Behandelter Abschnitt Titus 2,3-5
Es gibt noch eine letzte Eigenschaft, von der der Apostel spricht: dass die alten Menschen gesund seien: „im Ausharren“ wie auch im Glauben und in der Liebe. Das Böse ist reichlich vorhanden; aber das Böse wird, wo man im Glauben und in der Liebe bleibt, nicht selten die Gelegenheit geben, darüberzustehen. Es mag Leiden verursachen; aber darin liegt die Gemeinschaft mit dem Meister; und Ausharren steht dem alt gewordenen Gläubigen gut. Es war sogar für einen Apostel ein primäres Zeichen; denn es gibt kaum etwas Traurigeres, als fehlendes Ausharren, besonders bei älteren Männern.
Nun werden Ermahnungen für das andere Geschlecht gegeben: die alten Frauen ebenso in ihrem Betragen, wie es dem heiligen Stand geziemt, nicht verleumderisch, nicht Sklavinnen von vielem Wein, Lehrerinnen des Guten; damit sie die jungen Frauen unterweisen [σωφρονίζωσι], ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben, besonnen, keusch, mit häuslichen Arbeiten4 beschäftigt, gütig, sich den eigenen Männern unterzuordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde (2,3‒5).
Wie mit den alten Männern begonnen wurde, so kommen nun die alten Frauen an die Reihe. Ihnen mag die Kleidung nicht so leicht zum Fallstrick werden, wie den Jüngeren; aber es ist von großer Wichtigkeit, dass nicht nur ihre Kleidung, sondern ihr allgemeines Benehmen denen, die mit heiligen Dingen zu tun haben, angemessen ist. Denn das ist die volle Bedeutung des verwendeten Wortes. Dies steht also an erster Stelle. Sie würden natürlich etwas weniger zurückhaltend sein, aufgrund ihres Alters und ihrer Gewohnheiten, die sie aller Wahrscheinlichkeit nach vor ihrer Bekehrung zu Gott entwickelt haben. Aber die Gnade ist allen Schwierigkeiten überlegen und formt durch die Wahrheit, anstatt das herauszufinden, was dem Herrn wohlgefällig ist. Die Lehre, wie solide sie auch sein mag, würde durch eine respektlose Haltung oder ein Verhalten, das sich vielleicht in der Kleidung zeigt, aber viel mehr im Inneren und Äußeren verbirgt, zu Schanden gemacht werden. Wo sie sich selbst für solche hielten, die die Furcht Gottes vor Augen hatten, würde das ihren Stand würdigen. Es ist offensichtlich, dass der Apostel Timotheus in einer Weise anweist, die sich hinreichend von dem unterscheidet, was er hier hinsichtlich der älteren Frauen anordnet (1Tim 2,9). Denn dort spricht er von Frauen im Allgemeinen, und καταστολὴ (obwohl es weit mehr umfasst als στολὴ) scheint nicht so weit zu gehen wie κατάστομα, ein Wort, das in erster Linie den Zustand oder sogar die Konstitution ausdrückt, aber auch auf die Kleidung angewendet wird.
Der nächste Fallstrick, vor dem sie gewarnt werden, ist der Missbrauch der Zunge. Ältere Frauen sollten nicht „verleumderisch“ sein. Zweifellos geziemt es sich für niemanden, der den Namen des Herrn anruft; aber wie Männer mehr der Schlinge grober oder gewalttätiger Handlungen ausgesetzt sind, so sind es ältere Frauen, die ihren Gefühlen in ungebührlicher Rede Luft machen, wenn sie in irgendeiner Weise geärgert werden. Auch Müßiggang (und oft ist in ihrer Lebenszeit eine Unterbrechung der Aktivität zu erwarten) würde Raum für schädlichen Klatsch geben. Deshalb warnt der Geist Gottes an nächster Stelle vor Schimpfworten ihrerseits, besonders vor Verleumdungen anderer. Männer werden in 2. Timotheus 3,3 ebenso beschrieben; aber Frauen öfter, wie in 1. Timotheus 3,11 und hier.
Auch ihr Alter, besonders in dem Land, an das der Apostel dachte, würde ihnen Gelegenheit und Gelüste zum Wein geben. Natürlich wissen wir alle, dass ein erschöpfter Körper und ein geprüfter Geist auf ein solches Genussmittel zurückgreifen könnten; wie es im letzten Kapitel der Sprüche heißt: „Gebt starkes Getränk dem Umkommenden und Wein denen, die betrübter Seele sind: Er trinke und vergesse seine Armut und erinnere sich nicht mehr an seine Mühsal“ (Spr 31,6.7). Aber das Wort ist eindeutig: „nicht Sklavinnen von vielem Wein“.
Was auch immer die Spekulationen der Modernen sein mögen, die Schrift beugt sich nicht der Theorie, sondern hält die Freiheit für den Christen im Gebrauch jedes Geschöpfes Gottes aufrecht. Unser Herr selbst hat persönlich und besonders die Annahme widerlegt, dass solch ein Gebrauch an sich böse sei. Auch hier haben wir einen klaren Beweis dafür, dass es überhaupt kein absolutes Verbot gibt. Timotheus wurde sogar befohlen, ein wenig Wein zu gebrauchen, um seines Magens und seines häufigen Unwohlseins willen. Ältere Frauen werden einfach gewarnt, dass sie nicht vielem Wein ergeben sein sollen. Die, die Christus als ihr Leben haben, werden ermahnt, mit dem Geist erfüllt zu sein (Eph 5,18). Das passt nicht zusammen mit der Erregung, die durch den Wein ausgelöst werden kann.
Aber der Apostel begnügt sich nicht damit, sie vor Fallstricken zu warnen. Es war von ihrem Alter her angebracht, dass sie „Lehrerinnen des Guten“ sein sollten. Mit „gut“ meint er in diesem Satz nicht die wohltätige Praxis, sondern das, was ehrenhaft war (kαλοδιδασκάλους), was für sie selbst und in Bezug auf den Herrn schicklich war. Ältere Frauen hätten erhebliche Möglichkeiten. Befreit von den Anforderungen des jungen und kräftigen Lebens, haben sie im Alter einen nicht minder geeigneten Bereich wo sie sich nützlich machen können. Lasst sie darauf achten, dass sie mit dem Gewicht, das die Erfahrung verleiht, Lehrerinnen dessen sind, was aufrichtig und anständig ist. Was auch immer die Tendenz der Natur und die Neigung aus Gewohnheit sein mag, die Gnade bringt den Namen Christi hinein, und aus Christus fließt all das hervor, was die Gläubigen kennzeichnet, wertvoll in Gottes Augen, ob sie lehren oder belehrt werden.
Als nächstes betrachtet der Apostel ihre Beziehung zu jüngeren Frauen, auf die sie in der Regel einen starken Einfluss haben würden. Wie sollten sie ihre Möglichkeiten nutzen? Sie sollen „die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben, ihre Kinder zu lieben“ (V. 4). Hier wären sie wunderbar am Platz, und mit dem Herrn vor Augen würden sich ihre Erfahrungen als unschätzbar wertvoll für die erweisen, die sich den täglichen Schwierigkeiten und Problemen des menschlichen Lebens stellen müssen. Sie sollten die jungen Frauen nicht nur unterweisen, sich ihren Ehemännern unterzuordnen; besonders dringlich ist es, die Zuneigung im häuslichen Kreis zu pflegen. Das würde auf einen Widersacher der Wahrheit gewinnend wirken, wo Frömmigkeit zunächst abstoßend sein mag; daneben ist die Liebe zum Ehemann und zu den Kindern von der Frau und Mutter unbedingt zu pflegen. Das Christentum war nie dazu bestimmt, die Zuneigung zu entkräften. Wenn Christus regiert, ist Er auch die Quelle sicherer, unfehlbarer Kraft. Es gibt keine Prüfung mit dem Ehemann oder dem Kind, auf die seine Gnade nicht anwendbar wäre; und die älteren Frauen waren von allen am besten geeignet, die Herzen der Jüngeren zu ermutigen und zu befestigen, damit sie nicht vom Bösen überwunden werden, sondern das Böse mit dem Guten überwinden.
Aber es gibt noch eine andere Ermahnung, die am besten dazu passt. Sie sollten ihre jüngeren Schwestern dazu erziehen, „besonnen“ oder rechtschaffen zu sein: Sie könnten einerseits zur Begeisterung, andererseits zur Unachtsamkeit neigen. Besonnenheit ist daher eine höchst notwendige Eigenschaft, um inmitten der Schwierigkeiten des alltäglichen Lebens auf dem wahren Pfad der Gottseligkeit und Weisheit zu bleiben.
Weiterhin beansprucht die Reinheit einen großen Platz in der Ermahnung der Älteren an die Jüngeren. Sie sollten sie dazu anhalten, „keusch“ zu sein, in Tat, Wort und Geist, wo der Geist Gottes, der Christus offenbart, alle Macht hat. Wie wenig kannten die Griechen davon, und noch weniger die Juden zu ihrer Schande! Ihre Religion selbst verunreinigte die Griechen; sie gaben sich jeder Verderbtheit hin und wurden weit mehr verunreinigt, als wenn sie keine gehabt hätten. So mächtig und so wesentlich ist die Reinheit im Christentum, dass sie sich äußerlich und wirklich als ein ganz neues Element erwies, wo die Gnade vergessen und die Wahrheit fast ausgelöscht wurde. Und doch zeigten gerade die Künstler der Christenheit, die Bildhauer und Maler, von den Dichtern ganz zu schweigen, wie tief das Licht Christi in ihre Vorstellungen eingedrungen war, verglichen mit den üppigen Überresten der alten Kunst. Aber hier ging es nicht um ein überlebendes oder neues Gefühl, sondern um eine tiefe, noch nie dagewesene Gerechtigkeit, die der Beziehung und dem Geschlecht (ganz zu schweigen von dem anderen) angemessen war, so wie Gott es geschaffen hatte, und die nun unter die Gnade Christi gebracht wurde. Reinheit, die ein selbstsüchtiger Jude oder ein ausschweifender Grieche bei seiner Frau und im Familienleben nicht verkennen würde.
Danach wird betont, ist, dass sie „mit häuslichen Arbeiten beschäftigt“ sind. Man kann nicht anders, als die gnädige Weisheit einer solchen Ermahnung wie dieser zu empfinden; und sie muss die, die in heidnischen Verhältnissen lebten, noch mehr getroffen haben als uns, die wir an den gesegneten Gegensatz mit heidnischen Gewohnheiten in den Tagen des Christentums, wie entartet auch immer, gewöhnt sind. Es ist ein schönes Beispiel für die Art und Weise, in der sich der Geist Gottes den gewöhnlichsten Pflichten in der gegenwärtigen Szene anpasst. Siehst du es an Christus, der so viele Jahre seines Lebens in der Unterordnung unter seine Eltern lebte und der in den dunkelsten Verhältnissen zunahm „an Weisheit und an Größe und an Gunst bei Gott und Menschen“ (Lk 2,52). Er ist es, der all diese Ermahnungen, die moralisch so erhaben sind, so einfach und leicht verständlich macht. Er bringt seine eigene Gnade ein, die für Frauen wie für Männer gilt. Er zeigt uns in jeder Hinsicht den Weg, das Vorbild, Gott zu gehorchen, das zweifellos über jeden Vergleich erhaben ist; doch wie viele hat Er auf dem schmalen Pfad geführt und geformt und gesegnet, den Er in einer Wüste beschritt, wo es keinen Weg gibt!
Die nächste Ermahnung ist von großem Wert und folgt auf den Fleiß in der Hausarbeit. Sie lautet, dass die jüngeren Frauen „gütig“ (ἀγαθὰς) im Sinn von Freundlichkeit sein sollen. Wenn sie Christus nicht vor Augen hätten, würden sie die Hausarbeit vielleicht als Plackerei verachten. Aber wenn die Arbeit noch so gut gemacht wäre – ist das alles, was einen Ehemann befriedigen oder erfreuen würde? Die Güte verbreitet das Glück rundum. Christus wirft ein himmlisches Licht auf jede irdische Pflicht, das der blauen Schnur entspricht, die Gott den Juden befahl, an ihre Gewänder zu heften. Aber die Ermahnung zur Güte in dieser Art hat besondere Weisheit in der Hausarbeit zur Folge. Es gibt keinen Ort, an dem sie wertvoller und seltener ist. Allein die Gnade des Herrn kann sie zu einer ständigen Gewohnheit machen, wo unzählige kleine Begebenheiten unweigerlich auftauchen, die die Geduld auf die Probe stellen. Aber mit Christus vor dem Herzen setzt die Güte ihren unaufdringlichen Weg fort. Sie müht sich ab und harrt aus, als sähe sie Ihn, den Unsichtbaren.
Und nicht zuletzt erfolgt die unablässige Aufforderung an die Ehefrauen, sich ihren Männern unterzuordnen, „damit das Wort Gottes nicht verlästert werde“. Was ist für einen Ehemann ärgerlicher als die Bereitschaft der Ehefrau, seine Autorität in Frage zu stellen oder seine Pläne zu durchkreuzen? Die Gewohnheit der Unterordnung ist von allen Dingen am besten geeignet, das Ohr des Ehemannes zu gewinnen; und gewiss würde die Erkenntnis Christi das Geheimnis der Weisheit geben, ob er nun Christ ist oder nicht. Hätte er die Gefahr und das Übel der Vernachlässigung von Ratschlägen erfahren, die sehr wahrscheinlich auf seinen eigenen Wunsch hin gegeben wurden, so würde dies den Wunsch hervorrufen, wieder zu hören. Aber der unbesonnene, aufmüpfige Geist der Frau würde diesem glücklichen Einfluss völlig entgegenwirken und dazu führen, dass sogar das, was gut sein könnte, gemieden und missachtet wird. Es war daher von größter Bedeutung, dass die älteren Frauen den jüngeren vermittelten, sich ihren eigenen Ehemännern unterzuordnen; und dies nicht nur für den Frieden und den Nutzen im Haushalt im Allgemeinen und für die glückliche Beziehung zwischen Frau und Mann, sondern „damit das Wort Gottes nicht verlästert werde“ oder einen schlechten Ruf bekommt. Das Versäumnis einer Frau, die Lehre Gottes, unseres Erlösers, durch Unterordnung zu zieren, sogar in dieser innigen Verbindung, würde nicht nur auf sie selbst oder ihre Mitbewohner, sondern sogar auf das Wort Gottes Schimpf bringen. Das mag nicht ganz gerecht sein; aber es beweist, was die Menschen von solchen erwarten, die den Besitz seiner Gunst beanspruchen; und diese sind verpflichtet, ihre Verantwortung anzuerkennen.
4 Der Textus Receptus hat, vielen Zeugen folgend, und gefolgt von der A. V. und so weiter, οἰκουρούς, „Hüter zu Hause“; das unterscheidet sich nur durch einen leicht weggelassenen Buchstaben von οἰκουργούς, das die meisten der späteren Kritiker bevorzugen, da es offenbar die beste Lesart ist.↩︎