisse ihren Platz, wo es viel zu lernen gibt.
Wieder heißt es: „Lasst uns das Bekenntnis der Hoffnung unbeweglich festhalten“ (V. 23), das heißt fest und unerschütterlich, nicht durch unsere Kraft oder unseren Mut, sondern „denn treu ist er, der die Verheißung gegeben hat.“ Die Kraft der Beständigkeit liegt im Blick auf und für Christus. [...] Die Verheißung hat mit der Zukunft zu tun und ruft daher zur Hoffnung auf.
Dann folgt die Aufforderung: „und lasst uns aufeinander Acht haben zur Anreizung zur Liebe und zu guten Werken“ (V. 24). Wenn wir vor Gott in Bezug auf die Gegenwart und die Zukunft die richtige Einstellung haben, sind wir in der Lage und werden ermahnt, das Gute des anderen zu suchen. Und um die Zuneigung und die Taten zu fördern, die der Christen würdig sind, ist es wichtig, die Ermahnung zu hören: „indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern“ (V. 25a). Denn das ist besser als ein tadelnder Ton, der weder zur Liebe noch zu guten Werken anregt. Unser Versammeln ist von großer Bedeutung: Niemand kann es vernachlässigen, ohne Schaden zu erleiden. Und wir brauchen gegenseitige Aufmunterung inmitten von Schwierigkeiten, Kummer und Gefahren. Isolation kann unter besonderen Umständen ein Mittel sein, aber sie ist nie so erstrebenswert wie Gemeinschaft als Regel.
Da es hier um Verantwortung geht, ist es „der Tag“ oder die Erscheinung des Herrn, die folgt, wenn unsere Treue oder das Fehlen derselben offenbar wird. Das Gewissen sollte wegen der Gnade, in der wir stehen, umso mehr in Übung sein; aber das Fleisch würde die Gnade für Nachlässigkeit ausnutzen. Die Versammlung hat ihren ernsten Platz und Anspruch nach Gottes Wort, ebenso wie der einzelne Gläubige. Die Schwierigkeiten nehmen zu, je näher der Tag kommt; aber sein Wort ist maßgebend für die, die Ihn fürchten, und führt niemals in die Irre, wo das Auge einfältig ist. Der Heilige Geist bewirkt dies, indem Er uns auf Christus hinweist. Dann spricht die Schrift sowohl über das Herz als auch über das Gewissen; der neue Mensch entspricht dem Wort des Herrn und lebt im Gehorsam.