Behandelter Abschnitt Heb 9,6-10
Dieses Vorrecht ist so charakteristisch für das Evangelium, dass wir
es seit dem Kreuz fast überall finden und für alle, die jetzt glauben,
als ihr sicheres Teil beanspruchen, und zwar von niemandem so sehr wie
vom Apostel Paulus, der zur Verteidigung des Evangeliums und seines
Dieners in seiner ganzen Tragweite eingesetzt war. Römer 5 haben wir
soeben gehört. 2. Korinther 3,18 ist nicht weniger deutlich und
vergleicht den Christen mit Israel, das nicht einmal den Widerschein der
Herrlichkeit betrachten konnte, die vom Angesicht des Mose ausstrahlte,
und eine Decke brauchte, um sie zu verbergen: „Wir alle aber, mit
aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden
verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als
durch den Herrn, den Geist“ (2Kor 3,18). Wiederum in Epheser 2,13.14.18:
„Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch
[oder: in] das Blut des Christus nahe geworden. Denn er ist unser Friede
... Denn durch ihn haben wir beide den Zugang durch einen Geist
zu dem Vater.“ Nicht weniger deutlich und entscheidend ist Kolosser 1:
„danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil am Erbe
der Heiligen in dem Licht, der uns errettet hat aus der Gewalt der
Finsternis und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe“
(V. 12.13). In 1. Petrus heißt es von den Judenchristen: „der euch
berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht ... Denn es
hat ja Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für
die Ungerechten, damit er uns zu Gott führe“ (2,9; 3,18). Auch
Da nun dieses so eingerichtet ist, gehen zwar in die vordere Hütte allezeit die Priester hinein und verrichten den Dienst; in die zweite aber einmal im Jahr allein der Hohepriester, nicht ohne Blut, das er für sich selbst und für die Verirrungen des Volkes darbringt; wodurch der Heilige Geist dieses anzeigt, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat, was ein Gleichnis auf die gegenwärtige Zeit ist, nach dem sowohl Gaben als auch Schlachtopfer dargebracht werden, die dem Gewissen nach den nicht vollkommen machen können, der den Gottesdienst ausübt, der allein in Speisen und Getränken und verschiedenen Waschungen besteht, in Satzungen des Fleisches, auferlegt bis auf die Zeit der Zurechtbringung (9,6–10).
Man wird bemerken, dass es das Präsens ist, das die Vulgata und die A. V. gleichermaßen vernachlässigt haben, obwohl Beza es richtig wiedergegeben hat; doch das Präsens ist nicht historisch, sondern ethisch; denn die Stiftshütte in der Wüste ist vor dem Schreiber, nicht der Tempel: So haben wir es in Hebräer 3 und 4 gesehen, und so ist es hier und im Ganzen. Das zeigt sich in den ersten Versen des Kapitels, die in dem Satz zusammengefasst sind: „Da nun dieses so eingerichtet ist“, und zwar nicht nur die Stiftshütte, sondern auch ihre Gegenstände, die sich in einigen wesentlichen Punkten vom Tempel unterscheiden, denn es war das Bild des tausendjährigen Reiches und der Ruhe, wie die Stiftshütte das Bild der Gnadenmittel in Christus für die Wüste und ihre Fremdlingschaft ist. Daher hatte die Lade, als sie im Tempel aufgestellt wurde, weder den goldenen Krug mit dem Manna darin noch Aarons Stab, der Knospen trieb (2Chr 5,10), die wir in Vers 4 sorgfältig benannt finden. Mit solch einer ausgesprochen göttlichen Weisheit war die Schrift im Alten Testament wie im Neuen Testament inspiriert.
Dennoch machte das Gesetz, was immer es an Schatten der himmlischen Dinge bot, nichts vollkommen. Und das wird hier dadurch bewiesen, dass die Priester bei ihrem ständigen Eintritt nicht weiter als bis zum ersten Teil Stiftshütte oder bis zum Allerheiligsten gehen; in das Allerheiligste geht nur der Hohepriester einmal im Jahr, und dann nicht ohne das Blut, das er für sich und die Sünden des Volkes opferte. Wie weit entfernt ist das Evangelium, das zu den Gottlosen und Verlorenen hinausgeht und alle mit Gott versöhnt, die an den Tod seines Sohnes glauben!
Als Christus kam, war Gott in Ihm, um die Welt mit sich selbst zu versöhnen; Ihn aber haben Juden und Heiden verworfen und gekreuzigt. Unter dem Gesetz offenbarte sich Gott nicht, sondern schloss sogar sein Volk völlig von seiner Gegenwart aus; denn wie konnte Gott, wenn Er mit ihnen aufgrund ihres Verhaltens handelte, sie von seiner Gegenwart befreien? Er wohnte in der dichten Finsternis und gestattete den Priestern, sich nicht näher als bis zum Allerheiligsten zu nähern. Der Hohepriester allein (im Vorbild Christi) betrat das Allerheiligste nur einmal im Jahr, und dann (denn er war nur ein Vorbild und in Wirklichkeit ein sündiger Mensch) mit Blut, das er für sich und die versehentlichen Sünden des Volkes opferte. Die Beschränkung wurde weiterhin aufrechterhalten. Aber jetzt, und nur durch den Tod Christi, ist der Vorhang zerrissen; und der Heilige Geist zeigt damit, dass der Weg in das Heiligtum offenbart wurde und wird. Es war die Todesglocke des Judentums, aber die Grundlage eines besseren und himmlischen Segens; und da der Mensch darin zuschanden wird, da er keinen Anteil hat außer den Sünden, wird Gott verherrlicht und kann dadurch frei in souveräner Gnade wirken, um Juden und Heiden gleichermaßen zu erretten. Genau das führt Er jetzt im Evangelium aus.
So war die Menschwerdung Gottes, der in Christus zu den Menschen kam; aber durch das Kreuz wird der gläubige Mensch zu Gott gebracht, und der Weg ins Allerheiligste ist nun offenbart. In dem fleischgewordenen Wort war göttliche Liebe und absoluter Gehorsam; aber das Werk der Versöhnung lag allein in seinem Tod. Denn vorher war Gott nicht verherrlicht worden, was das Böse anbelangt, noch war die Sünde in vollem Umfang gerichtet, noch war folglich der gerechte Grund gelegt, damit Gott den Gläubigen rechtfertigen konnte: ganz zu schweigen von dem, was für Ihn selbst, den Vater, von größtem Interesse war, indem Er Christus von den Toten auferweckte und Ihn, den verherrlichten Menschen, zu seiner Rechten in der Höhe setzte, als Haupt über alles für die Versammlung, die sein Leib ist. Daher ist die Vorstellung, die Menschwerdung sei die Wiederherstellung der Menschheit gewesen, eine der Wahrheit entgegengesetzte und zerstörerische Fabel: Sie ist daher für den Rationalisten nicht weniger zugänglich als für den Ritualisten. Denn es ist der angebliche Grund des Segens ohne das Opfer Christi, ohne die Gerechtigkeit Gottes, ohne das Gericht über die Sünde, ohne den Triumph der Gnade über das Böse und den Satan in Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Erlösers. Aber es ist sein Tod, den die Schrift als die wahre Grundlage der Erlösung offenbart, obwohl die Herrlichkeit seiner Person, wahrer Gott und vollkommener Mensch, Ihm zweifellos die Befugnis verlieh, nicht nur die Sünder zu erlösen, sondern auch das Haupt der neuen Schöpfung und tatsächlich über alle Dinge zu sein. Nur als Auferweckter und Erhöhter in den himmlischen Örtern ist Er zum Haupt über alle Dinge gemacht worden (Eph 1; Phil 2; Heb 1 und 2); und dies, weil es, da die Sünde sowohl die Erben als auch das Erbe verdorben hat, keine Rechtfertigung Gottes, keine angemessene und ewige Erlösung für den Menschen geben konnte, ohne das Leiden des Todes (Heb 2). Nur so wurde Er zum wirksamen Mittelpunkt (Joh 12,24.32). Er ist Sohn Gottes und Sohn des Menschen, aber jeder wahre Glaube macht vor seinem Tod nicht Halt, denn sonst würde Er (aus welchen Motiven auch immer) die Sünde und das Gericht Gottes auf die leichte Schulter nehmen (vgl. Joh 6,35 mit V. 53–56 usw.; 1Joh 5,6).
So sehen wir hier (V. 8.9), dass unter dem Gesetz der Weg ins Heilige nicht offenbart wurde, so dass seine Gaben und Opfer den Anbeter nicht vollkommen machen konnten, was das Gewissen betrifft. Nun aber trifft das Werk Christi, und nichts weniger als das Werk, sowohl Gott als auch den Anbeter, ja selbst den dunkelsten und entferntesten und verunreinigten Sünder. „Und solches sind einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden in dem Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes“ (1Kor 6,11). Die Vorschriften des Gesetzes, so bewundernswert sie als Zeugnis für die Sündhaftigkeit des Menschen und für einen kommenden Erlöser auch waren, waren nur andeutungsweise und zeitlich, bedingt nur durch Speisen und Getränke und verschiedene Waschungen (V. 10a) äußerer Art; und sie berührten folglich keine tieferen Bedürfnisse als „die Verirrungen des Volkes“ (V. 7). Sie wurden, wie hier, als „Satzungen des Fleisches, auferlegt bis auf die Zeit der Zurechtbringung“ bezeichnet (V. 10b).